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Generaldebatte Merkel will den Kurs nicht ändern

Kanzlerin Angela Merkel ist Sorgen angesichts der vielen ins Land gekommenen Flüchtlinge entgegengetreten. "Deutschland wird Deutschland bleiben - mit allem was uns daran lieb und teuer ist", sagte sie in der Generaldebatte.

Von: Achim Wendler

Stand: 07.09.2016

am Rednerpult | Bild: dpa Bildfunk

Die Kanzlerin beginnt sachlich. Es sei viel geschehen seit der Generaldebatte vor einem Jahr: zwei Asylgesetze seien verabschiedet worden, ein Integrationsgesetz, die Sicherheitsbehörden seien gestärkt, es gebe mehr Geld für Wohnungsbau und Kitas.

"Die Situation heute ist um ein vielfaches besser als vor einem Jahr. Und zwar für alle. Aber es bleibt natürlich vieles zu tun."

Angela Merkel, Bundeskanzlerin

"Nicht von Populisten treiben lassen"

Die CDU-Vorsitzende will zum Beispiel das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei als Vorbild nehmen für ähnliche Verträge mit Ägypten, Libyen und anderen. Denn das Abkommen verhindert Merkel zufolge, dass, wie zu Anfang des Jahres, Hunderte Menschen im Mittelmeer ertrinken.

"Da kann man doch nicht tatenlos zuschauen!“, so Merkel. Soweit der sachpolitische Teil der Rede. Dann folgt eine Warnung, gerichtet an die Politiker aller im Bundestag vertretenen Parteien: Sie dürften sich nicht von Populisten treiben lassen. Wer Verantwortung trage, müsse sich mäßigen.

"Wenn wir anfangen, uns sprachlich und tatsächlich an anderen zu orientieren, die an Lösungen nicht interessiert sind, verlieren am Ende wir die Orientierung."

Angela Merkel, Bundeskanzlerin

Merkels Ton wird dringlicher

Deutschland habe sich immer wieder verändert. "Veränderung ist nichts Schlechtes.“ Fazit: Merkels sachpolitischen Argumente waren im wesentlichen bekannt. Neu war der Ton ihrer Rede, die Dringlichkeit.

Vorher hatte Links-Fraktionschef Dietmar Bartsch der Regierung vorgehalten, den sozialen Zusammenhalt zu gefährden. Union und SPD seien visionslos und ein Jahr vor der Bundestagswahl "de facto am Ende“. CDU, CSU und SPD arbeiteten nicht mehr fürs Land, sondern auf eigene Rechnung. Die Verunsicherung der Bevölkerung gehe ganz alleine auf das Konto der Großen Koalition, sagte Bartsch. Er warf der schwarz-roten Bundesregierung vor, den sozialen Zusammenhalt zu gefährden.

Die Wahl in Mecklenburg-Vorpommern habe gezeigt, dass die Unsicherheit in der Bevölkerung noch nie so groß gewesen sei wie jetzt. Schuld daran, so Bartsch, sei auch CSU-Chef Horst Seehofer. "Deutschland ist von Angst regiert", sagte Bartsch.

Dietmar Bartsch, Die Linke

"Jeder will, dass die Große Koalition beendet wird."

Dietmar Bartsch, Die Linke

Schwarz-Rot verspiele das letzte Vertrauen in die Politik, stellte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt fest. Gegen Populismus helfe nur Vernunft. Die Darstellung, Deutschland habe ein durch Flüchtlinge überfordertes Volk, sei falsch. Überfordert sei die aktuelle Bundesregierung.

Katrin Göring-Eckardt, Fraktionschefin Grüne

"Diese Koalition ist eine Koalition des Chaos' - jeder gegen jeden."

Karin Göring-Eckardt, Grünen-Fraktionschefin

SPD sieht Ablenkungsdebatten

Die Aufgaben, die die Regierung zu bewältigen habe, seien "wahrhaftig groß", so SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Darauf müsse man sich jetzt konzentrieren, anstatt immer wieder "Ablenkungsdebatten" zu führen, etwa über ein Burka-Verbot. Bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern hätten alle im Bundestag vertretenen Parteien verloren. Gleichzeitig warnte er Linke und Grüne davor bei ihrer Kritik am Umgang mit der Türkei anti-türkische Ressentiments zu schüren.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann

"Wer solche Diskussionen hochzieht, die Angst machen, wer Probleme definiert, für die er anschließend keine Lösungen bringen kann, der trägt dazu bei, dass Angst und Unsicherheit sich in dieser Gesellschaft verstärken, und der arbeitet am Ende direkt der AfD in die Hände. Das sollten wir unterbinden."

Thomas Oppermann, SPD-Fraktionsvorsitzender

CSU: Sorge der Bürger nicht ignorieren

CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt

CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt mahnte in der Debatte, die Bedenken vieler Bürger wegen der ins Land gekommenen Flüchtlinge nicht abzutun. So sei die Vollverschleierung islamischer Frauen zwar kein Massenphänomen: "Aber täuschen wir uns nicht: Für die Bevölkerung ist es ein ernsthaftes Problem." Man müsse doch sagen dürfen, dass dies tatsächlich ein Integrationshindernis sei, und über Einschränkungen etwa in Gerichten und Schulen reden.

Angesichts von Verunsicherung auch wegen der Globalisierung sollten verantwortliche Politiker deutlich machen, dass es "keine einfachen und schnellen Antworten" gebe.


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Seppl, Mittwoch, 07.September 2016, 22:47 Uhr

49. Merkel wünscht keine Opposition

Der Tenor von Merkels Rede ist doch: keine Opposition in Fragen der Zuwanderung. Die einzige Partei, die nicht auf Merkels Kurs ist (oder links davon) soll nicht gestärkt werden. Im Bundestag soll weiter eitel Sonnenschein zu dem Thema herrschen.

Glaubt sie wirklich, die AfD wird nicht in den Bundestag einziehen?

Und: was hat sie eigentlich für ein Demokratieverständnis? Ist Opposition nicht unverzichtbar in einer funktionierenden Demokratie?

  • Antwort von Deutschman, Mittwoch, 07.September, 23:56 Uhr

    Ja wenn die Deutschen es bis dahin noch nicht kapiert haben, dass es MIT einer AfD schlechter wird, dann nur zu.
    Gerade die sozial Schwachen fallen auf die Märchen herein. Wieso eigentlich? Im AfD Programm stand doch, dass "mehr Eigenverantwortung" angestrebt wird.
    Weiß der Geier, warum dann einer da das Kreuzchen machen sollte. Ist mir schleierhaft?
    Hau' mich lieber selbst in die Tonne und tschöö mit ö...

Hansepeter, Mittwoch, 07.September 2016, 21:01 Uhr

48. Uber den Tellerrand schauen!

Hallo?
Nun wischt Euch mal langsam den Schaum vorm Mund wieder ab, werte Foristen.
Was ist wirklich so schlimm an Angela Merkel?
Daß sie in der ausweglosen Situation in Budapest die Menschlichkeit hat sprechen lassen?
Daß sie aufrecht zu ihren Überzeugungen steht (oder wie wünschen wir uns unsere Politiker???)?
Daß sie die Kanzlerin des reichsten, stärksten Landes in Europa und auf der ganzen Welt ist (schaut euch mal die Stromleitungen in den USA an und ihr wißt was ich meine...)?
Leute, tretet mal einen Schritt zurück und schaut das ganze Bild an. Was seht ihr?
An jeder Straßenecke parken Audis, Mercedesse und BMWs. Die Autos, die alle anderen auf der Welt haben wollen. Der Strom fällt nicht aus. Ich dreh den Hahn auf und warmes Wasser kommt.
Jetzt mal ehrlich: wer von euch muß am Mittagstisch zusammenrücken, weil ein paar Syrer mit essen wollen?
Ich empfehle euch mal eine Woche in Afghanistan oder einen Vormittag in einem Krankenhaus in Aleppo, dann meckert weiter.

  • Antwort von Charly, Mittwoch, 07.September, 23:10 Uhr

    @Hansepeter

    Gut kommentiert, entspricht auch meiner Meinung.

    Als heute in den ZDF Nachrichten so ein Wutheini seine behinderte Tochter vorschob, um sie zu instrumentalisieren und gegen Merkel bei Wahlkampfveranstaltung zu schimpfen, habe ich einen dicken Hals bekommen.
    Dieser Mensch würde so viel selberzahlen müssen und von "seinen" Steuern würden nun Flüchtlinge bezahlt. Niemand kann etwas für die Behinderung seiner Angehörigen. Aber das für einen AfD Wahlkampf zu mißbrauchen ist für mich unterste Schublade.

    AfD heisst für mich nur noch "Anspruchsteller für Deutschland".

  • Antwort von winfried, Donnerstag, 08.September, 11:12 Uhr

    @Charliy ... "Ihrer" Gruppe-"Anspruchsteller für Deutschland" steht eine andere Gruppe gegenüber. Die der "Anständigen", die ich als "Ausländer-Bevorzuger" und / oder "Sozialleistung-abgreif-Helfer" empfinde. --> Welcher dieser beiden Gruppen die Zukunft gehört, werden kommende Wahlen zeigen.

Stef, Mittwoch, 07.September 2016, 16:23 Uhr

47. Dunkel.

Die Ignoranz der deutschen Politik und dieser soganannten Bundeskanzlerin haun mich echt um. Meck-Pom war wohl nichtt klar genug, oder?! Was muss den noch passieren, damit Ihr in Berlin aufwacht...

  • Antwort von Fets, Mittwoch, 07.September, 18:43 Uhr

    Die Leute müssen sich besser informieren, was Deutschland wirklich voranbringt. Retro Parteien jedenfalls nicht. Investoren werden einen Bogen um Deutschland machen. Instabile Regierungen führen zu Unsicherheit in der Wirtschaft. Unsichere Wirtschaft baut Arbeitsplätze ab. Weniger Arbeitsplätze bedeuten weniger Steuereinnahmen. Weniger Steuereinnahmen bedeuten, weniger Privilegien für Sozialleistungen aller Art und spätere Steuererhöhungen. Weniger Einnahmen bei den Leuten bedeutet weniger Konsum, die Binnennachfrage sinkt. Der Euro könnte wieder anfälliger gegen Spekulation werden. Der Teufelskreislauf kann noch beliebig fortgeführt werden.

    Denken Sie mal darüber nach. Wir haben tatsächlich viel zu verlieren.

steinlaus, Mittwoch, 07.September 2016, 16:12 Uhr

46. Vierte Amtszeit für Fr. Merkel????

Nach drei Amtsperioden ist doch jeder Mensch in diesem Amt total verbraucht. Das gleiche Schauspiel konnte man bei Helmut Kohl beobachten. Auch er war zum Schluss nur noch von Jasagern umgeben. Keiner der gesagt hätte, lass es sein Helmut. Die Geschichte wiederholt sich.

Angie, Mittwoch, 07.September 2016, 15:52 Uhr

45. Wind of change

Vielleicht sollte man generell mal darüber nachdenken, ob man nicht eine zeitliche Begrenzung der Kanzlerperioden in Deutschland nach amerikanischen Vorbild einführt? Time for a wind of change !! Dieser Kommentar wurde von der BR-Redaktion entsprechend unseren
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  • Antwort von Zwiesel, Mittwoch, 07.September, 18:35 Uhr

    @Angie:
    Wenn die Amtszeit verkürzt wird, dann weiß man aber auch nicht sicher, ob was Besseres nachkommt. Vielleicht sehnen sich manche Amerikaner nach einer Verlängerung der Amtszeit, wenn man befürchten muss, dass der nächste Präsident Donald Duck, ach Trump, heißt. Und wirds Hillary Clinton besser machen als Barack Obama? Und Amerika als Vorbild? Sind Sie für TTIP? Sind Sie froh über eine Krankenversicherung?

  • Antwort von Lenohhr Weichsüler, Mittwoch, 07.September, 21:49 Uhr

    Zweisel, so ist es. Genau auf den Punkt.
    Respekt!