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Wunsch und Wirklichkeit Finden Flüchtlinge Jobs in DAX-Unternehmen?

Die Zuwanderung von Flüchtlingen könne im besten Fall die Grundlage für das nächste deutsche Wirtschaftswunder werden. Mit dieser Aussage sorgte Daimler-Chef Dieter Zetsche vor einem Jahr für Aufsehen. War er da vielleicht zu optimistisch?

Von: Eleonore Birkenstock und Marilena Leupold

Stand: 14.09.2016

Zwei Teilnehmer des Projektes PIA für Flüchtlinge arbeiteten in einer Metallbau-Werkstatt in Miesbach mit einer Bohrmaschine.  | Bild: pa/dpa/Marco Hadem

Im Sommer meldete die FAZ, dass die 30 DAX-Unternehmen Anfang Juni gerade einmal 54 Flüchtlinge beschäftigten. Auch wenn es inzwischen mehr sein dürften, sieht die Bundeskanzlerin offenbar Gesprächsbedarf. Nun hat sie Unternehmer ins Kanzleramt eingeladen, um sie zu mehr Engagement zu bewegen.

Praktika möglich - aber wenige feste Stellen

Der 25-jährige Automatisierungsingenieur Bassel Alhallak kam vor etwa einem Jahr aus Syrien nach Deutschland. Seine Anerkennung als Flüchtling hat er nach einem halben Jahr bekommen und in Erlangen hat er dann bei Siemens ein Praktikum gemacht.

"Ich bin Praktikant in der Antriebstechnikabteilung und hier mache ich Software installieren und Hardware installieren. Die Technik hier ist ziemlich kompliziert und auch die Siemens-Software."

Bassel Alhallak

Viele große Unternehmen bieten Praktika für Geflüchtete an, inzwischen innerhalb der "Wir-zusammen Initiative" der deutschen Wirtschaft. Bei Siemens sind es einhundert Plätze in diesem Jahr. Vier Kandidaten haben eine befristete Beschäftigung bekommen. An Motivation und Wille mangelt es nicht, aber nicht immer passen offene Stellen und Bewerber zusammen. Das weiß auch Bassel Alhallak, der sich beworben hat, aber bisher nicht bei Siemens untergekommen ist.

"Es gibt keine Stellen, nicht zu viele Stellenangebote bei Siemens und wenn es sie gibt, sie fragen sie immer nach mehrjähriger Erfahrung, beruflicher Erfahrung."

Bassel Alhallak

Siemens engagiert sich allerdings in der Ausbildungsvorbereitung: An vier Standorten hat der Konzern Förderklassen mit 64 Schülern eingerichtet, mehr als die Hälfte macht inzwischen eine Ausbildung.

Die Deutsche Post hatte im Vergleich zu den anderen DAX-Unternehmen die meisten Flüchtlinge eingestellt. Aktuelle Zahlen bekommt die Bundeskanzlerin heute vorgelegt. Doch auch bei der Deutschen Post gilt, wie bei allen anderen Unternehmen: Die Sprache ist die wichtigste Voraussetzung, so Post-Sprecher Erwin Nier.

"Auf der anderen Seite gibt's auch einfachere Tätigkeiten. Praktika um herauszufinden, wo wir sie unterbringen können. Und das wird im Einzelfall ganz genau betrachtet."

Erwin Nier, Post-Sprecher

Kleineren Betrieben gelingt die Integration von Flüchtlingen oft besser

Einfache Tätigkeiten gibt es bei den Global Playern allerdings nicht viele. Und um die Zuwanderer fit für die Anforderungen eines Konzerns zu machen, ist Geduld nötig. Ausbildungsvorbereitung und Ausbildung können dann statt drei Jahren schon mal fünf oder sechs Jahre dauern.

Kleinere Firmen, wie etwa Handwerksbetriebe tun sich bei der Integration in Arbeit, wie es scheint, leichter als große Konzerne. Zum Beispiel, wenn es etwa darum geht, Fahrgemeinschaften zu bilden, oder auch wenn der Auszubildende Schwierigkeiten in der Schule hat. Probleme wie diese kennt Martin Röhlich, Chef eines Fliesenlegebetrieb für Großprojekte. Er könne sich nicht vorstellen, dass ein größerer Konzern manche Dinge so durchlassen könne, wie es bei ihnen der Fall sei. Da er zu jedem Lehrling einen persönlichen Bezug habe und sie jeden Tag sehe, auch die familiären Hintergründen kenne, habe er auch ein viel höheres Verständnis.

Der Leiter des Handwerksbetriebes muss vielleicht auch so flexibel sein, denn im Gegensatz zu großen Unternehmen bewerben sich bei ihm nur sehr wenige auf eine Ausbildungsstelle. Die großen Unternehmen können wählen.

Waren die Prognosen zu optimistisch?

War also die Willkommenskultur der Konzernchefs vor einem Jahr zu euphorisch, gar verlogen? Es sollte vor einem Jahr alles sehr schnell gehen, erinnert sich Tülay Ates-Brunner, Geschäftsführerin des Augsburger Vereins "Tür an Tür", der sich um die Integration von Zuwanderern kümmert.

"Ich hatte das Gefühl, die Arbeitgeber wollen den Flüchtling, den sie im Fernsehen gesehen haben, den möchten sie jetzt einstellen und etwas Gutes tun."

Tülay Ates-Brunner, Geschäftsführerin des Augsburger Vereins

Doch die, die gekommen sind, brauchten erst einmal ein Dach über dem Kopf. Darauf folgt das Asylverfahren, das länger dauern kann, hinzu kommt der Spracherwerb. Außerdem geht es darum, nach einer etwaigen traumatischen Flucht anzukommen - das braucht Zeit.

Da sei der Sinn für die Realität angekommen und man gehe viel rationaler an die Sache ran, so Brunner. Wünschenswert wäre es, dass die Unternehmen bei ihrem Treffen mit der Bundeskanzlerin Konzepte vorlegen, wie sie - ganz rational - die Willkommenskultur vom vergangenen Jahr auch in Arbeitsplätze umsetzen wollen.


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Steinlaus, Mittwoch, 14.September 2016, 22:59 Uhr

2. Verhalten der Konzerne.

Jedes Unternehmen, genau wie jeder Prominente, will in der Öffentlichkeit gut dastehen. Im Herbst 2015 wäre eine vorsichtige und ehrliche Aussage schlecht fürs Image gewesen.

Barbara, Mittwoch, 14.September 2016, 15:42 Uhr

1. Dieses ständige euphorische Gerede ist unerträglich!

Es finden doch nicht einmal die eigenen Leute einen Arbeitsplatz, mit dem sie ein Auskommen haben und eine Rente verdienen können. Die massenweise Einschleusung von "Flüchtlingen" ist eine zusätzliche Belastung für die vielen Bürger, die ohnehin schon in Armut leben und auf jede nur denkbare Weise über Krankenkassen, GEZ usw. über das Maß abkassiert werden. Mit 83 Millionen ist der Bevölkerungsstand von Deutschland mehr als übervoll!

  • Antwort von Erich, Mittwoch, 14.September, 16:29 Uhr

    Richtig! Barbara!