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Richard Wagner Der Opern-Gigant

Der Komponist Richard Wagner hat viele unterschiedliche "Gesichter": Er war genialer Künstler, unfähiger Geschäftsmann, Charmeur und Schlitzohr. Sein Leben und seine Werke faszinieren bis heute.

Von: Sylvia Schreiber

Stand: 26.08.2020 | Archiv

Aufmerksam sitzt der kleine Richard auf dem Schoß des Stiefvaters und lauscht seinem Lieblingsmärchen über das Wassermädchen Undine. Mit seinen wasserblauen Augen blickt er dabei in die Ferne, als könne er dort das Schicksal der Undine verfolgen. Diese Undine, aber auch Erdgötter, glitschige Flussbewohner, wabbelige Meerestiere, Geisterwesen, kauzige Trolle, Riesen und natürlich Zauberer sind die bevorzugten Freunde des jungen Richard Wagner. Gemeinsam mit ihnen durchsteht er in seiner Fantasie aufregende Abenteuer, die er in der Wirklichkeit nie erleben könnteHalt! Einen Ort gibt es, wo all diese geheimnisvollen Gestalten zum Leben erweckt werden, wo die Welt geradezu zauberhaft ist: die Theaterbühne! Und die liebt Richard. Das ist seine Welt, seine Weltbühne! 

Ein Leben für die Bühne?!

Gerne mit Hut: Richard Wagner mit Samtbarrett auf dem Kopf.

Weil sein Stiefvater von Beruf Schauspieler ist, hat der Junge das Glück, ganz viele Theatervorstellungen besuchen zu können. Ob Richard auch Schauspieler werden will? Eher nicht. Er schreibt lieber schon mal ein paar Theaterstücke für die Schule und er möchte Musik komponieren. Ganz schön mutig, denn als Wunderkind auf der Geige oder dem Klavier hat er sich bislang nicht gerade hervorgetan. Auch in der Schule bringt er nur lausige Leistungen, so dass er dauernd Klassen wiederholen muss. Aber Wagner liest gerne, ja er verschlingt wahllos Bücher wie ein Verhungernder. Ohne Schulabschluss darf er Musik studieren. Wagner stellt sich geschickt an, so dass er bald als Kapellmeister arbeitet. Nebenbei komponiert er allerlei Kleinigkeiten, so auch seine erste Oper "Das Liebesverbot". 

Zwischen Aufruhr und Exil

Als plötzlich politische Unruhen im Land entstehen und sich die Bevölkerung gegen ihre Herrscher auflehnt, wittert der junge Mann Richard Wagner das längst ersehnte echte Abenteuer und steckt mittendrin in den Krawallen. Dieses Mal kommt er ungeschoren davon, aber ein paar Jahre später sitzt er ganz schön in der Patsche, weil er wilde, aufrührerische Texte verliest. Das ist absolut verboten und so muss er Hals über Kopf fliehen. Die Polizei jagt ihn nämlich und überall hängen Steckbriefe, auf denen Wagner gesucht wird - gerade so, als wäre er ein gefährlicher Bankräuber!

Ein großer Schatz von Opern

Lebensdaten:

Richard Wagner kam am 22. Mai 1813 in Leipzig auf die Welt. Er starb am 13. Februar 1883 in Venedig. Sein einbalsamierter Leichnam wurde nach Bayreuth überführt und im Garten seiner Villa Wahnfried beerdigt.

Acht Jahre lang lebt Richard Wagner nun in der Schweiz im Exil. Deutschland darf er nicht einmal besuchen. Das ist übrigens nicht das erste Mal, dass Wagner fliehen musste. Als er in Riga am Theater arbeitete, hatte er ziemlich viele Schulden gemacht, die er dummerweise nicht zurückzahlen konnte. Also entschloss sich Wagner dazu, abzuhauen. Mit dem Schiff, seiner Frau und einem riesigen Neufundländer-Hund. Die Strafe fürs Zeche prellen schickte ihm prompt der Himmel in Form eines Donnerwetters: Grün im Gesicht durchlitt Wagner eine haarsträubende Schifffahrt. Er holte sich dabei zwar einen Schnupfen, aber gleichzeitig auch die Idee für seine Oper "Der fliegende Holländer". Darin tost ebenfalls ein fürchterliches Unwetter ...

Überhaupt läuft es mit den Opern ziemlich gut für Wagner: Mit "Rienzi", einer Oper in der es um einen mutigen, aber einsamen Kämpfer geht, wird er über Nacht zum Star! Vor allem bei den Chören jubelt das Publikum! Und dann dieser "Fliegende Holländer". Hier zeigt Wagner nicht nur, dass er ein großartiger Unwetterkomponist ist. Sondern er versieht die Geschichte um den geisterhaften Seemann, den Holländer, mit Tönen, dass man eine Gänsehaut bekommt. 

Als nächste Oper schreibt er den "Tannhäuser". Die Idee dafür bekam Wagner, als er auf die Wartburg hinaufmarschierte und dort auch übernachtete. Ein bisschen Muffensausen hatte er schon. Allein diese ganzen Stimmen in der Nacht ... Also hüpfte er als Gespenst verkleidet um die Burg und verscheucht so seine Angst. Eines muss man sich bei Wagner unbedingt merken: Die Geschichten in seinen Opern sind immer ziemlich kompliziert. Denn er vermischt verschiedene Sagen, Märchen, Legenden, Mythen und literarische Texte munter miteinander. 

Der absolute Gipfel dieser Mixtur ist Wagners gigantische Oper "Der Ring des Nibelungen". Würde man dieses Werk, das aus vier Einzelteilen besteht, auf einmal zeigen, so säße man fast 16 Stunden am Stück im Theater. Darum wird die Oper auch immer an vier Abenden gezeigt. 

Ein Zuhause für seine Opernfiguren

Das Festspielhaus in Bayreuth.

Im "Ring des Nibelungen" feiern alle Helden aus Wagners Kindheit ein großes Wiedersehen. Da gibt es einen boshaften Zwerg, der sich mit goldgierigen Riesen anlegt, verschiedenste Götter funken dazwischen, ein furchtloser Kämpfer umwirbt eine mutige Soldatin, die wiederum hat ein magisches Pferd. Mit dem "Ring des Nibelungen" erfindet Wagner für seine Lieblingsfiguren aber nicht nur auf der Bühne ein Zuhause, sondern er lässt gleich noch ein echtes Zuhause erbauen! Ein riesiges Theater, nur für seine Opernhelden und seine Musik. Dieses Festspielhaus steht bis heute in Bayreuth auf einem Hügel, so dass man es schon von Weitem erblicken kann.

Freundschaft mit dem Märchenkönig

Die besondere Freundschaft zwischen Ludwig II. und Richard Wagner wurde auch schon verfilmt.

So ein Gebäude kostet natürlich eine Menge Geld, das Wagner nicht hat. Aber im Geld ausleihen ist Wagner ja schon lange ein Profi. Geschickt wendet er sich an die höchste Stelle im Land, an den König. Und weil dieser König Ludwig II. zufällig genauso ein Märchenliebhaber ist wie Richard Wagner, genau so ein Verrückter, der sich liebend gerne Geschichten ausdenkt und eine Schwäche für prächtige Bauten hat, hilft ihm der König mit 100.000 Talern.

Im Städtchen Bayreuth findet auch Wagner eine Heimat. In der Villa Wahnfried lebt er mit seiner Frau Cosima, fünf Kindern und Hunden. Zum ersten Mal hat Richard Wagner nun ein eigenes Haus, einen Ort, wo er in aller Ruhe arbeiten kann. Neun Jahre bleiben ihm noch: Seine letzte Oper "Parsifal", wieder ein sehr langes Stück, erzählt von einem weisen Narren und von Erlösung. Richard Wagner stirbt in Venedig am 13. Februar 1883.


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