NSU-Prozess


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397. Verhandlungstag Nebenklage sieht in Ralf Wohlleben ideologischen und logistischen Drahtzieher

Der Angeklagte Ralf Wohlleben stand heute Vormittag im Zentrum der Plädoyers der Nebenklage im NSU-Prozess am Oberlandesgericht in München. Anschließend ging es erstmals auch um den Polizistenmord in Heilbronn.

Von: Thies Marsen

Stand: 13.12.2017 | Archiv

Polizistenmord Heilbronn | Bild: Bayerischer Rundfunk

Der Angeklagte Ralf Wohlleben war die zentrale Gestalt der NSU-Unterstützer-Szene, so Nebenklage-Anwalt Alexander Hoffmann in seinem Plädoyer. Wohlleben sei beteiligt gewesen an Angriffen auf politische Gegner in Jena, der Heimatstadt des NSU, er habe sich mit den Zielen des NSU identifizierte, auch überlegt, selbst in den Untergrund zu gehen und er habe mindestens eine Waffe für die Untergetauchten besorgt: Die berüchtigte Ceska, mit der neun Migranten ermordet wurden.

Amerikanische und britische Terrorgruppen als Vorbilder

Auch wenn Wohlleben nicht nachgewiesen werden könne, dass er sich selbst die Hände schmutzig gemacht hat, so habe er doch ideologisch alles getan, damit seine Kameraden mit reinem Gewissen ihre Verbrechen begehen konnten, so Hoffmann.

Zuvor hatte der Opferanwalt ausführlich die Ideologie des NSU und seiner Unterstützer herausgearbeitet: Vorbild seien amerikanische und britische Terrorgruppen und Netzwerke gewesen, deren Konzepte sowohl in der Thüringischen Neonaziszene diskutiert wurden, wo Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe herstammten, als auch in Sachsen, wo die drei Anfang 1998 untertauchten.

Wohlleben versuchte, sich als Opfer darzustellen

Konzepte wie der führerlose Widerstand oder das Entfachen eines Rassenkrieges. Zwar habe Ralf Wohlleben vor Gericht versucht, sich als Opfer darzustellen, der Gewalt stets abgelehnt habe – das aber sei reine Heuchelei. Tatsächlich teile er die Ideologie des NSU bis heute.

Am späteren Vormittag ergriff dann Walter Martinek das Wort, Anwalt des Polizisten Martin A., der im April 2007 bei einem Mordanschlag in Heilbronn schwer verletzt wurde. Seine Kollegin Michèle Kieswetter wurde damals ermordet. Martinek zeigte sich zwar davon überzeugt, dass der NSU hinter der Tat steckt, erhob jedoch erhebliche Zweifel an dem von der Bundesanwaltschaft vermuteten Motiv für die Tat.

Zweifel am Motiv

Diese geht davon aus, dass der NSU aus Hass auf den Staat handelte und zudem weitere Waffen erbeuten wollte. "Wer sich den Tatort Theresienwiese in Heilbronn mal angesehen kann, kann sich nicht vorstellen, dass jemand sich diesen von allen Seiten einsehbaren Tatort für einen Mord im Frühling zur Mittagszeit ausgesucht hat“, so Martinek. Am Nachmittag wird das Plädoyer des Anwalts der Angehörigen von Michèle Kiesewetter erwartet.


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claus, Mittwoch, 13.Dezember 2017, 15:53 Uhr

1. Plädoyer RA Walter Martinek

Der Anwalt hat Recht mit seiner Annahme "Wer sich den Tatort Theresienwiese in Heilbronn mal ansehen kann, kann sich nicht vorstellen, dass jemand sich diesen von allen Seiten einsehbaren Tatort für einen Mord im Frühling zur Mittagszeit ausgesucht hat“.
Ich war vor Ort auf der Thersienwiese und habe mir diesen Tatort angesehen. Dieser Ort ist von allen Seiten sehr gut einsehbar und liegt direkt an 2 vielbefahren Hauptstr.. Eine Tatbegehung, wie dieser Mord kann nur mit mehreren Tätern, möglichst gefahrlos durchgeführt werden. Dieses bedurfte mind. 3 Späher, die den Zeitpunkt des Zuschlagens und Mordens per Signal/Funk etc ausgelöst haben.
Nur Mundlos und Böhnhardt als alleinige Täter verantwortlch zu machen, ist m.E.verantwortungslos und zeigt, dass die Justiz keinen Willen zeigt, sich Arbeit zu machen. Es laufen offensichtlich noch mehrere Tatbeteiligte unbehelligt rum. Die möglicherweise auch die anderen Tatorte ausgespäht haben müssen u. so die Morde erst möglich gemacht haben