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Joachim Gauck im ZDF-Sommerinterview Deutschland ist kein sinkendes Schiff

Sieben Monate ist Bundespräsident Gauck noch im Amt; es ist also sein letztes Sommerinterview, das er dem ZDF gegeben hat. Er nutze es für versöhnliche und lobende Worte. Über Merkels Flüchtlingspolitik beispielsweise: Ihren umstrittenen Satz "Wir schaffen das" verteidigt Gauck.

Von: Janina Lückoff

Stand: 14.08.2016

Bettina Schausten, Leiterin des ZDF-Hauptstadtstudios, im Gespräch mit Bundespräsident Joachim Gauck bei der Aufzeichnung des ZDF Sommerinterviews am 13.8.2016 in Berlin | Bild: picture-alliance/dpa

Es sind stürmische Zeiten, die Deutschland angesichts des Flüchtlingszustroms und der Terrorgefahr aus Sicht vieler durchzustehen hat - entsprechend wählt Bundespräsident Gauck passende Worte:

"Das Land ist nicht in einem Zustand, wie ein sinkendes Schiff. Es ist noch nicht mal in einem Zustand eines schweren Orkans, sondern es sind Böen, die uns schütteln."

Joachim Gauck, Bundespräsident

Gauck zeigte sich im ZDF-Sommerinterview verständnisvoll: Viele Menschen seien verunsichert, sagte er, es gebe Sorgen in der Bevölkerung, die man ernst nehmen müsse. Gleichzeitig verteidigte er die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Merkel - und auch ihren umstrittenen Satz "Wir schaffen das":

"Ich mag mir eine Regierungschefin nicht vorstellen, die vor das Volk tritt und sagt: Wir schaffen das nicht. Also: Warum sollte man so eine Person wählen?"

Joachim Gauck, Bundespräsident

Wir schaffen das - nur das Wie ist nicht deutlich geworden

Gauck räumte ein, dass das WIE wir es schaffen, nicht gleich deutlich geworden sei; so könnte der Eindruck entstanden sein, die Politik sei der Situation nicht mehr gewachsen. Die Politik sei aber, so Gauck, nicht untätig geblieben, sondern habe durchaus gezeigt, dass Probleme gemeistert werden könnten. Eine Spaltung der Gesellschaft sieht er nicht:

"Die Spaltung der Gesellschaft wird manchmal herbeigeredet, obwohl sie viel kleiner ist als in den meisten anderen Ländern, die es auf der Welt gibt."

Joachim Gauck, Bundespräsident

Gauck will mehr Sicherheit

Angesichts der Terrorbedrohung gefragt, ob denn nun für ihn, den Verfechter von Freiheit, nicht vielleicht doch die Sicherheit schwerer wiege, sagte Gauck, unsere Demokratie sei immer gut damit gefahren, wenn sie Sicherheit und Freiheit miteinander abgewogen habe.

"Und ich sehe im Moment die Tendenz der Regierung, eindeutig durch den Innenminister vorgetragen: Wir wollen mehr Sicherheit. Und ich lobe ihn dafür."

Joachim Gauck, Bundespräsident

Es sei gut, dass die Polizei verstärkt werde; er wünsche sich auch eine bessere Ausstattung für die Polizei. Und es sei gut, dass die Integrationsbemühungen verstärkt würden, so Gauck - auch dadurch werde Sicherheit geschaffen:

"Damit nicht so viele junge erfolglose Männer ihr Heil in kruden Machtfantasien suchen und sich den islamistischen Verführern anschließen."

Joachim Gauck, Bundespräsident

Er könne auch mit de Maizières Klarstellung gut leben, dass es kein Burka-Verbot oder eine Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft geben werde. Viele Forderungen seien auch dem Wahlkampf geschuldet.

Gauck plädiert für einen differenzierten Blick auf die Türkei

Mit Blick auf den EU-Türkei-Deal mahnte Gauck:

"Wir brauchen bei aller Klarheit, dass wir uns nicht erpressen lassen von türkischen Stellen auch ein Bewusstsein für einen differenzierten Blick auf das Land."

Joachim Gauck, Bundespräsident

Viele türkischstämmige Menschen hierzulande seien der Meinung, dass es für sie eine gute Regierung sei in Ankara, die viel für sie erreicht habe. Auch die Aufnahme von Flüchtlingen durch die Türkei, die von dort ja nicht wegliefen, schaffe Glaubwürdigkeit, so Gauck.

"Wir müssen die Flüchtlingsübereinkunft nicht aufkündigen weil uns diese Maßnahmen nicht passen. Aber was uns natürlich entsetzt ist, dass bei der Aufarbeitung des Putsches die Verhältnismäßigkeit offensichtlich nicht mehr auf der Agenda ist."

Joachim Gauck, Bundespräsident

Gauck wünscht sich: keinen Parteienstreit um seine Nachfolge

Gauck wirft auch einen Blick auf die Zeit nach Gauck. Er hoffe, dass seine Nachfolge ohne Parteienstreit geklärt werde, sagte er; die Große Koalition müsse sich anstrengen und werde sich anstrengen, ob nun im Konsens oder im demokratischen Dissens.

Und was wird mit ihm? Wird er sich auch weiterhin zu politischen Themen äußern wenn er nicht mehr im Amt ist? Oder wird er - der Hobby-Segler - erst einmal die Welt umsegeln? Da wird Gauck zum Ende des Gesprächs doch noch persönlich:

"Ich habe manchmal so einen Traum, völlig losgelöst zu sein von all den Konflikten und Problemen und Fragestellungen, die mich jetzt im Amt tagtäglich bewegen; vielleicht ist das verständlich. Aber ich kenne mich auch ein bisschen, das wird so nicht passieren. Ich werde ein bisschen segeln, aber nicht um die Welt - und ich werde den Probleme nicht davon segeln."

Joachim Gauck, Bundespräsident

Eine andere Antwort hätte man von diesem Bundespräsidenten auch kaum erwartet.


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