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Belgien Saubere Luft für Brüssel?

Brüssel stinkt vielen schon lange. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Kaum eine Stadt in Europa hat über Jahrzehnte Autos so hofiert wie diese.

Von: Cornelia Kolden

Stand: 28.01.2018 | Archiv

Schilder für die Umweltzone | Bild: BR

Auf fast 400 Kilometer Stau täglich hat es Belgien rund um und in Brüssel gebracht - allein in diesen Wintertagen. Das ist weltrekordverdächtig. Jahrelang wurde Brüssel deswegen gemahnt - erfolglos, was auch Greenpeace fassungslos macht:

"In Brüssel gibt es dieses besondere Problem, dass viele aus Flandern und der Wallonie für die Arbeit nach Brüssel pendeln, und zwar in Firmenwagen. Wir haben hier sehr viele Firmenwagen, und fast durch die Bank Diesel. Und seit Dieselgate weiß man, dass diese Wagen besonders gesundheitsgefährdend sind, durch Stickstoffoxide. Die kann man hier in Brüssel sehr gut nachweisen."

Youri Thijs, Greenpeace Belgien

Philippe Maetz

In der Tat: Das kann zum Beispiel der Wissenschaftler Philippe Maetz belegen. Brüssel hat zwar den Feinstaub verringert, aber die Stickstoffoxide sind vollkommen gleich geblieben, viel zu hoch, und in Europa  eigentlich verboten.

"Der europäische Grenzwert liegt eigentlich bei 40 Mikrogramm. Und alles, was hier auf der Brüsseler Karte rot erscheint, übersteigt diesen Grenzwert massiv."

Philippe Maetz, Klima- und Umweltforscher CELINE

Und deshalb ist das alles jetzt die größte Umweltzone Europas: die gesamte Stadt bis in die Randgemeinden, überwacht von hochmodernen Kameras. Kein Entrinnen, keine Ausnahmen – so sieht das die zuständige Ministerin, und macht gleich klar, wie rückständig sie Deutschland findet:

"Nein, wir haben beschlossen, nicht mit Vignetten zu arbeiten. Wir haben den Ehrgeiz, eine moderne Stadt zu sein, mit einem intelligenten System, mit intelligenten Kameras, die alle natürlich untereinander vernetzt sind. Und die können dann vielleicht auch zu anderen Zwecken verwendet werden: zum Beispiel kann man damit die Geschwindigkeit überwachen."

Bianca Debaets, Staatssekretärin für Verkehrssicherheit, Region Brüssel

Ja, auch Ausländer müssen sich bei den Brüsselern demnächst anmelden, irgendwie, ab Sommer. Mancher Stadtbewohner sieht hier keinen Grund zum Aufatmen. Bis zum Ende des Jahres sollen 20 Jahre alte Diesel verschwinden, auch wenn die hier immer noch für kleines Geld gut repariert werden.

Politiker unterwegs in Brüssel

In sieben Jahren sollen alle Diesel unter Euro 6 verschwinden. Da wird mancher Rentner mit seinem Möhrchen und eine kleine Werkstatt wie diese zum Kollateralschaden. Malkoc findet das zutiefst unfair, auch wenn ihn Brüssels miese Luft selbst nervt:

"Fahren Sie mal hinter so einem Bus, so einem Staatsbus her. Ja, die gehören doch dem Staat, ne? Der schwarze Qualm , der da rauskommt. Die verdrecken doch mehr als alle anderen. Wenn die Regierungen so wahnsinnig ökologisch wären, warum fahren die Minister in diesen großen Dieselwagen oder auch Benziner? Warum so groß? Können doch auch kleine umweltfreundliche Wagen fahren? Sollten die kein Vorbild sein?"

Malkoc Cockun, 123 AutoService

Didier Gosuin

Ja, ausgerechnet in Europas verpesteter Hauptstadt lassen sich die hohen Häupter jeden Meter chauffieren. Wie sozial ist Klimaschutz? Muss man sich den leisten können? Wir fragen den Wirtschaftsminister der Brüsseler Region, ob das hart arbeitende Volk mit der Klimazone letztlich bestraft wird.

"Für die Unternehmen möchten wir jetzt erstmal Beihilfen schaffen, damit sie ihren Fuhrpark rundum erneuern. Es versteht sich natürlich, dass wir hier ausschließlich von Nutzfahrzeugen reden, also Lieferwagen, Klemptner, Elektriker, Paketdienste - und nicht etwa von den Firmenwagen des Chefs oder der Angestellten."

Didier Gosuin, Wirtschaftsminister, Region Brüssel

"Was passiert denn mit den ganzen ausgemusterten Wagen?"

Frage

"Ja, das ist so eine Frage…. Ob jetzt die alten Wagen aus Deutschland oder Belgien, - die werden wir wohl auf den Parallelmärkten anderer Kontinenten wiederfinden. Es geht hier nun mal nicht darum, die Umweltprobleme der Welt zu lösen, sondern nur unsere eigenen."

Didier Gosuin

Tja, und schon das ist schwierig genug, denn Brüssel hat zwar eine Metro, aber der Regionalverkehr für Pendler ist bis jetzt nicht ausgebaut worden. Und das Fahrradfahren in dieser Stadt ist wirklich nicht vergnügungssteuerpflichtig.


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