BR Fernsehen - EUROBLICK


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Tschechien Gegengewicht zur Putin-Propaganda

Das neue Studio bei Radio Freies Europa in Prag. Seit Februar macht der Sender jetzt auch Fernsehen: ein 24-Stunden-Vollprogramm in russischer Sprache. Letzte Vorbereitungen für die stündliche Nachrichtensendung "Aktuelle Zeit".

Von: Jürgen Osterhage

Stand: 26.03.2017 | Archiv

Blick auf Split-Screen | Bild: BR

Es war höchste Zeit für ein solches Angebot, findet der Chefredakteur:

"Viele unserer Nachrichtenthemen sind im russischen Fernsehen nicht zu sehen. Und das macht den Unterschied. Zum Beispiel Berichte über die russische Opposition oder Putins Politik in der Ukraine, wie sie die internationale Gemeinschaft sieht."

Kenan Aliyev, Chefredakteur

Das neue Fernsehprogramm ist ein Gemeinschaftsprojekt von Radio Freies Europa in Prag und Stimme Amerikas in Washington. Finanziert wird es jährlich mit zehn Millionen Dollar vom US-Kongress, um den Menschen in Russland und seinen Anrainerstaaten ein alternatives Fernsehprogramm anzubieten.

"Russland berichtet über die Themen einseitig, macht Propaganda. Unsere Aufgabe ist es, ein objektives und ausgewogenes Gegengewicht zu schaffen, ohne die Nachrichten zu verdrehen oder zu verzerren."

Kenan Aliyev, Chefredakteur

Kenan Aliyev

Rund 100 Mitarbeiter arbeiten für das Rund-Um-Die-Uhr-TV-Programm: Sport, Unterhaltung, Reisemagazine, Kochshows. Der Schwerpunkt liegt aber auf Politmagazinen und stündlichen Nachrichten.

"Unsere Top-Nachricht ist heute, dass die Ukraine Russland beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag angeklagt hat. Die Ukraine verlangt eine Entschädigung für die russische Invasion. Das würden die russischen Nachrichtensender sicherlich anders darstellen, wie wir es tun."

Kenan Aliyev, Chefredakteur

Ein neues Nachrichtenangebot, das auch auf die russischen Minderheiten in den baltischen Staaten zielt, zum Beispiel in Estland: jeder vierte der 1,3 Millionen Einwohner gehört zur russischen Minderheit. Während sich die estnische Mehrheit seit der Unabhängigkeit des Landes meist Richtung Westen orientiert, ist die russische Minderheit im Land zum großen Teil nach wie vor auf Moskau fixiert: sie sieht fast ausschließlich russischsprachige Programme. Beide Bevölkerungsgruppen leben weiterhin mehr oder minder nebeneinander her.

Besuch bei der Familie Ljubimov in der Hauptstadt Tallin. Sie gehört zur russischsprachigen Minderheit im Land und sie ist hier eine Ausnahme. Die Eltern sprechen neben Russisch auch Estnisch und Englisch. Die Kinder lernen die Sprachen in der Schule. Pjotr Ljubimov, 31, Manger bei einer Metallfirma, findet es problematisch, dass die russische Minderheit im Land meist nur Russisch spricht und so im Fernsehen der einseitigen Berichterstattung aus Moskau ausgeliefert sei:

"Jeder neue Kanal ist ein großes Plus. Man kann sich aus verschiedenen Quellen informieren und sieht, dass es verschiedene Meinungen gibt."

Pjotr Ljubimov

Und seine Frau Nina, Leiterin eines Friseursalons, ergänzt, dass der neue Fernsehkanal vor allem für die ältere russischsprachige Bevölkerung wichtig sei, die im Gegensatz zur jüngeren Generation zu 100 Prozent auf Russland festgelegt sei:

"Man braucht alternative Sendungen, die gerade diese Altersgruppe ansprechen."

Nina Ljubimova

Olga Korneitsik

Nach einer jüngsten Untersuchung, so Medienexpertin Olga Korneitsik, gehöre der baltische russischsprachige Sender „Pervoi Baltiiski“ zu den populärsten im Land. Er sei inhaltlich eine Art Klon des russischen ersten Kanals. Umso wichtiger sei jetzt das neue Fernsehangebot:

"Wenn die russischsprachige Bevölkerung in Estland und im gesamten Baltikum in der eigenen Sprache alternative Informationen bekommen kann, hilft das der besseren Informiertheit und kann sogar dazu führen, dass sich die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen besser verstehen und mehr annähern."

Olga Korneitsik, Medienexpertin

Zurück in Prag beim neuen russischsprachigen Fernsehkanal von Radio Freies Europa. Chefredakteur Aliyev ist gerade von einem Filmfestival aus Berlin zurückgekehrt, wo er neue Dokumentationen eingekauft hat:

"Dieser Film ist über den russischen Politiker Boris Nemzow, der vor zwei Jahren in Moskau nahe des Kremls ermordet wurde. Dieser Film wurde von russischen Filmemachern produziert, aber er wurde nie im russischen Fernsehen gezeigt. Wir kaufen also solche Filme und stellen sie der russischen Öffentlichkeit zur Verfügung. Das ist ein wichtiges Anliegen unseres Programms."

Kenan Aliyev, Chefredakteur

Als Gegengewicht zu Nachrichten russischer Medien. Eine Alternative für Informationen und Nachrichten zu bieten, so der Chefredakteur, sei das Beste, was man tun könne.


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Titus C. Wenger, Montag, 27.März 2017, 07:46 Uhr

1. Von wegen Alternative…

RFE/RL ist eines ganz bestimmt nicht: ein «Gegengewicht zu Nachrichten russischer Medien. Eine Alternative für Informationen und Nachrichten…». Ausser, man beurteilt das, was die russischen Medien bringen pauschal als Propaganda.
Doch RFE/RL fungiert erwiesenermassen per se als Sprachrohr der US- und transatlantischen Propaganda*, worauf der Beitrag in der Sendung hätte hinweisen sollen (statt die üblichen Stereotypen zu bedienen, wie die Moderatorin im Anschluss getan hat).

*) https://de.wikipedia.org/wiki/Radio_Free_Europe#Kritik