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Nach Anschlag von Nizza Rolle des IS weiter zweifelhaft

Experten hegen weiter Zweifel, dass der IS hinter dem Anschlag mit 84 Toten in Nizza steckt. Die französischen Behörden nehmen weitere Verdächtige aus dem Umfeld des Täters fest. Es gibt noch viele Fragen.

Von: Joseph Röhmel, Doris Bimmer

Stand: 17.07.2016

LKW, Opfer | Bild: Reuters (RNSP)

Zwei weitere Menschen, ein Mann und eine Frau, mit Verbindungen zum Attentäter von Nizza wurden jetzt verhaftet.

Gedenken in Augsburg

Trauerfeiern für die Opfer von Nizza finden auch in Bayern statt. In Augsburg wird am Montag um 18.30 Uhr am Königsplatz/Kurze Bahnhofstraße eine Schweigeminute abgehalten. In der Ankündigung dazu schreibt der Veranstalter, die Association des Familles Francophones e.V.: "Wieder wurden ein Platz des Zusammenlebens, des Zusammenfeierns ausgesucht, wo Grenzen zwischen Kultur, Herkunft und Religion überwunden sind. Unsere Gedanken gehen in erster Linie an die Angehörigen und Freunde der Opfer. Wir danken allen unseren Mitmenschen besonders hier in Augsburg für den Ausdruck ihres Mitgefühls."

Damit steigt die Zahl der Verdächtigen auf sieben. Doch eine Erklärung steht noch aus, warum sich der 31-Jährige entschlossen hat, mit einem LKW am französischen Nationalfeiertag über die Promenade des Anglais in Nizza zu rasen und 84 Menschen zu töten. Der sogenannte Islamische Staat behauptet, er sei einer ihrer "Soldaten" gewesen.

Mehrere Zeugen haben der Polizei wohl auch bestätigt, dass der Tunesier religiös gewesen sei. Wenn er sich radikalisiert habe, dann aber sehr schnell, gibt auch Premierminister Manuel Valls zu.

Noch immer nicht alle Opfer identifiziert

Nach Angaben der französischen Gesundheitsministerin Marisol Touraine schweben noch 18 Menschen in Lebensgefahr, darunter auch ein Kind. Insgesamt seien von den mehr als 200 Verletzten noch 85 Menschen in Krankenhäusern, 29 liegen auf der Intensivstation. Das Schicksal von drei Vermissten aus Berlin ist noch nicht geklärt. 16 Opfer konnten noch nicht identifiziert werden, es wird befürchtet, dass die Berliner zu den Toten gehören.

In ganz Frankreich gilt bis einschließlich Montagabend Staatstrauer. Am Samstag gab es eine Schweigeminute. Der Pariser Eiffelturm leuchtet in Gedenken an die Opfer von Nizza in den Farben der französischen Flagge Blau-Weiß-Rot. Die Beleuchtung werde während der gesamten Staatstrauer anbleiben, schrieb die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo auf Twitter.

Ein Bekennerschreiben des IS

Die Terrormiliz IS hat ihr Bekenntnis über den Medienkanal Amaq veröffentlicht, bezeichnete den Täter Mohamed Lahouaiej-Bouhlel als Soldat des Islamischen Staats. Er habe mit seiner Tat auf Aufrufe reagiert, Bürger der Länder der internationalen Koalition zu treffen, die gegen den IS kämpft. Allerdings könnte es sich dabei auch um psychologische Kriegsführung handeln.

Wegen des Fehlens von Täterwissen ist man in deutschen Sicherheitskreisen aber skeptisch, ob das Bekenntnis tatsächlich ernst zu nehmen ist. Hinzu kommt, dass es bisher keinen Hinweis darauf gibt, dass der Täter tatsächlich ein islamistisches Motiv hatte.

Spurensuche

Premierminister Valls unterstützt die These, Mohamed Lahouaiej-Bouhlel sei islamistisch radikalisiert worden: "Das ist ein Terrorist, der ohne Zweifel auf die eine oder andere Weise mit dem radikalen Islamismus verbunden war", sagte er dem Sender France 2.

Vorsichtiger äußerte sich Innenminister Bernard Cazeneuve. Eine Verbindung zum radikalen Islam könne gegenwärtig nicht bestätigt werden, sagt er dem Sender TF1. "Es handelt sich um eine Einzelperson, die den Geheimdiensten nicht für Aktivitäten mit Verbindungen zum radikalen Islam bekannt war."

Aufruf an die Bürger

Innenminister Cazeneuve hat inzwischen alle willigen "patriotischen Bürger" zum Reservedienst bei den Sicherheitskräften aufgerufen. Der Appell richte sich an französische Staatsbürger mit und ohne militärische Ausbildung und ebenso an ehemalige Soldaten, erklärte Cazeneuve. Die "operativen Reservekräfte" in Frankreich bestehen derzeit aus 12.000 Freiwilligen. 9000 davon gehören der paramilitärischen, 3000 der regulären Polizei an. Cazeneuve sagte: "Wir werden die Präsenz der Sicherheitskräfte im Land ausbauen."

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Josef Reimer, Sonntag, 24.Juli 2016, 23:57 Uhr

6. Wo sind nun die berichteten Langwaffen?

Bekannt ist ja nun, daß laut Spiegel eine zivile Streife der Verkehrspolizei die angeblichen weiteren 2 Täter waren, die für Beobachter offenbar nicht als Polizeibeamte erkennbar waren. Zeugen haben das per Notruf mitgeteilt. Auch das schnell fahrende Fahrzeug war offenbar nicht als Polizeifahrzeug erkennbar. Waren die "Langwaffen", die in Polizeiwagen mitgeführten Maschinenpistolen?
Hat die Streife damit eine Phantomfahndung nach vermeintlich flüchtenden Tätrn ausgelöst? Den Stillstand des öffentlichen Verkehrs inklusive der nachfolgenden Eigendynamik mit Panikattacken in der Innenstadt? Daneben entwickelte sich dann eine weitere Eigendynamik in den sozialen Medien bis hin zu vielen vermeintlichen oder auch falschen Notrufen und Meldungen? Hatten die Beamten keine Überwurfwesten angezogen?

Gewundert hat mich eben jetzt in der Nachberichterstattung, daß nichts mehr von den Langwaffen mitgeteilt wurde. Die Irritation von Zeugen ist unvermeidlich.

Bewerter, Samstag, 23.Juli 2016, 13:48 Uhr

5. Erschreckend, wie schnell sich die Befürchtungen bestätigt haben

Ein ganz dickes Lob für die Berichterstattung des BR. Der Liveblog bot alle notwendigen Informationen für die Bevölkerung, um Ruhe zu bewahren. Herausragend auch die Pressearbeit und Informationspolitk der Münchner Polizei. Der Pressesprecher Martins verdient aller höchsten Respekt mit welcher Ruhe, Besonnenheit und Souveränität er unterrichtete. Der Mann ist Gold wert!
Letztlich war es eine gelungene staatliche Machtdemonstration, um der Bevölkerung Sicherheit zu signalisieren und alles zu unternehmen, was menschenmöglich ist. Die Hilfsbereitschaft der Nachbarländer- und Bundesländer zeigen die extreme Solidarität. Keine Kosten wurden gescheut, um der Lage Herr zu werden.
Die Polizei wird aber auch ihre Lehren beim Einsatz von Zivilkräften überdenken müssen. Mit einer Armbinde, wie z.B. bei der französischen Polizei üblich, wären die Fahndung "in eigener Sache" eher vermeidbar gewesen und Zeugen hätten erkennen können, daß es Polizei ist. Ich bin sicher, man wird das optimieren.

So Normaler wie möglich, Donnerstag, 21.Juli 2016, 10:49 Uhr

4. So normal wie möglich ist doch eine Selbstlüge

Belügen wir uns nicht selbst nach den verschiedenen Terrorakten von Paris bis Würzburg?
Normal weiterleben, so tun als gäbe es diese Bedrohung nicht oder nicht daran denken? - Nein, das glaube ich nicht. Jeder denkt mehr oder weniger daran, wenn er Massenveranstaltungen besucht oder jetzt auch mit der Bahn fährt. Und die Polizei? Hat kaum eine andere Möglichkeit als wieder zu reagieren. Schutzpoller gegen LKW oder Train Marshalls sind im Gespräch. Also wieder ein Nachrüsten auf neue Bedrohungen. Wieder ein Stückchen Freiheit zum Preis für die Sicherheit geben.
Was ist, wenn der nächste Anschlag wieder eine andere Methode hat? - Wieder darauf reagieren. Es ist kaum möglich alle Vorgehensweisen schon vorher zu kennen. Aber das dürfte fast sicher sein: Vermutlich wird es uns wieder unvorhersehrbar treffen.
Es bleibt also nur eines, das Problem von der Wurzel an zu behandeln. Aber normal bleibt nichts mehr.

Befürchter, Mittwoch, 20.Juli 2016, 14:25 Uhr

3. Franchise-Terrorismus für Minderbegabte und Versager?

Mit geringstem Aufwand, mit angeblich blitzschneller Radikalisierung und einfachsten Waffen führen gesellschaftliche Versager, geistig labile oder orientierungslose Nachwuchsterroristen ihre Taten aus. Die Öffentlichkeit ist aufgeschreckt, verängstigt und die Berichteretattung bietet eine herausragende Plattform, um zum Status eines Märtyrers "aufzusteigen". Der kleine, unbedeutende Hinterhofganove, mit möglicherweise aussichtslosen Zukunftsperspektiven findet dann darin seine Aufgabe und eine fehlende Anerkennung? Die große Bühne für den No-Name? Ideal für Nachahmungstäter. Die Öffentlichkeit nimmt die Täter wahr.
Die Turbo Radikalisierung wird leicht gemacht. Ein paar Symboliken des IS, Allah hu akbar rufen, im Internet ein paar Klicks und schon gehört man zum Terrornetzwerk?
Die Drahtzieher müssen nur noch Zeitung lesen und können dann einen Täter zum "Soldaten" küren.

Die Befürchtung ist, wenn das alle so "mitspielen", wird es mehr Nachahmungstäter geben.

Bewerter, Dienstag, 19.Juli 2016, 09:26 Uhr

2. 17 jähriger Afghane in Würzburg

Noch ein zum IS Kämpfer hochstilisierter Terrorist?
Weil er ein IS Zeichen/Flagge dabei hatte?

Findet da gerade eine psychologische Trittbrettfahrer Aufforderung statt?

Und quasi kostenfreie Werbung für den IS?

Unverständnis.