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BR-München 50 Jahre gelebte Integration

Oma Halen und ihre Familie in Kempten: drei Generationen. Die Kinder Melek, Betullah und Abdullah sind hier geboren, Vater Hayan und Mutter Dilek kamen als Kleinkinder.

Von: Astrid Uhr

Stand: 26.04.2015 | Archiv

Die Familie Akbulut | Bild: BR

Oma Halen kam 1972 nach Deutschland. Sie reiste ihrem Mann hinterer, der als Gastarbeiter auf dem Bau sein Geld verdiente.

"Sechs Kind, ich bin kochen und dann Arbeit, mein Mann aber Hilfe, zusammen."

Halen Akbulut

Für die Großeltern war die Reise von der Türkei ins Allgäu ein großes Abenteuer. Mitte der 60er Jahre kamen die ersten türkischen Gastarbeiter nach Kempten: Sie wohnten in billigsten Unterkünften und wollten einfach nur Geld verdienen. Bald kamen Frau und Kinder nach. Kempten wurde zur neuen Heimat.

Siegfried Oberdörfer

Das Wirtschaftswunder hatte sie nach Deutschland gebracht: In Kempten waren es besonders die Fabriken, hier die Spinnerei und Weberei, die nach Arbeitskräften riefen. Aber ob Türken, Italiener oder Jugoslawen: Kaum einer lernte die deutsche Sprache, und so blieb man unter sich, auch in der Freizeit.

"Die haben sich dann in ihrer freien Zeit am Sonntag am Bahnhof getroffen. Das war ein Aufenthaltsraum für sie. Und Integration war natürlich gar kein Thema. Niemand hatte da Anstrengungen gemacht, denen Deutsch beizubringen. Und umgekehrt, auch von der türkischen Seite, gab es auch zunächst keine großen Anstrengungen."

Siegfried Oberdörfer, Integrationsbeauftragter Stadt Kempten

Die Kinder der Familie Akbulut kennen die Türkei nur noch aus dem Urlaub. Sie schwärmen für den türkischen Fußballverein Trabzonspor genauso wie für den FC Bayern München.

Obwohl ihre Familie islamisch ist, besucht die fünfjährige Melek St. Josef, den katholischen Kindergarten. Während ihre Oma kaum Deutsch spricht, ihr Vater mit türkischem Akzent, ist Melek zweisprachig; ihr Deutsch ist perfekt.

"Du hast doch erzählt, dass dein Hase noch einen Freund bekommt, gell?"

Eine Erzieherin

"Ja, ich hab doch einen gebastelt."

Melek

"Über die Jahre hat sich das festgestellt, dass es so eine zweite Heimat für uns wird. Und es ist klar: Die Denkweise hat sich geändert, so dass man wirklich von einer erfolgreichen Integration reden kann."

Hayan Akbulut, Finanzberater

Hayan Akbulut ist selbständiger Finanzberater und Immobilienmakler. Er engagiert sich für die Interessen seiner Landsleute beim Dachverband Türkischer Vereine in Kempten.

So gründeten auch die Türken ihre Vereine: 1973 Türksport Kempten. Inzwischen sind es schon sechs Vereine in der Stadt.

Schon längst wohnen die türkischen Familien genau so wie die deutschen. Sie haben qualifizierte Berufe, ihre Kinder besuchen höhere Schulen. Und es ist ganz normal, dass Deutsche und Türken miteinander reden.

Thomas Kiechle

Termin im Rathaus: Der FC Türksport braucht neue Umkleiden, hat aber kein Geld für einen Neubau. Jetzt hofft er auf die Stadt – zum Unwillen mancher Kemptner: In Leserbriefen wurde gefordert, lieber das Tierheim zu fördern anstatt den türkischen Verein.

"Es leben hier 120 Nationen miteinander, deshalb hat sich auch die Stadtpolitik schon vor vielen Jahren mit all ihren Gremien mit der Frage einer gelungenen Integration beschäftigt. Darauf baue ich auf. Das geht immer nur in einer ganz guten Kommunikation mit allen Beteiligten."

Thomas Kiechle, Oberbürgermeister Stadt Kempten

Große Erleichterung! Die Stadt übernimmt den Bau der Betriebsstätten des FC Türksport finanziell komplett.

Bis 1992 wurden in Kempten die Gastarbeiterkinder in eigenen Klassen unterrichtet, die Lehrer aus der Türkei eingeflogen. Die Zuwanderer von heute werden von Anfang an in Deutsch unterrichtet.

"Ich habe gestern die Wohnung geputzt…"

Eine Schülerin

"Ich denke, und meine Erfahrung ist auch so, dass diese jungen Menschen aus aller Welt sich zunächst einmal angenommen fühlen müssen. Sie müssen wissen, dass sie willkommen sind. Und dann sind sie bereit und auch fähig, die deutsche Sprache zu lernen."

Gaby Heilinger, Haus International, Kempten

"Ich will weiter studieren und lernen…"

Ein Schüler

Die Schüler aus den aktuellen Krisengebieten der Welt, aus der Ukraine, aus Syrien, aus dem Senegal, sind sehr ehrgeizig: Denn sie wissen, Integration fängt mit der Sprache an.


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