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Auf der Flucht Der beschwerliche Weg nach Europa

In Afghanistan haben sie keine Perspektive mehr gesehen. Die einzige Möglichkeit: die Flucht nach Deutschland. Ihr Weg führte über den Iran über den Osten nach Mitteleuropa. Doch wohin genau?

Von: Ralf Borchard

Stand: 10.11.2015 | Archiv

Afghanische Flüchtlinge auf der Flucht | Bild: BR / Ralf Borchard

Den jungen Männern aus Afghanistan steht die Erschöpfung ins Gesicht geschrieben. Sie stehen an einem Autobahnparkplatz im Norden Serbiens und warten auf die Weiterfahrt an die kroatische Grenze. "Wir sind 33 Leute in der Gruppe", sagt Khamran Han. Fast alle sind aus dem gleichen Dorf im Osten Afghanistans, die meisten Anfang 20. Sein Freund Mansur Jermal beschreibt die Fluchtroute der vergangenen Wochen.

"Durch Pakistan und den Iran in die Türkei, dann sind sie nicht wie die meisten Flüchtlinge auf eine griechische Insel übergesetzt, sondern auf dem Landweg nach Bulgarien. Die größten Probleme hatten wir im Iran und in Bulgarien"

Mansur Jermal

Gefährliche Reise bis nach Europa

Khamran Han, umringt von seiner Flüchtlingsgruppe.

"Es gab sehr gefährliche Situationen, vor allem in Bulgarien", ergänzt Khamran. Alle in der Gruppe wissen, dass in der Nähe des bulgarischen Grenzzauns vor vier Wochen ein afghanischer Flüchtling erschossen wurde.

"Wir sind fünf Tage und Nächte zu Fuß durch Bulgarien, vor allem nachts, durch Wälder, aus Angst, festgenommen zu werden“ erzählen sie. „Die Gruppe war am Anfang viel größer. Viele haben wir in Bulgarien verloren, sie haben sich in der Dunkelheit verlaufen, wo sie sind, ob sie noch leben, wir wissen es nicht."

Khamran Han

Getrennt von der Familie

Während aus Syrien viele Familien mit Kindern auf der Balkanroute unterwegs sind, kommen aus Afghanistan vor allem junge Männer.

"Wir sind allein unterwegs, ohne unsere Kinder oder Familien. Wenn wir ein Land finden, das uns aufnimmt, wollen wir sie nachholen."

Khamran Han

„Die meisten von uns wollen nach Deutschland“, sagt Mansur. „Aber wir würden jedes Land akzeptieren, das uns aufnimmt“, ergänzt Khamran. Haben sie von der wachsenden Skepsis in Deutschland gehört, von den geplanten Abschiebungen nach Afghanistan?

"Ja, letzte Nacht hat mich ein Freund, der schon in Frankfurt ist, angerufen und gesagt, sie fangen an, uns zu deportieren. Jetzt haben wir Angst."

Mansur Jermal

Khamran hat sich schon für ein neues Ziel entschieden: Belgien. Gleichzeitig sagt er: „Wir wollen doch arbeiten, Geld verdienen. Wir suchen Frieden, ein besseres Leben.“ Mansur setzt weiter auf Deutschland

"Deutschland ist doch ein großes Land. Wir hoffen auf Euch.“, sagt er. Und Khamran ergänzt: „Wenn sie uns abschieben, und wir ohne Geld zurückkommen, wird es sehr schwer für uns."

Mansur Jermal

Die unbekannten Ziele

Autobahnparkplatz bei Sid im Norden Serbiens.

Werden noch mehr Menschen Afghanistan verlassen? „Ich glaube schon. Fast jeder in Afghanistan denkt doch daran, nach Europa zu kommen. Es gibt keinen Frieden in Afghanistan, überall Tod und Blutvergießen, es gibt keine Jobs, keine Bildung, keinen Respekt gegenüber den Menschen.“ Dann geht es weiter.

Eine serbische Flüchtlingshelferin ruft die Gruppe zu den Bussen. "Go to your buses..." Khamran Han und Mansur Jermal verabschieden sich, lächeln, winken und hoffen weiter – auf Deutschland, Belgien oder ein anderes EU-Land.


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