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Belgien Exporteure fürchten Brexit

Von: Cornelia Kolden

Stand: 11.06.2017 | Archiv

Ein Terminal in einem Hafen | Bild: BR

Das wird eine Außengrenze der EU. Und damit ein Problem, das mit Volldampf auf Belgien zukommt: Bisher liefen im Hafen von Zeebrugge die Geschäfte mit den Briten wie geschmiert.

Allein eine Million Neuwagen pro Jahr verschifft die Firma ICO-Terminals auf die Insel, natürlich auch deutsche. Aber jetzt droht die Rückkehr der schlechten alten Zeiten mit weniger Gütertransport und sehr viel mehr Stempeln. Hohe Zölle, steigende Preise, sinkende Exporte – ein knallharter Brexit träfe Belgien mit voller Wucht, vor allem Flandern im Norden, das fast 90 Prozent der belgischen Exporte dorthin bestreitet.

Marc Adriansens

Manager Marc Adriansens hofft auf den Geschäftssinn aller Beteiligten:

"Natürlich machen wir uns Sorgen. Es geht um ein großes Handelsvolumen, weil dort leben fast 70 Millionen Menschen. So einen Markt kann man nicht ignorieren oder von einem Tag auf den anderen ersetzen. Aber im Moment merkt ja noch keiner was. Alles läuft gut. Und doch bereitet sich jeder vor und hofft auf die Politiker. Für mich ist das unser Kerngeschäft. Wir müssen unsere 27 Freunde in Europa davon überzeugen, dass sie für einen handelsfreundlichen Brexit eintreten."

Marc Adriansens, Manager von ICO Terminals

Geert Bourgeois

Der flämische Ministerpräsident ist da ganz bei ihm, der harte Brexit passt ihm gar nicht:

"Das ist ein Desaster nicht nur für unsere Wirtschaft, auch für die Iren. Irland trifft es am meisten, dann Flandern, die Niederlande, Deutschland natürlich und Frankreich. Es gibt aber Länder im Süden der Europäischen Union, die nicht in dem Maße betroffen sind. Daher ist die europäische Solidarität wichtig."

Geert Bourgeois, flämischer Ministerpräsident

Der Süden beginnt im eigenen Land. Einst war die französischsprachige Wallonie reich durch Kohle und Stahlindustrie, die übrigens die Briten nach Belgien brachten. Lange vorbei! Heute schwächelt der wallonische Landesteil und exportiert gerade mal zehn Prozent auf die Insel. Die Wallonen können sich die harte EU-Linie leisten.

"Wir haben Betriebe in Flandern, die zu 40 bis 50 Prozent, also zur Hälfte abhängig sind vom Umsatz im Handel mit Großbritannien. Und deshalb versuchen wir auch die Wallonie zu überzeugen, vor allem die wallonischen Politiker, dass unser Problem auch ihres ist. Wir können uns ein zweites CETA, einen zweiten Clash zwischen Flandern und der Wallonie, absolut nicht mehr leisten."

Hans Maertens, flämischer Unternehmerverband

Vielleicht bleibt der große Krach aus, und Flamen und Wallonen vertragen sich. Denn immerhin, eines verbindet die Belgier: die tiefe Freundschaft zu den Briten.

Tyne Cot

Achtung, dies ist britischer Boden in Belgien: Tyne Cot, der größte Commonwealth-Friedhof der Welt, ist ein Geschenk der Belgier an die Briten aus Dankbarkeit für ihren Beistand im Ersten Weltkrieg. Denn einer der schlimmsten Kriegsschauplätze waren die Felder von Flandern. Ihre Mohnblumen wurden das Symbol für die Gefallenen, allgegenwärtig in den Souvenirläden der Region und bei den britischen Besuchern, die hier in Scharen einfallen.

"Wir sind ein emotionales Reiseziel. Für uns wird das nicht solche Folgen haben wie für Paris oder Brüssel. Denn die Leute, die hierher kommen, sehen das nicht nur als Wochenendausflug. Sie haben einen gewichtigen Grund. Für uns ist der Wert des Pfundes zum Euro wichtig, weniger der Brexit selbst."

Peter Slosse, Tourismusbüro Ypern

Aber der Brexit könnte das Pfund schwächen. Noch leisten sich die Briten hier das Eis und die Reise nach Ypern sowieso, ins Zentrum der einstigen Schlachtfelder. Aber wie lange noch? Gerade hier hofft man, dass der Brexit nicht zur Schlammschlacht wird.


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