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Flüchtlinge in Deutschland Bayern trägt die größte Last

"Keine Kapazitäten!" - im September hat jedes zweite Bundesland deutlich weniger Flüchtlinge aufgenommen, als es eigentlich müsste. Die Folgen spürt vor allem Bayern - der Freistaat trägt die Hauptlast der Krise.

Von: Achim Wendler

Stand: 01.10.2015 | Archiv

Flüchtlinge aus dem bayerischen Freilassing kommen am 29.09.2015 in Mannheim am Hauptbahnhof an. | Bild: dpa-Bildfunk

Wie schwer das ist mit der Solidarität, erleben seit Wochen die Leute im bayerischen Innenministerium. Sie telefonieren sich die Finger wund und stellen immer wieder diese Frage: Wer nimmt uns Flüchtlinge ab? Allzu oft lautet die Antwort Nein. "Die Länder können nur das abnehmen, was sie unterbringen können", sagt Holger Stahlknecht, Innenminister von Sachsen-Anhalt. Sein Land hätte 7.000 Flüchtlinge aufnehmen müssen im September, laut Königsteiner Schlüssel. Tatsächlich aufgenommen hat es nur 5.200, laut Bundesinnenministerium. Und das ist nur ein Beispiel: "Keine Kapazitäten!" - mit dieser Begründung kam jedes zweite Bundesland seiner Pflicht im September nicht nach. Das gilt sowohl für SPD- und links regierte Länder wie auch für CDU- und grün regierte.

Bayern badet die Misere aus

Am größten ist die Kluft in Sachsen. 37 Prozent lag der Freistaat hinter seinem Soll. Aber auch Baden-Württemberg und Niedersachsen schwächeln sehr. Auszubaden hat das Bayern. Dessen Kommunen versorgen zehntausende Flüchtlinge mehr, als sie müssten. Dafür ernten sie deutschlandweit Lob.

"Wenn es ein Land gibt, das sich in besonderer Weise solidarisch verhält, weit über den Königsteiner Schlüssel hinaus, dann ist das der Freistaat Bayern."

Bundesinnenminister de Maiziere (CDU)

Aber Lob lindert nicht das Problem. Darum ärgern sich die Leute im bayerischen Innenministerium und Kommunalpolitiker wie die Münchner Sozialreferentin Brigitte Meier. Sie war kürzlich in Berlin, als Gast der SPD-Bundestagsfraktion, und ließ ihrer Verzweiflung und ihrem Zorn freien Lauf: „Ihr habt den Königsteiner Schlüssel verwehrt! Danke!“, rief sie, dass die Lautsprecher schepperten. Ähnliche Töne hört Stephan Mayer aus seinem Wahlkreis Altötting. Der CSU-Abgeordnete, innenpolitischer Sprecher seiner Fraktion: „Da haben sich manche Bundesländer, vornehm gesagt, in die Büsche gestohlen und sich ihrer Verantwortung entzogen! Damit muss Schluss sein!“ Und damit soll nun auch Schluss sein.

Bund soll mehr Verantwortung übernehmen

Verteilung der Flüchtlinge auf die deutschen Bundesländer nach dem Königssteiner Schlüssel

Schon vor drei Wochen hatten die Ministerpräsidenten und die Kanzlerin vereinbart, dass der Bund die Verteilung der Flüchtlinge übernehmen soll. Das läuft nun an, unter Leitung des Bundesinnenministeriums. Bayern verspricht sich viel davon. Der Bund habe den besten Überblick, wo noch Leute untergebracht werden können, sagt Stephan Mayer.

Auf die Frage, warum Länder wie Sachsen-Anhalt stärker auf Berlin hören sollten als auf Bayern, verweist Mayer aufs Geld. Der Bund zahlt den Ländern künftig eine Pauschale pro Flüchtling. Daraus leitet Mayer Ansprüche ab: „Dann muss eben auch mal der Telefonhörer in die Hand genommen werden und der jeweilige Landesinnenminister mit entsprechendem Nachdruck dazu gebracht werden, dass er einen weiteren Zug mit Flüchtlingen aufnimmt.“

"Der Bund hat den besten Überblick über Kapazitäten."

Stephan Mayer, CSU, innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag

Die Botschaft geht auch an Holger Stahlknecht aus Sachsen-Anhalt, dessen Land nicht mal drei Prozent der Flüchtlinge hätte aufnehmen müssen. Der Königsteiner Schlüssel wird errechnet aus Steueraufkommen und Bevölkerungszahl. Entwickelt wurde er 1949, ursprünglich nicht, um Menschen zu verteilen, sondern Geld.


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