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Marokkos Frauen und Minderheiten Die Furcht vor Stillstand und Rückschritt

Frauen und Männer sind in Marokko seit 2011 laut Verfassung gleichberechtigt - doch die Realität sieht anders aus. Wenn sich die islamisch-konservative Partei PJD bei den Parlamentswahlen erneut durchsetzt, wird sich daran wohl weiterhin nichts ändern.

Von: Dunja Sadaqi

Stand: 07.10.2016

Parlamentswahlen in Marokko | Bild: ARD

Die islamisch-konservative Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD) möchte ihren Erfolg von 2011 bei den Parlamentswahlen in Marokko wiederholen. Frauen-Gruppen und Vertreter von Minderheiten im Königreich sehen das anders. Frauen-Verbände werfen der PJD vor, mit einem rückständigen Frauenbild für Stillstand zu sorgen. Obwohl Frauen und Männer in Marokko seit 2011 laut Verfassung gleichberechtigt sind, wird das Gesetz bisher nicht wirklich umgesetzt. Und Minderheiten haben es in Marokko ohnehin nicht leicht: Homosexuelle werden nach wie vor diskriminiert und strafrechtlich verfolgt. Sie befürchten, dass ein neuer Wahlerfolg der islamistischen PJD einen weiteren Rückschritt für sie bedeuten könnte. 

Immer mehr Übergriffe auf Homosexuelle

Wahllokal in einer Schule

Auf die Frage, ob er wählen wird, schüttelt der 25-jährige Ismaël Bakka belustigt den Kopf: "Nein, ich boykottiere die Wahl." Er boykottiert. Ismaël ist Menschenrechtsaktivist, gehört zu MALI, einer marokkanischen Menschenrechtsorganisation, die sich für individuelle Freiheitsrechte einsetzt – unter anderem für die Rechte von Homosexuellen. Die haben es schwer in Marokko, werden per Gesetz verfolgt. Und es wird schlimmer, sagt Ismaël.

"Die Situation von Schwulen und Lesben in Marokko verschlechtert sich immer mehr. Das hat auch mit der islamistischen Regierung zu tun, die uns Sorgen macht. Aber auch mit dem Paragrafen 489, der Sex mit dem gleichen Geschlecht unter Strafe stellt. All das legitimiert ja auch, dass die Menschen eingreifen, wenn sie auf Homosexuelle treffen."

Ismaël Bakka

Der Ton gegenüber Homosexuellen sei aggressiver geworden, sagt Bakkar: Immer wieder kommt es zu brutalen Übergriffen. Er selbst habe das erst vor kurzem am eigenen Leib erfahren, sei willkürlich von Polizisten inhaftiert, misshandelt worden. Bakkar beobachte, dass Marokko immer konservativer werde. Daran werde auch seine Stimme in der Wahlurne nichts ändert, denkt er.

Frauenrechtlerin vertraut nur dem König

Wahlkabinen

Ähnlich sieht es Aicha Ech-Chenna. Die 76-jährige Frauenrechtlerin ist marokkoweit bekannt, sie kämpft seit über 30 Jahren für unverheiratete Mütter. Mädchen und Frauen, die in Marokko unverheiratet schwanger werden, haben ein großes Problem. Sie haben die Familienehre beschmutzt, werden oft von ihren Familien verstoßen. Vom Staat im Stich gelassen.

In ihrer Nichtregierungsorganisation "Frauensolidarität" bietet Aicha Ech-Chenna Frauen und ihren Kindern Schutz und Hilfe an. Vertrauen hat Ech-Chenna lediglich in den König. Vor allem von der gemäßigt islamistischen Regierungspartei verspricht sie sich wenig.

"Es sind Islamisten… sie werden nichts ändern. Sie sagen, sie machen positive Dinge. Aber sie reden überhaupt nicht über die unverheirateten Mütter. Im besten Fall bleiben sie einfach stumm, wenn man es nett ausdrücken will. Ich warte auf eine wirkliche Regierung, die tatsächlich regiert. Und ein Parlament, das wirklich dem Volk zuhört und auf die Probleme antwortet, die einfach existieren. Ich habe das Gefühl, es sind vor allem die sozialen Dinge, die die Politiker einfach nicht angepackt haben."

Aicha Ech-Chenna

Junge Menschen erwarten kaum Veränderung

Sicherheitskontrolle vor einem Wahllokal

Endlich Probleme anpacken. Bildung, Arbeit, persönliche Freiheit. Wie viele junge Marokkaner will das auch Loubna El Yousfi. Die 25-Jährige gehörte zur Bewegung des 20. Februars – die marokkanische Version des sogenannten Arabischen Frühlings. Enttäuscht von der neuen Verfassung, die sie als Kosmetik bezeichnet, boykottierte sie die Parlamentswahlen vor fünf Jahren. Viele ihrer Altersgenossen seien frustriert von der Politik, sagt Loubna. Weil sich meinen: Es ändere sich doch eh nichts. Loubna hat sich dieses Mal anders entschieden. Sie wird wählen gehen.

"Die Spielregeln ändern sich gerade, es bewegt sich was. Deswegen müssen wir jetzt gucken, ob wählen etwas bewirkt. Denn, wenn wir unsere Stimme nicht einsetzen, können wir auch nicht an der Veränderung im Land teilnehmen – auch wenn sich nur langsam etwas bewegt."

Loubna El Yousfi

Traditionell ist die Wahlbeteiligung in Marokko aber recht niedrig. Bei so viel Skepsis gegenüber politischen Parteien verwundert das aber nicht.


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Wagner, Samstag, 08.Oktober 2016, 20:54 Uhr

4. Gemäßigte Islamisten

Was genau sind "gemäßigte" Islamisten? Heiraten die Mädchen wenigstens nicht unter 10 Jahren? Darf die Frau wählen zwischen Burka und Nikhab? Darf sie gar eine Schule besuchen? Darf sie sogar lesen lernen? Ja, dann ist ja alles gut!

marokkaner, Freitag, 07.Oktober 2016, 19:30 Uhr

3. es ist gelogen

die Partei PJD hat nichts gegen Frauen! wenn dem so wäre warum zeigte der Premier Minister vom PJD seine Frau in der Öffentlichkeit? keiner davor hat dem Volk seine Frau gezeigt. Seine Ministerin für Frauen Angelegenheiten wurde von Forbes unter den Stärksten Frauen in der Politik gekührt. woher haben Sie bitte diese Infos?

Hermann, Freitag, 07.Oktober 2016, 17:39 Uhr

2. Einsatz für Claudia

Mann, warum kümmert sich da unsere Claudia Roth nicht drum? Die Frauen brauchen doch dringendst ihre Hilfe. Oder will sie nicht mehr sehen, was bei uns auch mal sein wird?

Erich, Freitag, 07.Oktober 2016, 14:00 Uhr

1. Da können sich unsere Sozi-Grünen-Welcomeklatscher. Gutmenschenfrauen,

schon mal anschauen, was sie Ihren Töchtern in Zukunft in Deutschland aufbürden.