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Buch von Susan Arndt "Rassistisches Erbe"

Die Kulturwissenschaftlerin Susan Arndt setzt sich in einem Buch entlang konkreter Beispiele mit dem kolonialen Erbe in unserer Sprache auseinander: "Rassistisches Erbe: Wie wir mit der kolonialen Vergangenheit unserer Sprache umgehen". Sie zeigt, welche Möglichkeiten wir haben, mit der kolonialen Vergangenheit in unserer Sprache umzugehen und vertieft den Zusammenhang zwischen Sprache und Macht.

Von: Andreas Krieger

Stand: 27.06.2022

Es gibt Wörter, die verletzen, weil sie rassistisch sind, einer weißen Herrschaftsstruktur entstammen, die Gewalt ausgeübt und mit Worten legitimiert hat. Wörter, die wir unbewusst oder ganz bewusst im Alltag benutzen. Manche wissen es und wollen es nicht ändern. "Von da an wird es dann wirklich rassistisch", sagt die Kulturwissenschaftlerin Susan Arndt. "Wenn ich die Argumente kenne und sage: 'Nein, das lasse ich mir jetzt nicht nehmen, weil ich das schon immer so gesagt habe.' Ja, warum habe ich es immer so gesagt? Das kommt aus der Tiefe der Geschichte, tatsächlich aus der Kolonialgeschichte, in der durch rassistisches Sprechen Menschen das vollwertige Menschsein abgesprochen wurde."

Die Amerikas wurden nicht "entdeckt"

Susan Arndt hat ein sachliches, wichtiges Buch geschrieben über "Rassistisches Erbe". Wie wir mit der kolonialen Vergangenheit unserer Sprache umgehen. Sie schärft den Blick auf rassistische Wörter. Im Wort "Neue Welt" etwa steckt der ganze Überlegenheitswahn der weißen Altvorderen. "Als 1492 Europa begann, andere Teile der Welt zu erobern, war das eben keine Entdeckung einer neuen Welt, wie das oft gesagt wird", sagt Arndt. "Das ist sehr verharmlosend. Denn entdecken können wir nur das, was Menschen noch nicht bekannt ist. Die Amerikas aber waren Menschen bekannt. Sie waren bewohnt von verschiedenen Gesellschaften. Und dennoch sprechen wir bis heute davon, dass es entdeckt wurde und dass es eine neue Welt sei. Das ist natürlich Kolonialismus-Verharmlosung und Fortsetzung des Kolonialismus."

Die "Neue Welt" - Die Logik des Kolonialismus

Neue Welt? Gibt es nicht. Die Bezeichnung ist nur eine Perspektiv-Verzerrung durch die Kolonialisten. Die von ihnen unterdrückten Gruppen wurden bewusst kleingeredet, minderwertig dargestellt, niedlich gemacht. Ungleichheit festgelegt. "Wir nehmen das Wort Häuptling. Da steckt eine Logik des Kolonialismus drin. Die sind Natur, also sind sie nicht zivilisiert, sondern vernunftfern. Das heißt, die können gar keine Könige oder ältesten Räte sein, was sie tatsächlich waren, sondern das sind Häuptlinge und damit ein Möchtegern-Haupt."

Problem ist die oft behauptete Überlegenheit der Weißen

Susan Arndt macht klar, dass die Mehrheitsgesellschaft weiterhin rassistisch handelt, wenn sie sich nicht von kolonialen Bezeichnungen trennt. Das Problem ist die oft behauptete Überlegenheit der Weißen. Auch wenn die Worte ganz freundlich, ja wohlwollend klingen. "Wenn wir von Entwicklungshilfe sprechen, dann steckt da dieser alte koloniale Gedanke drin: Wir sind zivilisiert und wir sind die einzigen, die fähig sind zum Fortschritt. Das sagt ja Kant: Die Weißen sind die einzigen, die fähig sind zu Vernunft und damit zu Fortschritt und Dynamik. Und deswegen ist es okay, wenn wir uns die Ressourcen dieser Menschen nehmen, weil sie damit gar nichts anfangen können."

Wie kann man ein rassistisches Wort identifizieren?

Weg mit dem Vormachts-Vokabular! Arndt bekommt Morddrohungen von Empörten, die sich "ihre Wörter nicht wegnehmen lassen möchten". Dabei gibt es genug andere Wörter. Und Arndt gibt konkrete Tipps, wenn man unsicher ist, ob man ein Wort benutzen sollte oder nicht. "Um zu identifizieren, ob ein Wort rassistisch ist, kann ich mich fragen: Verwende ich das Wort für mein eigenes Umfeld, für mich selbst oder verwende ich da andere Begriffe? Ich kann auch versuchen, die Augen zu schließen, das Wort mir aufzurufen und mir die Bilder zu betrachten, die es bewirkt. Wenn ich zum Beispiel das I-Wort nehme, sehe ich dann einen Menschen, der in New York lebt? Oder sehe ich da eine koloniale Fiktion, etwa aus dem Karl-May-Roman? Wenn ich Wörter nehme, die ich verwende, kann ich prüfen: Würde ich dieses Wort für mich selber verwenden wollen, wie würde es mir damit gehen, wenn ich mich oder meine Gesellschaft so bezeichne? Sind die Deutschen ein Stamm? Wenn nicht, warum bezeichne ich dann andere Gesellschaften als Stamm?"

Arndt zeigt in ihrem Buch noch einmal die Wörter, die man nicht mehr nehmen sollte. Und streicht sie durch. Eine zweischneidige Sache: Wörter nennen, die vergessen werden sollten. "Ich glaube, es ist wichtig, dass diese Wörter erinnerungspolitisch dableiben. Aber eben da, wo sie auch hingehören: auf den Abfallhaufen der Geschichte. Von dort können wir sie uns nehmen, anschauen, sezieren, analysieren, vieles erklären, das durch diese Wörter oder mit diesen Wörtern passiert ist und sie dann dahin zurücklegen. Es gibt, um die Wörter in Erinnerung zu behalten, keinen Grund, sie tatsächlich im aktuellen Sprachwortschatz immer wieder zu reproduzieren, weil es Alternativ-Begriffe gibt und weil diese rassistischen Begriffe nach wie vor Gewalt ausüben."

Diese Macht haben wir alle: zu entscheiden, welche Wörter man verwendet und welche nicht. Susan Arndts Buch hilft dabei sehr. Und, keine Angst: Es gibt noch genug Worte für alle und alles.

Buch

Susan Arndt 
Rassistisches Erbe: Wie wir mit der kolonialen Vergangenheit unserer Sprache umgehen
Dudenverlag


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