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Gelenke Diese Therapien helfen bei einer Kalkschulter

Heftige, plötzlich auftretende Schmerzen in der Schulter. So fängt es bei den meisten Patienten an. Viele haben im Verlauf Schwierigkeiten, den Arm nach oben zu bewegen. Ob Kämmen, Jacke ausziehen, Geschirr in den Schrank räumen – mit einer Kalkschulter wird der Alltag zur Herausforderung. "Gesundheit!" zeigt, welche Therapien helfen.

Von: Julia Richter

Stand: 13.11.2023

Starke Schmerzen im Alltag

Bei Eva Mayer begann es nach ihrem Umzug: Ein heftiges Stechen fährt ihr beim Arbeiten am PC in die Schulter. Selbst das Tippen fällt plötzlich schwer:

"Man macht eine Bewegung und plötzlich hat man das Gefühl, jemand rammt einem eine Messerklinge in die Schulter – von oben nach unten. So wie es akut ist, geht es bis zum Handgelenk durch. Der Schmerz in dem Moment ist so heftig, da vergisst man erst Mal das Atmen. Ganz besonders schlimm ist es auch nachts, wenn man dann aus Versehen auf der Schulter schläft."

Eva Mayer, Patientin

Die Nächte sind auch für Thomas Göbl furchtbar: Die Schulter schmerzt außerdem bei jedem Griff: Der Rechtshänder kann inzwischen alles nur noch mit der linken Seite machen.

"45 Grad kann ich den Arm noch heben, dann tut es weh. Dann fängt es an, zu drücken und zu stechen. Als wenn jemand ein Messer nehmen und reinstechen würde. Also, ich brauche ewig, bis ich mir die Jacke ausgezogen habe, selbst Fahrradfahren geht nicht mehr, allein den Arm länger auf dem Lenker zu haben ist mir unangenehm."

Thomas Göbl, Patient

Ursachen einer Kalkschulter

Treffen kann es jeden: Oft tritt eine Kalkschulter schon ab dem 30. Lebensjahr auf.

"Man weiß es eigentlich gar nicht so genau, was am Ende letztlich dazu führt, dass ein Kalkdepot entsteht, aber es können Stoffwechselerkrankungen sein, Minderdurchblutung oder ein chronischer Reiz oder kleine Verletzungen. In der Regel gibt es dann eine Bewegung, eine Belastung, die zu diesen starken Beschwerden führt!"

Dr. med. Alexander Rucker, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, OrthoMünchen

Im Röntgenbild und in der Sonographie sind die Kalkablagerungen bei Patientin Eva Mayer klar zu erkennen. Dr. Rucker erkennt schnell: "Das Problem liegt im Bereich der Schultersehnen, besonders der Supraspinatussehne. Ursache ist eine Minderdurchblutung der Rotatorenmanschette, die dann zur Kalkablagerung in der Sehne führt. Und immer, wenn die Patientin den Arm nach oben bewegt, dann klemmt sie den Kalk da ein, zwischen Schulterdach und Schulterkopf. Und das führt dann zur Entzündung und kann sehr schmerzhaft werden.“

Bei Thomas Göbl sind die Beschwerden besonders hartnäckig: Schon zwei Jahre leidet er unter seiner Kalkschulter. Typischerweise verläuft die Erkrankung in verschiedenen Etappen.

"In der ersten Phase, da wird der Kalk gebildet. Das dauert einige Wochen bis Monate, in der zweiten Phase ist dann der Kalk vollständig da. Es entstehen Kalziumkristalle und eine Verdickung der Sehne. Und in der dritten Phase – das ist dann die Phase, wo sich der Kalk dann wieder auflöst, also eine Resorption stattfindet, die dann oft sehr schmerzhaft sein kann."

Dr. med. Bastian Ipach, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Schönklinik München Harlaching

Behandlung einer Kalkschulter

Ist die Entzündung akut, helfen schmerzstillende und entzündungshemmende Medikamente. Reicht das nicht, so wie bei Eva Mayer, kommt eine Injektion mit Kortison und einem Lokalanästhetikum zum Einsatz.

"Ich würde in der Akuttherapie schon eine Kortisonspritze empfehlen, denn das Kortison nimmt die Entzündungsreaktion schnell raus und damit auch den Schmerz. Allerdings sollte man in der Häufigkeit der Anwendung zurückhaltend sein. Man weiß, dass Kortison das Sehnengewebe schädigen kann. Und das kann im Verlauf auch zu Defekten führen."

Dr. med. Alexander Rucker, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, OrthoMünchen

In den nächsten Tagen muss Eva Mayer eine Schlinge tragen, um die Schulter ruhig zu halten. Erst wenn die Entzündung abgeklungen ist, darf sie sie wieder bewegen. Auch Kälte kann die Beschwerden lindern.

All das probiert auch Thomas Göbl. Zusätzlich geht er zum Schröpfen und versucht es mit einer Stoßwellentherapie. Die Schallwellen sollen helfen, die Durchblutung anzuregen und die Verkalkung zu lösen. Studien zufolge können bis zu 70 Prozent der Patienten davon profitieren. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten allerdings nicht – es ist eine sogenannte Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL).

"Je nach Sitzungsanzahl kommt man da auf 250 bis vielleicht 500 Euro. Das kann sich nicht jeder leisten oder ist gewillt, sich das zu leisten. Aktuell fordert auch die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin, dass dies in den Leistungskatalog der Krankenkassen mit aufgenommen wird, weil die Studienlage dazu eben mittlerweile sehr gut ist."

Dr. med. Bastian Ipach, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Schönklinik München Harlaching

Thomas Göbl geht außerdem zur Physiotherapie und macht, wenn die Beschwerden nicht akut sind, auch zu Hause regelmäßig Übungen, um die Beweglichkeit der Schulter zu fördern und die Muskulatur zu stärken. Doch die Beschwerden wird er nicht los.

"Es gibt Patienten, die einen chronischen Verlauf nehmen, wo eben der Kalk sich nicht auflöst und die dann dauerhafte Beschwerden haben. Nicht immer unbedingt akut, aber wechselhafte Beschwerden: Mal nachts Schmerzen, d.h. nicht drauf liegen können, aber in der Regel wiederkehrend. Das sind Patienten, die eventuell operiert werden müssen, das betrifft rund 10 bis 20 Prozent", erklärt Dr. Ipach.

Auch Thomas Göbl entscheidet er sich am Ende für einen Eingriff: "Meine Hoffnung ist natürlich dauerhaft schmerzfrei zu bleiben, wieder meinem Hobby – dem Fahrradfahren – nachgehen zu können und natürlich auch alltägliche Sachen wie Jacke anziehen. Dass das einfach wieder schmerzfrei ist. Also, ich zähle jetzt die Tage schon runter, bis es endlich passiert."

Die Operation einer Kalkschulter

Der Eingriff erfolgt arthroskopisch – d.h. minimalinvasiv, über kleine Hautschnitte. Auf dem Monitor ist zu erkennen, dass der Kalk bei dem Patienten richtig in die Sehne gewachsen ist, wie ein Fremdkörper im Gewebe. Nach einer kleinen Einkerbung in die Sehne quillt er heraus. Die Menge des entfernten Kalks entsprich fast einem Teelöffel. Am Ende wird die Sehne über eine kleine Naht wieder verschlossen. Rund eine Stunde dauert die Operation.

"Über 90 Prozent der Patienten sind nach spätestens sechs Monaten beschwerdefrei, das ist eine sehr gute Anzahl. Und die Ausfallzeiten sind in der Regel auch nicht sehr lang. Also, wir empfehlen ein bis drei Tage einen stationären Aufenthalt. Drei bis fünf Tage wird die Schulter ruhig gestellt in einer Schlinge und dann kann es noch mal drei bis vier Wochen dauern bis eben die aktive Beübung wieder gut möglich ist."

Dr. med. Bastian Ipach, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Schönklinik München Harlaching


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