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Mehr fordern als fördern? Integrationsgesetz verabschiedet

Bundeskanzlerin Angela Merkel prägte bereits vor zehn Jahren den Grundsatz des "Forderns und Förderns" in der Integrationspolitik. Am 14. Juli 2006 lud sie zum ersten Integrationsgipfel. Jetzt, zehn Jahre später, hat der Bundestag das erste Integrationsgesetz verabschiedet.

Stand: 10.07.2016

Symbolbild Integration: Junge Menschen verschiedener Herkunft in einem Schulungsraum | Bild: picture-alliance/dpa

Ein Geben und Nehmen soll es sein, das Integrationsgesetz. Den Angeboten des Staates stehen demnach die Pflichten des Asylbewerbers gegenüber. Doch dieses Prinzip der Gegenseitigkeit ist nach Ansicht vieler Kritiker aus dem Gleichgewicht geraten, zu Ungunsten der Flüchtlinge. Maßnahmen zur Integration in den Arbeits- und Ausbildungsmarkt sind ein Schwerpunkt des Gesetzentwurfs: 100.000 Ein-Euro-Jobs sollen geschaffen werden, um Asylbewerber schon an den Arbeitsmarkt heranzuführen, während sie noch auf den Asylbescheid warten. Oppositionspolitiker halten das für wenig zielführend.

"Diese Arbeitsgelegenheiten für Flüchtlinge bieten keine Qualifikationsmöglichkeiten. Sie sind auch nicht dazu geeignet, die deutsche Sprache zu erlernen. Wo sie innerhalb der Gemeinschaftsunterkünfte stattfinden werden sie auch reguläre Beschäftigung verdrängen."

Pia Zimmermann, Abgeordete von Die Linke

Kritik an Arbeitsmarktprogramm und Wohnsitzauflage

Konsens bei 3 plus 2 Regel

Weitgehend unumstrittenist die sogenannte Regelung 3 plus 2: Geduldete Flüchtlinge, die eine Ausbildung machen, und die entsprechenden Betriebe bekommen durch sie Rechtssicherheit: Für die Dauer der Ausbildung darf der Geflüchtete in Deutschland bleiben. Übernimmt der Betrieb seinen Azubi anschließend, wird die Duldung um weitere zwei Jahre verlängert. Wird eine Ausbildung abgebrochen hat der Betroffene einmalig ein halbes Jahr Zeit, sich einen neuen Ausbildungsplatz zu suchen.

Die Nationale Armutskonferenz, ein Zusammenschluss von Fachverbänden, Selbsthilfeorganisationen und dem Deutschen Gewerkschaftsbund, kritisiert: Das im Gesetz vorgesehene Arbeitsmarktprogramm greife zu kurz und zwinge Menschen in prekäre Beschäftigungsverhältnisse, ohne ihnen eine echte Perspektive zu bieten. Auf diese Weise werde vor allem der Billiglohnbereich gestärkt. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat verfassungsrechtliche Bedenken wegen der geplanten Leistungskürzungen: Rechtsanwältin Seidler vom DAV kritisiert, die Leistungen auf das physische Existenzminimum zu beschränken, entspreche nicht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum menschenwürdigen Existenzminimum. Besonders umstritten ist die sogenannte Wohnsitzauflage: Die Bundesländer bekommen die Möglichkeit, auch anerkannten Flüchtlingen für eine bestimmte Zeit den Wohnort vorzuschreiben. Ausgenommen ist nur, wer einen festen Job hat oder eine Ausbildung macht. Nicht nur die Opposition, auch der Paritätische Gesamtverband, die Diakonie Deutschland, PRO ASYL und der Rat für Migration üben daran scharfe Kritik: Maßnahmen wie diese würden Partizipation und Teilhabe der Asylsuchenden an unserer Gesellschaft eher verhindern als fördern.

Fokus auf Integrationsleistungen

Rechte, die Asylbewerbern bislang gewährt wurden, werden mit dem Integrationsgesetz eingeschränkt oder mit dem Leistungsprinzip verknüpft: So wird anerkannten Flüchtlingen und Asylberechtigten nicht mehr voraussetzungslos eine Niederlassungserlaubnis erteilt, sondern von Integrationsleistungen abhängig gemacht. Nach fünf Jahren müssen die betreffenden Personen unter anderem "hinreichende Sprachkenntnisse" vorweisen und ihren Lebensunterhalt überwiegend sichern können. Wer besondere Integrationsleistungen erbringt, kann die Niederlassungserlaubnis schon nach drei Jahren bekommen. Integrationsverweigerung dagegen soll bestraft werden: Wer zum Beispiel einen Integrationskurs abbricht, bekommt weniger Sozialleistungen.


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