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Respiratorisches Synzytial-Virus Schutz gegen das RS-Virus: Was können die neuen Impfstoffe?

Das RS-Virus sorgt meistens nur für eine Erkältung, kann aber für Babys sowie ältere und immunschwache Personen gefährlich sein und etwa zu Lungenentzündungen führen. Doch nun sind erstmals zwei vielversprechende Impfstoffe sowie ein neues Prophylaxe-Mittel auf dem Markt.

Von: Veronika Scheidl

Stand: 25.09.2023

Arexvy, Abrysvo und Beyfortus: Diese Zungenbrecher sollen dabei helfen, schwere Infektionen mit dem weit verbreiteten Atemwegserreger RSV, dem Respiratorischen Synzytial-Virus, zu verhindern. Der Impfstoff Arexvy (GSK) ist für Personen ab 60 Jahren zugelassen, Abrysvo (Pfizer) ist ebenfalls für Menschen ab 60, aber auch für Schwangere, die nach der Impfung die Antikörper an ihre ungeborenen Kinder weitergeben. Neu ist zudem Beyfortus (Sanofi/AstraZeneca) – mit diesem Antikörper-Präparat sollen Säuglinge passiv immunisiert und geschützt werden.

Lieferschwierigkeiten: Hausarzt muss Patienten vertrösten

Doch können diese Mittel bereits in der anstehenden Erkältungssaison zu den berühmten „Gamechangern“ werden? Der Münchner Allgemeinarzt Markus von Specht bezweifelt das. Er möchte seinen älteren Patienten den Impfstoff Arexvy anbieten, doch es gibt Lieferschwierigkeiten.

"Obwohl ich mehr Impfstoff gebraucht hätte, habe ich nur eine einzige Spritze bekommen. Und muss jetzt die Patienten vertrösten und ständig mit der Apotheke in Kontakt stehen, wann ich an neuen Impfstoff bekomme. Ein bedauerlicher Zustand."

Dr. med. Markus von Specht, Facharzt für Allgemeinmedizin, München-Pasing

Und diese einzige Spritze bekommt jetzt die 61-jährige Gerti Vogt – ihr ist die RSV-Impfung sehr wichtig.

"Ich habe zum einen eine Vorerkrankung, eine leicht geschädigte Lunge, das ist der Hauptgrund. Zwei Enkelkinder zu Hause, meinen über 90-jährigen Vater, der bei mir im Haushalt lebt, da möchte ich solchen Krankheiten gerne vorbeugen."

Gerti Vogt

Noch keine STIKO-Empfehlung zu RSV-Impfstoffen

Da Gerti Vogt Privatpatientin ist, übernimmt ihre Kasse die Kosten in Höhe von 200 Euro.  Doch der Impfstoff ist noch nicht von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlen worden – darum werden die Gesetzlichen Krankenkassen die Kosten der Impfung derzeit nicht übernehmen. „Es wird tatsächlich ein Argument sein, dass viele sich nicht impfen lassen. Weil es einfach als Eigenleistung zu viel ist. Es ist schade, weil es den Impfstoff gibt, in anderen europäischen Ländern wird er ja auch schon angewendet“, sagt Allgemeinarzt von Specht. Aber er könne auch nachvollziehen, dass die STIKO die Impfstoffe genau überprüfen will.

Der Virologe Klaus Überla von der Ständigen Impfkommission geht davon aus, dass es im kommenden Jahr eine Empfehlung – oder Nicht-Empfehlung – zu den neuen RSV-Impfstoffen geben wird. Besonders „Abrysvo“, der auch für Schwangere zugelassen ist, wird genau überprüft.

"Wir müssen ganz sicher sein, dass die Impfung keine Nebenwirkungen oder vertretbare Nebenwirkungen hat. Und insofern ist es gut, dass wir hier systematisch die Risiken und Nutzen dieser Impfung von Schwangeren auswerten und dann auch erst eine entsprechende Empfehlung aussprechen."

Prof. Dr. med. Klaus Überla, STIKO-Mitglied, Direktor Virologisches Institut, Universitätsklinikum Erlangen

Sorgt Impfstoff für mehr Frühgeburten?

In der Zulassungsstudie hat sich der Impfstoff „Abrysvo“ zwar als sehr effektiv erwiesen. Doch STIKO-Mitglied und Frauenärztin Marianne Röbl-Mathieu fordert noch weitere, größere Beobachtungsstudien. Denn die Zahl der Studien-Teilnehmerinnen sei relativ klein gewesen.

"Und jetzt kommt noch dazu, dass es eben in einer Untergruppe auch einen Hinweis gab auf etwas mehr Frühgeburten bei geimpften Frauen als bei ungeimpften Frauen. Das kann zufällig sein. Aber es lässt sich eben nicht genau klären mit so einer kleinen Zahl von Probanden."

Dr. med. Marianne Röbl-Mathieu, Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, München

Stand jetzt würde sie ihre schwangeren Patientinnen nicht impfen. Zumal es mit dem neuen Prophylaxe-Mittel „Beyfortus“ für Säuglinge und Kleinkinder in ihrer ersten RSV-Saison einen guten Schutz vor Erkrankungen der unteren Atemwege durch das RS-Virus gebe.

Antikörper-Präparat soll Babys und Kleinkinder schützen

"Beyfortus ist ein monoklonaler Antikörper. Und bindet sich an ein Eiweißstück des RS-Virus. Und somit verhindert er das Eindringen dieses Virus in die Zelle und damit eine Infektion des Kindes."

Dr. med. Nikos Konstantopoulos, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, München

Der Kinderarzt hat sehr gute Erfahrungen mit Beyfortus gemacht, denn er hat zusammen mit seiner Praxiskollegin Martina von Poblotzki an einer europäischen Studie teilgenommen, die die Wirksamkeit des monoklonalen Antikörpers untersucht. Fast 29.000 Neugeborene aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien haben Beyfortus im Rahmen der Studie bekommen, darunter 75 Kinder, die von Nikos Konstantopoulos und Martina von Poblotzki medizinisch betreut werden.

So auch der Sohn von Kerstin Lüninghöner. Der heute einjährige Matthis war damals gerade einen Monat alt, als ihm Beyfortus gespritzt wurde: „Wir haben 3 Kinder zu Hause, ein Schulkind, ein Krippenkind damals, er ist der Jüngste. Und zu hören, dass es einen Schutz gegen RSV gibt, da war für uns klar, dass wir sehr gerne mitmachen bei der Studie“, sagt Mama Kerstin Lüninghöner. Matthis habe alles sehr gut vertragen – und sei im Winter infektfrei geblieben.

1.350 Euro für eine Spritze „Beyfortus“

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger „Synagis“, der alle 30 Tage gespritzt werden muss und nur für kleine Risikopatienten wie Frühchen oder Babys mit Lungen- oder Herzproblemen gedacht ist, wird Beyfortus nur einmal verabreicht und ist auch für gesunde Neugeborene zugelassen. „Er schützt bis zu sechs Monate lang. Wir haben definitiv gesehen, dass er sicher ist, keine Nebenwirkungen macht. Und dass die Kinder nicht nur vor RSV, sondern auch vor anderen Virusinfektionen geschützt werden“, sagt Kinderarzt Konstantopoulos.

Aber: Eine Spritze kostet 1.350 Euro – und muss erstmal privat bezahlt werden, da auch hier die STIKO-Empfehlung aussteht. Nur für kleine Risikopatienten werden die Kosten von der Kasse übernommen. Beyfortus, Arexvy und Abrysvo: Zu „Gamechangern“ werden sie - wegen der fehlenden STIKO-Empfehlungen - in diesem Winter wohl noch nicht.


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