NSU-Prozess


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315. Verhandlungstag, 12.10.2016 Neue Runde im Zoff der Verteidiger

Wird Beate Zschäpe ordentlich verteidigt? Ein Schreiben, das das Gericht Zschäpes neuem Verteidiger Mathias Grasel, nicht aber ihren drei alten Verteidigern zugesandt hatte, löste heute die Debatte erneut aus.

Von: Julian von Löwis

Stand: 12.10.2016

Beate Zschäpe und Mathias Grasel | Bild: picture-alliance/dpa/Matthias Schrader

Geht es nach Wolfgang Stahl, Pflichtverteidiger von Beate Zschäpe seit Beginn des NSU-Verfahrens, hat die Sache "ein Gschmäckle". Geht es nach Wolfgang Stahl, Pflichtverteidiger von Beate Zschäpe seit Beginn des NSU-Verfahrens, hat die Sache "ein Gschmäckle". Hintergrund ist ein Briefwechsel zwischen Zschäpe und Robin S. im März 2013. S. befand sich zu der Zeit in der JVA Bielefeld im offenen Vollzug. Zuvor verbüßte der Neonazi eine mehrjährige Haftstrafe wegen räuberischer Erpressung. Konkret geht es um ein 26 Seiten langes Schreiben von Zschäpe an S., dessen Inhalt einige Nebenkläger im Prozess behandeln wollen, Zschäpes Verteidigung lehnt dies ab.

In dem Brief kommt reichlich aus der inneren Gemütslage von Beate Zschäpe zum Vorschein. Sie gibt sich als erfahrene Frau, der man nichts vormachen kann, sie beschreibt ihre Gefühlswelt und spricht über ihre Empfindungen in Untersuchungshaft.

Verteidiger sauer, Richter kurz angebunden

Das Gericht hat Robin S. wegen der Beschlagnahmung des Briefes mit der Bitte um Stellungnahme angeschrieben. S. antwortete Ende September, er lehnt die Verwendung des Inhaltes ab und beruft sich auf das Briefgeheimnis, außerdem gebe es das Original nicht mehr. Dieses Antwortschreiben hat das Gericht dann an Verteidiger Grasel weitergeleitet, nicht aber an die drei "Altverteidiger" Heer, Stahl und Sturm.

Auf Stahls Frage, warum, antwortete der Vorsitzende Richter Manfred Götzl knapp: Grasel habe ausdrücklich um die Weiterleitung des Schreibens gebeten. Wolfgang Heer daraufhin erbost: "Sie erachten uns wohl nur als Statisten zur Sicherung des Verfahrens? Eine ordnungsgemäße Verteidigung sieht anders aus."

Götzl ging darauf nicht ein, sondern fragte nur, ob es weitere Stellungnahmen gäbe. Wolfgang Stahl betonte erneut, dass er sich klar in seiner Verteidigerfähigkeit behindert sehe. Aber auch darauf wollte Götzl nicht mehr antworten und unterbrach die Hauptverhandlung für heute.

Hat das Gericht einen Fehler gemacht, den Götzl möglicherweise übersehen hat?

Manfred Götzl ist derartig gründlich und stets über alles in seinem Verfahren bestens informiert, dass dies nur sehr schwer vorstellbar ist – möglich sind Fehler aber immer. Vielleicht sollte man das "Nichtantworten" jedoch auch nicht überbewerten, schließlich hat der Streit unter Zschäpes Verteidigern – zwischen den drei alten und dem neuen findet quasi keinerlei Informationsaustausch statt – ohnehin schon für reichlich Ärger und Verzögerung im Verfahren gesorgt. Womöglich erachtet es das Gericht auch nicht als sein Problem, dass die Verteidiger nicht miteinander kommunizieren? Somit würde es reichen, das Antwortschreiben einem der vier Pflichtverteidiger weiterzuleiten. Ob Richter Götzl noch dazu Stellung nehmen wird, zeigt sich wohl morgen.

Neue Fragen an Zschäpe

Kurz bevor sich Rechtsanwalt Stahl über die Nichtweiterleitung jenes Schreibens beschwerte, gab es einen kurzen Moment der Stille im Gericht. Götzl fragte die Angeklagte, ob sie sich am 7.5.2000 in Berlin aufgehalten habe und wie die näheren Umstände dieses Aufenthalts aussahen. Doch wie gewohnt sprach nicht Zschäpe, sondern Rechtsanwalt Grasel: "Die Antworten darauf werden zu gegebener Zeit erfolgen und dann in der bewährten Methode hier verlesen."

Der Hintergrund dafür ist ein neuer Zeuge, der Ende Oktober im NSU Prozess geladen ist. Der Wachpolizist soll im Mai 2000 beim LKA ausgesagt haben, am 7.5.2000 in Berlin einen Mann und eine Frau gesehen zu haben, die die Synagoge am Prenzlauer Berg ausspioniert haben. Er identifizierte die beiden als Uwe Mundlos und Beate Zschäpe.

Sollte der Zeuge diese Aussage vor Gericht so wiederholen, könnte dies Zschäpe belasten. Sie hatte bisher immer beteuert, mit der Vorbereitung oder Durchführung von Anschlägen und Raubüberfällen des NSU nichts zu tun gehabt zu haben.


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