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Rai-Triest Das älteste Ghetto der Welt

1516 bis 2016, ein halbes Jahrtausend ist seit der Gründung des weltweit ersten Ghettos in Venedig vergangen. Es war ein Stadtteil, in dem die jüdische Bevölkerung Venedigs zwar eingeschlossen war, aber dennoch relative Freiheit genoss.

Von: Luigi Zannini

Stand: 13.11.2016 | Archiv

Venedig | Bild: BR

Riccardo Calimani

Am Anfang des 16. Jahrhunderts schlossen sich Spanien, Österreich, Frankreich und der Vatikanstaat in der sogenannten Liga von Cambrai zusammen, um die Republik Venedig anzugreifen. In der Folge flohen alle im Veneto lebenden Juden zum Schutz vor den Angreifern in die Lagunenstadt. Die Serenissima hielt den Angriffen stand, und um wieder die Gunst des Papstes zu erringen, ließ der Doge das erste Ghetto der Geschichte einrichten. Was bedeutete das für die Juden, die nach Venedig geflohen waren?

"Negativ war, dass sie während der Nacht im Ghetto eingeschlossen waren und dass man ihnen viele Rechte entzog. Langfristig positiv war jedoch, dass sich langsam ein Staat im Staate entwickelte mit eigener Rechtsprechung und ziemlichen Freiheiten."

Riccardo Calimani, Schriftsteller

Mit der Zeit nahm das Ghetto eigene Form an mit den hohen Häusern und den Synagogen.

"Es brauchte fast hundert Jahre bis das Ghetto seine eigene Physiognomie bekam. Als erste kamen 1516 die Geldverleiher der sogenannten 'Nation Todesca', 1541 dann die Levatiner, die 1492 aus Spanien vertrieben worden waren. Es waren Kaufleute, die das Aufenthaltsrecht in Venedig bekamen. Und dann kamen die 'Ponentini', Juden, die in Spanien zum Christentum konvertiert waren und in Venedig zu ihrer jüdischen Identität zurückkehrten."

Riccardo Calimani, Schriftsteller

Im Museum

Der Zustrom dauerte während des ganzen 16. Jahrhunderts an; schließlich bildeten Levantiner, Ponentini und Todesca das Ghetto von Venedig. Drei Nationen mit verschiedenen Sprachen, unterschiedlichen Traditionen und unterschiedlicher Mentalität wurden zu einer Gemeinschaft, die gerade durch die Unterschiede besonders befruchtend war.

Synagoge

Es war der Beginn eines großen Abenteuers, das drei Jahrhunderte dauerte. Es schloss mit der Ankunft Napoleons, der den Bewohnern des Ghettos als Befreier erschien. Aber Napoleon wollte alle nur für seine Ziele instrumentalisieren, die Herrschaft über Europa zu erreichen.

"Heute, fünf Jahrhunderte nach der Gründung des Ghettos, gibt es eine große Verwirrung, wenn man über eine Feier spricht. Das ist falsch, es gibt nichts zu feiern, die Ghettos waren negativ, mit Gewalt erzwungen, vor allem in Rom. Das Ghetto von Venedig hat jedoch auch positive Aspekte, denn die Juden sind seit fünf Jahrhunderten in ihrer Stadt und wurden nie von hier vertrieben."

Riccardo Calimani, Schriftsteller


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