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Flüchtlings-Medizin Weniger Bürokratie spart Geld

Die medizinische Versorgung von Flüchtlingen ist für Ärzte eine anpruchsvolle Aufgabe - und sie kostet viel Geld. Aber mit etwas Einfallsreichtum lässt sich hier viel Geld sparen: ein Beispiel aus Garmisch-Partenkirchen.

Von: Martina Schuster, Johannes Thürmer

Stand: 12.11.2015 | Archiv

Flüchtlinge beim Arzt | Bild: picture-alliance/dpa

Normalerweise kämpft Stephan Weitzel auf der Intensivstation um das Leben seiner Patienten. Heute hat er einen anderen Job: Er impft und untersucht Flüchtlinge in der Garmisch-Partenkirchener Erstaufnahme-Einrichtung.

"Viele kommen mit Halsschmerzen, grippalen Infekten, das ist es einfach eine super Möglichkeit, dass hier Ärzte zwei-, dreimal pro Woche vor Ort sind, damit wir sie behandeln können. Das würde eine Unsumme an Geld kosten, wenn die immer zum niedergelassenen Arzt gehen würden."

 Stephan Weitzel, Arzt

Sparsame Wege

Um Geld zu sparen, geht das Gesundheitsamt Garmisch-Partenkirchen neue Wege: Statt nur die vorgeschriebene Erstuntersuchung durchzuführen, wird hier auch weitere medizinische Betreuung durch die Behörde organisiert. Davon profitieren alle:

"Das hat für beide Seiten Vorteile. Der Asylbewerber weiß im Prinzip, wo er einen Ansprechpartner hat. Und zum anderen ist es so, dass man nicht die Situation in einem Ort wie Garmisch hat, dass quasi 30 Asylbewerber durch die Gegend irren und eine Arztpraxis suchen, weil sie die Straßenschilder nicht lesen können oder einfach mit der Situation hier nicht zurechtkommen."

Hansjörg Wiesböck, Gesundheitsamt Garmisch-Partenkirchen

Die Kosten für die medizinische Betreuung liegen auch noch weit unter dem bayerischen Durchschnitt: Der liegt bei rund 170 Euro pro Asylbewerber und Monat. Hier in Garmisch-Partenkirchen sind es nur 100 Euro.

Die sprachliche Hürde

Zwischen Flüchtling und Ärztin oft nötig: Dolmetscher

Dass es hier so gut läuft, liegt auch an dem engagierten Team aus Ärzten vom nahegelegenen Klinikum und den Mitarbeitern vom Gesundheitsamt. Sinem Sakak ist eine von ihnen. Die türkischstämmige Arzthelferin ist auch eine große Hilfe bei der sprachlichen Verständigung. Denn viele Flüchtlinge zum Beispiel aus Syrien oder Afghanistan sprechen etwas türkisch. Und wenn gar nichts hilft, greift sie zum Smartphone:

"Der Google-Übersetzer ist ganz praktisch. Zum Beispiel bei arabisch. Da übersetzt er. Insider-Tricks!"

Sinem Sakak, Arzthelferin

Ortswechsel: Wir sind in einer Münchener Arzt-Praxis.  Kinderarzt Mathias Wendeborn untersucht gerade einen unbegleiteten minderjährigen Flüchtling aus Afghanistan.

"Im Großen und Ganzen kann man die Leute mit einem normalen medizinischen Hausverstand gut behandeln. Sie brauchen jetzt kein spezieller Flüchtlingsdoktor zu sein. Ich habe einfach eine ordentliche körperliche Untersuchung gemacht, habe geschaut, ob alles in Ordnung ist. Ich habe ein bisschen Labor abgenommen. Das mache ich jetzt statt dem Gesundheitsamt – in dem Fall. Das zählt als Paragraph 62 Erstuntersuchung. Aber ich sehe mir auch noch den Rest an und schaue, wo es ihm weh tut und was er hat. Und was wir lösen können, lösen wir."

Mathias Wendeborn, Kinderarzt

Immense Kosten

Nicht billig: Flüchtling beim Arzt

Abgerechnet wird in solchen Fällen übrigens mit dem örtlichen Sozialamt. Der Asylbewerber braucht dazu einen sogenannten Behandlungsschein, den die Behörde quartalweise ausstellt. Insgesamt kommen da allein hier in München ganz schön hohe Beträge zusammen: Lagen die Kosten für die medizinische Betreuung von Asylbewerbern im ersten Quartal 2014 noch bei 2,6 Millionen Euro, stiegen sie seitdem deutlich an. Im dritten Quartal 2015 zahlte die Landeshauptstadt schon 7,9 Millionen Euro. Tendenz weiter steigend!

Kinderarzt Wendeborn engagiert sich auch außerhalb seiner Praxis für Flüchtlinge. Dazu hat er den Verein REFUDOCS gegründet und betreut hier in der Münchener Bayernkaserne Asylbewerber vor Ort. Ein Glücksfall für die Landeshauptstadt München. Denn solche Engagements helfen, die immensen Kosten einzudämmen.

Die Kommunen in Bayern können sich das Geld übrigens wiederholen. Und zwar bei der zuständigen Bezirksregierung. Im Fall München also die Regierung von Oberbayern. Und die wiederum bekommt das Geld vom bayerischen Sozialministerium, das letztendlich zahlt. Das ist etwas Besonderes in Deutschland. In anderen Bundesländern nämlich bleiben die Kommunen oft auf den Kosten sitzen.

Große Dankbarkeit

Zurück in Garmisch-Partenkirchen. Noch immer herrscht reger Betrieb bei der Sprechstunde.  Arzthelferin Sinem Sakak kümmert sich nicht nur um das Organisatorische: Sie bringt – ganz nebenbei – den Flüchtlingen schon mal ein paar Worte Deutsch bei. Währenddessen führt Arzt Stephan Weitzel weitere Impfungen durch. Schließlich will man einerseits verhindern, dass sich gefährliche Krankheiten ausbreiten. Und außerdem sind die Flüchtlinge auch dankbar dafür.

"Es spricht sich rum unter den Asylsuchenden, dass hier geimpft wird. Und die lassen sich wirklich gerne impfen. Das würden wir uns bei den Deutschen auch wünschen."

Stephan Weitzel, Arzt

Trotzdem kostet die medizinische Versorgung natürlich viel Geld, das letztendlich der Steuerzahler zahlen muss. Doch durch gute Organisation – so sehen wir hier – kann man auch einiges sparen.


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