NSU-Prozess


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Tageszusammenfassung, 304. Tag, 1.8.16 Stellungnahme zu Fragen der Opfer-Anwälte

Der einzige für heute geladene Zeuge erschien nicht, woraufhin sich im NSU-Prozess heute alles um Stellungnahmen, Erwiderungen und Beweisanträge von Verteidigung und Nebenklage drehte. Im Fokus: Die beiden Hauptangeklagten Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben.

Von: Thies Marsen

Stand: 01.08.2016 | Archiv

Der Anwalt Olaf Klemke sitzt am 01.08.2016 im Gerichtssaal im Oberlandesgericht in München.  | Bild: picture-alliance/dpa

Weiter ist unklar, ob Beate Zschäpe auf Fragen der Nebenkläger antworten wird. Nachdem ihre Altverteidiger heute eine ausführliche Stellungnahme zu den über 300 Fragen der Opfer-Anwälte vorlegten, gaben ihr Neuverteidiger anders als geplant keine Stellungnahme darüber ab, wie Zschäpe sich nun verhalten will. Verteidiger Herrmann Borchert sagte dem BR, auch morgen sei nicht mit einer Einlassung zu rechnen. Das Ganze wird also auf die Zeit nach der Sommerpause vertagt.

Stellungnahme zu über 300 Fragen

Zunächst verlas Wolfgang Heer im Namen der Alt-Verteidiger Zschäpes eine Stellungnahme zu den über 300 Fragen, die die Nebenklage unlängst an die Angeklagte gerichtet hatten. Eine stattliche Anzahl der Fragen bezeichnete Heer als unzulässig bzw. nicht zur Sache gehörend. Die Nebenkläger verzögerten zudem unnötig das Verfahren. Nebenklage-Vertreter Alexander Hoffmann wies dies scharf zurück. Diese Argumentation sei nah an der Unverschämtheit, schließlich sei es die Angeklagte Zschäpe, die durch ihr Aussageverhalten das Verfahren eklatant in die Länge ziehe.

Der heutige Disput jedenfalls wird das Verfahren erneut verzögern. Eigentlich wollte die neue Verteidigung Zschäpes heute eine Stellungnahme zu den Nebenklage-Fragen abgeben, nach der Erklärung der Alt-Verteidiger wolle man nun jedoch erst einmal die weiteren Stellungnahmen der Opfer-Anwälte dazu abwarten. Zschäpe-Anwalt Borchert kündigte gegenüber dem BR an, dass auch morgen nicht mit einer Einlassung Zschäpes zu rechnen sei, zumal er nicht im Gerichtssaal anwesend sein werde.

Beschuldigungen der Wohlleben-Verteidigung

Anschließend unternahm Wohlleben-Verteidiger Olaf Klemke einen erneuten Versuch, die Glaubwürdigkeit des Mitangeklagte Carsten S., der seinen Mandanten schwer beschuldigt hat, in Zweifel zu ziehen und gleichzeitig Bundesanwaltschaft und BKA unlautere Methoden bis hin zur Manipulation zu unterstellen.

Anlass war die Vernehmung des einstigen Neonazis Sven K. aus Jena-Lobeda vor zwei Wochen. Carsten S. hatte ausgesagt, Sven K. sei vor 16 Jahren bei einer Schlägerei dabei gewesen, an der auch Ralf Wohlleben beteiligt gewesen sei. Doch K. konnte sich bei seinem Auftritt vor Gericht kaum an etwas erinnern, was er vor allem auf seinen langjährigen Drogenkonsum schob.

Anhand der Protokolle der polizeilichen Vernehmungen versuchte Klemke nachzuweisen, dass K. mittels Suggestivfragen zu bestimmten Aussagen gedrängt worden sei. Er beantragte, die Vernehmungsbeamten als Zeugen vorzuladen. Auch mit der Bundesanwaltschaft ging Klemke hart ins Gericht und forderte den Senat auf, einzuschreiten. Sonst müsse er damit rechnen, „dass irgendwann mal jemand sagt, Herr Wohlleben hatte kein faires Verfahren.“

Beweisanträge der Nebenklage

Unterdessen nahm die Nebenklage Wohlleben mit mehreren Beweisanträgen ins Visier. Sie will unter anderem beweisen, dass Wohlleben "Ziele und Mittel" des NSU teilte und dass er im Jahr 2008 eine E-Mail-Adresse namens derrosarotepanther@hotmail betrieb – was einen direkten Bezug zur Comic-Figur Paulchen Panther darstellen würde, die der NSU in seinem berüchtigten Bekenner-Video verwendete. Und das zu einem Zeitpunkt als das Video bereits weitgehend fertiggestellt war.


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