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Frankreich Schafft Hollande noch den Umschwung?

An solchen Tagen läuft Francois Hollande zur Höchstform auf. Die Champs Élysées sind für den Verkehr gesperrt –die Nationalgarde beherrscht die Prachtstraße von Paris.

Von: Ellis Fröder

Stand: 18.05.2014 | Archiv

Die französische Flagge im Arc de Triomphe | Bild: BR

Prunkvolle Uniformen, Pferde – ganz so wie in vergangenen Jahrhunderten. Frankreich, die stolze Grande Nation, gedenkt des 8. Mai 1945. An diesem Tag hat Deutschland in Reims bedingungslos kapituliert – in Frankreich ein Nationalfeiertag.

An diesem Tag ist Francois Hollande ganz Präsident.

Doch die Franzosen sehen ihren Präsidenten nach zwei Jahren anders:

"Hollande wurde für sein linkes Programm gewählt. Aber er macht keine linke Politik. Er hat viele seiner Wähler enttäuscht."

Umfrage

"Ich hab ihn gewählt, aber ich bin schon sehr enttäuscht. Man hat den Eindruck, dass mit ihm alles schlimmer wird. Die Stimmung ist schlecht."

Umfrage

Und daran ist ihr Präsident schuld, meinen die Franzosen. Der 59-Jährige ist der unbeliebteste Präsident der französischen Nachkriegsgeschichte. Was ist da schief gelaufen?

Vor zwei Jahren wurde er noch umjubelt. Der Place de la Bastille war in rote Fahnen getaucht. Die Franzosen feierten ihren neuen sozialistischen Präsidenten.

Der Wandel allerdings sieht anders aus, als es sich die Franzosen damals erhofft haben. Die Wirtschaft lahmt – mangelnde Wettbewerbsfähigkeit, zu hohe Staatsausgaben. Unzählige Betriebe müssen schließen. Frankreichs Autoindustrie, einst der Stolz der Nation, kann dem globalisierten Wettbewerb nicht standhalten.

Michael Darmon

Die Arbeitslosenquote bei fast elf Prozent, jeder vierte Jugendliche ohne Job. Hollande schafft es zwar, dass Gewerkschaften und Arbeitgeber sich an einen Tisch setzen und gemeinsam nach Lösungen suchen – doch es geht weiter bergab. Die EU-Kommission ist besorgt über die wirtschaftliche Entwicklung Frankreichs – das Staatsdefizit wird auch im nächsten Jahr über der in der EU geltenden Drei-Prozent-Grenze verharren.

"Er hat keine Strukturreformen in Angriff genommen, die es Frankreich erlauben seine Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen. Die beiden Jahre hat er vergeudet. In seinem Kopf ist er Sozialdemokrat, sagt es aber nicht deutlich. Er will es allen recht machen. Deshalb meidet er klare Worte."

Michael Darmon, Journalist, Publizist

Seit zwei Jahren an der Macht – doch Hollande sucht immer noch seine Rolle als Präsident, so titelt die linksliberale Zeitung Liberation.

Die Kommunalwahlen im März enden für die Sozialisten mit einem Desaster. Der rechtsextreme Front National kann in elf Rathäuser einziehen. Viele Franzosen sind erst gar nicht zur Wahl gegangen: Knapp 40 Prozent haben nicht gewählt - ein Rekord. Francois Hollande scheint die Nachricht verstanden zu haben. Kabinettsumbildung und ein neuer Premierminister. Eine kleine Sensation: Manuel Valls – er zählt zum rechten Flügel der Sozialisten. Er ist durchsetzungsfähig, führungsstark, hat klare Positionen und ist Frankreichs beliebtester Politiker– all das, was Francois Hollande fehlt. Ist es die reine Verzweiflung, seinen stärksten Konkurrenten so stark werden zu lassen?

"Die Franzosen wollen eine starke Führungsfigur, sie wollen einen starken Präsidenten. Aber Hollande tut sich sehr schwer damit, diese Rolle auszufüllen."

Michael Darmon, Journalist, Publizist

Ungeliebt im eigenen Land – und auch von außen nur Kritik: Deutschland – traditionell Frankreichs engster Verbündeter – drückt aufs Tempo, fordert rasche Reformen. Angela Merkel und Francois Hollande sind ein Paar, das nur schwer zueinander findet. Die disziplinierte und analytische Deutsche und der Franzose, der seinen Landsleuten keine harten Reformen zumuten möchte: Sie können nicht mit, aber auch nicht ohne einander.

"Deutschland schaut vielleicht ein bisschen überrascht auf Francois Hollande. Ganz einfach, weil Frankreich im Gegensatz zum Rest der Eurozone und vor allem Deutschland, weit hinten dran ist. Angela Merkel will ihm zeigen, wo es lang geht, ohne es direkt auszusprechen."

Michael Darmon, Journalist, Publizist

Vor zwei Jahren beim Fernsehduell während des Wahlkampfs war Hollande als der moralisch gute Mensch aufgetreten, wollte sich bewusst absetzen von Nicolas Sarkozy, seinem Vorgänger:

"Wenn ich Präsident der Republik bin, werde ich dafür sorgen, dass mein Verhalten immer vorbildlich sein wird!"

Francois Hollande am 2. Mai 2012

Knapp zwei Jahre später dann das: Der Präsident der Republik fährt nachts auf dem Motorrad heimlich zu seiner Geliebten – der Schauspielerin Julie Gayet. Francois Hollande, der ein ganz normaler Präsident wollte, ist ein ganz normaler Franzose. Er hat seinen ersten großen Skandal. Ganz Frankreich spricht über seine Trennung von Valerie Trierweiler.

Hier hat er eine Konsequenz und Härte gezeigt, die ihm in seiner Politik fehlt. Francois Hollande und auch die Franzosen wissen, dass sich das Land ändern muss, dass harte Reformen à la Agenda 2010 eine Möglichkeit wären. Doch keiner, weder Präsident noch Volk, will Privilegien aufgeben.

"Die französische Revolution ist immer noch im kollektiven Unterbewusstsein. Die französischen Politiker haben Angst vor dem Protest auf der Straße. Das war schon immer so. Deshalb passiert hier nichts."

Michael Darmon, Journalist, Publizist

Drei Jahre dauert es noch bis der nächste Präsident Frankreichs gewählt wird. Zurzeit geht niemand davon aus, dass das Francois Hollande sein wird.


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