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BR-Recherche zu Kinderheimen Was unsere Leser bewegt

Der BR-Bericht über den Alltag in bayerischen Kinderheimen und die Praxis, die jungen Patienten einzuschließen, bewegt und spaltet die BR24-Leser wie nur wenige Themen. Ein Überblick.

Stand: 07.04.2016 | Archiv

Es sind nicht nur allgemeine Überzeugungen. Seit gestern schreiben im Kommentarbereich auch viele persönlich Betroffene - Angehörige des Pflegepersonals ebenso wie Eltern und Angehörige von Kindern. Auch außerhalb des Forums wird die Redaktion von Menschen kontaktiert, die ihre Erfahrungen teilen. BR Recherche wird ihnen in der nächsten Zeit vertraulich nachgehen.

Kontakt

Sollten Sie persönlich vom Thema betroffen sein und konkrete Informationen für unser Rechercheteam haben, freuen wir uns über Ihre Mail an brrecherche@br.de

Nutzerbeiträge aus unserem Forum und auf Facebook

"An dieser Stelle möchte ich dem BR danken, dass er die Recherchen ausgedehnt und Hinweise ernst genommen hat. Es ist erfreulich zu lesen, dass die oberste Behörde ENDLICH Heime kontrollieren will. (...) Ich hoffe, der BR wird weiter berichten. Es ist ein Skandal, in welchen Verhältnissen behinderte Menschen, die sich nicht wehren können, ausgeliefert sind. Das muss sich eher gestern als morgen ändern."

Mutter

Viele Nutzer berichten über ihre Erfahrungen mit "Missständen in gesellschaftlich nicht kontrollierten, aber gewollten Einrichtungen der Grenzmedizin und Betreuung" (Erik).

"Ich habe letztes Jahr ein behindertes Kind im Heim zu Weihnachten besuchen wollen, aber mir wurde durch die Betreuerin per Telefon gesagt, dass das nicht ginge. Den Grund hat sie mir nicht nennen wollen."

Joana da Fraipont

"Mir sind persönlich mehrere Fälle von erwachsenen Menschen mit Behinderung bekannt, wo nachweislich schlimme pflegerische Vernachlässigung der zu betreuenden Personen stattgefunden hat! (abgefaulter Zeh, Austrocknung, und verfaulte Zähne wegen mangelnder Zahnhygiene) (...) Da ich selbst Mutter einer 11jährigen Tochter mit Down Syndrom bin, macht mir das jetzt echt schon Mut für die Zukunft!"

Anna Thein

"Arbeite seit mehreren Jahren als Dipl. Päd. und zwar in allen möglichen Einrichtungen - Sie wollen gar nicht wissen, was da abgeht."

Tine

"Leider ist an dem Artikel viel Wahres dran. Und die freiheitsberaubenden Maßnahmen finden sich nicht nur in Heimen, sondern werden Eltern auch in renommierten Kinderkliniken angeboten. Uns wurde von der Klinik empfohlen, unser Kind nachts im Bett zu fixieren, wenn es Schlafstörungen hat, und mein Kind wurde mit der Festhaltemethode maltretiert."

Marta

User warnen vor Pauschalverurteilung

Andere Nutzer kritisieren die Berichterstattung anhand einzelner Schicksale. Sie warnen vor einer Pauschalverurteilung von Pflegeeinrichtungen und Personal und weisen auf die schwer lösbaren Probleme hin, die die Arbeit im Heim mit sich bringen kann.

"Es gibt nicht nur die 'kleinen lieben Behinderten' die alle gerne sehen. Sondern Gruppen die mit 6-10 Kinder voll sind, Kinder die sich die Köpfe an die Wände knallen, die mit Stuhlgang schmieren, die auf andere Kinder los gehen, Kinder die tagelang, ohne für uns ersichtlichen Grund durch brüllen. Kinder die in ihren Psychosen so gefangen sind, dass sie sich selbst massiv verletzten (Fixierungen)."

Lisa

Betroffene Mutter meldet sich erneut

Auch die Mutter, deren Geschichte berichtet wird, meldet sich noch einmal zu Wort.

"In den Kommentaren zur Berichtserstattung lese ich wiederholt, dass sich die BetreuerInnen angegriffen fühlen. Beim aufmerksamen Lesen des Artikels wird aber deutlich, dass nicht das Personal angegriffen wird. Ich erlebe in der Einrichtung meines Sohnes sehr engagiertes, professionelles Personal. Nicht die BetreuerInnen sind für den Einschluss von behinderten Menschen verantworltich zu machen. Sie sind nur das letzte Glied der Kette."

Sabine Richard

Klar ist: Niemand kann die Situation in Kinderheimen vollständig überblicken. Es geht um eine wachsende Zahl bekannter, zu hinterfragender Einzelfälle - aber auch um offenbar weitverbreitete personelle und finanzielle Unterversorgung in Behinderteneinrichtungen und im Sozialbereich generell.

"(...) Man sollte bedenken mit welchem Klientel die Betreuer zu tun haben und welche Arbeitsbedingungen in Heimen herrschen. So sind durchschnittlich 2 Betreuer im Dienst bei einer Gruppengröße von 6 bis 10 zum Teil schwerstbeeinträchtigten Menschen. Bei einer Kindergruppe ist so nur noch eine 'satt und sauber Pflege' möglich. Von spielen oder Ausflüge machen mit den Kindern ganz zu schweigen, oft ist noch nicht mal ein Nachmittagsspaziergang möglich."

Vincent Nikolaus

"Der Kern des Problems liegt in unserem Pflegesystem, in dem der Wurm nagt: Ausgabenerhöhungen für soziale Leistungen in notwendiger Höhe sind politisch unpopulär/ nicht umsetzbar. Das bedeutet, dass die Kostenträger, mit denen die Pflegesätze für jeden Betreuten ausgehandelt werden, ein Budget zur Verfügung haben, das stets von weiterer Straffung der Personaldecke als teuerster Betreuungsressource ausgeht. Das bedeutet, dass Menschen mit hohem Betreuungsaufwand pädagogisch unbegründet 'geparkt' werden (Zimmereinschluss), um mit der vorhandenen Personaldecke überhaupt Aufsicht und notwendige Arbeiten für die Gesamtgruppe zu gewährleisten. Ich habe den Job jetzt gekündigt, weil ich dem Druck nicht mehr gewachsen bin."

Elisabeth Droell

Kontroverse Diskussion über freiheitseinschränkende Maßnahmen

Kontrovers wird die Forderung diskutiert, freiheitseinschränkende Maßnahmen sollten wie im Erwachsenenbereich eine richterliche Anordnung voraussetzen.

Die Einschätzungen reichen von "absolut richtig" bis "realitätsfremd".

Viele Nutzer schließen sich dem Wunsch nach besserer Kontrolle und einer bessereren finanziellen Ausstattung der Einrichtungen an, die eine individuellere Betreuung ermöglichen würde.

"Je höher man in einer Verantwortlichen-Hierarchie geht, desto weniger haben die Befragten gewusst, desto mehr streiten sie die Zustände ab, da, wenn sie es offiziell zugeben müssten, ein Handlungsbedarf bestünde, was zu erhöhten Kosten, vor allem beim Personal führen würde, um der Lage wenigstens einigermassen Herr zu werden. Ein Unternehmen, was wirtschaftlich denken muss, stösst da schnell an seine Grenzen."

Stefan B.

Eine Mutter formuliert einen weiteren Aspekt:

"Als Mutter möchte ich darauf hinweisen dass es zu wenig gute Unterstützung gibt, damit besonders schwierige Kinder in der Familie bleiben können. Kein Heim ist wirklich ein Zuhause und kein Betreuer liebt das Kind wie die Eltern."

Andrea Lutz


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