Mein Leben mit Rami // Teil 5 Wenn Flüge buchen zur Geduldsprobe wird

Eine Rakete ist in Ramis Nachbarhaus in Syrien eingeschlagen. Das Gebäude ist zerstört, die Nachbarn sind tot. Ramis Familie muss unbedingt raus aus Aleppo. Geld für Flugtickets ist da, sie zu buchen ist aber nicht so einfach.

Von: Diane Hielscher

Stand: 14.12.2015 | Archiv

Diane und Rami | Bild: Moritz H'lawatscheck

Ich verschicke täglich Fotos von meinen Kinder, wenn sie etwas Lustiges machen, von meinem Kaffee, wenn meine beste Freundin fragt, was ich grad mache oder von lustigen Bildern, um Menschen zum Lachen zu bringen. Rami schickt mir Fotos von einer kaputten Fensterscheibe. Sie ist in seinem Haus in Aleppo. Eine Rakete ist ins Nachbarhaus eingeschlagen, das Gebäude ist komplett zerstört, seine Nachbarn sind tot. Ich habe Angst.

"Es ist genug, ich muss meine Familie da raus holen. Bis jetzt sind die Kinder noch in die Schule gegangen. Meine Familie hat in unserem Haus gewohnt, dort sind unsere Freunde und unsere Verwandte, aber jetzt müssen sie da raus. Sie können nach Ankara, dort hat meine Frau Cousins, dort können sie für eine Weile unterkommen."

Rami

Rami fragt mich, ob ich ihm helfen kann, seine Frau und Familie aus Aleppo zu holen. Natürlich kann ich. Rami wohnt seit vier Wochen bei uns und aus dem Flüchtling ist ein Freund geworden. Am nächsten Tag sitzen wir im Arbeitszimmer und wollen Flüge für Hadeel, die beiden Kinder und Ramis Mutter buchen. Ich gebe ein: Beirut – Ankara, vier Personen. Von Aleppo nach Beirut müssen sie vorher 15 Stunden mit dem Auto fahren.

Diane und Rami | Bild: Moritz H'lawatscheck zum Artikel Mitbewohner aus Syrien Mein Leben mit Rami

PULS Moderatorin Diane Hielscher hat einen neuen Mitbewohner: Rami, 38, aus Syrien. Hier stellen beide sich vor und erzählen, wie Rami in Dianes Wohnung gelandet ist. [mehr]

Rami hat 550 Euro in bar in der Tasche, die er sich von seinem Cousin geliehen hat. Ich buche die Flüge mit meiner Kreditkarte, er gibt mir dann das Geld, so der Plan. Wenn ich sonst Flüge buche, geht es darum, einen schönen Urlaub zu haben, unser letzter Flug ging nach Sardinien. Jetzt ist es anders, jetzt bin ich aufgeregt. Der IS hat eine Offensive in den nächsten Wochen angekündigt, es geht also um Leben und Tod.

Rami diktiert mir die Namen, damit alles richtig geschrieben ist. "National ID Number" steht da. Ich tippe die gewünschte Zahl ein. Es geht nicht. "Not valid", sagt die Homepage. Ich versuche alle Zahlenketten, die auf dem Foto von Hadeels Ausweis zu finden sind, nichts geht. Ich werde nervös. Wir fragen meinen Freund. Er flucht. Es geht einfach nicht. Ich werde panisch, was, wenn es für sie keinen Weg da raus gibt?  Irgendwann kommen wir doch weiter, dann sagt die Homepage der Fluglinie: Der Flug wird nur gewährt, wenn der Besitzer der Kreditkarte mit dem Fluggast übereinstimmt. Ich bringe zwischendurch den großen Sohn ins Bett, lese mit rauschendem Blut in den Ohren eine Geschichte vor. Ich verstehe nicht, was ich lese, vor Sorge.

"Das ist absolut absurd! Keine Airline macht sowas! Hauptsache, sie bekommen den Flug bezahlt, ob der Besitzer der Kreditkarte und der Fluggast übereinstimmen, ist doch egal! Ein Freund von mir hat erzählt, dass er genau diesen Flug von Dubai aus gebucht hat, da ging es. Ein anderer hat gesagt, dass er diesen Hinweis ignoriert hat und seine Familie wurde weggeschickt. Sie durften nicht fliegen!"

Rami

Mein Freund sitzt mit seinem Arbeitslaptop auf dem Boden und checkt Verbindungen mit Booten von Libanon aus. Ich versuche gleichzeitig mein Glück bei anderen Fluglinien, die teurer sind. Eine Bootsfahrt kostet 600 Euro pro Person, das ist keine Option. Ich finde einen anderen Flug, 200 Euro über Ramis Budget. Egal. Ich zahle. Ich bin erleichtert, dass es geklappt hat und wir feiern mit belgischer Schokolade. Ich will, dass diese Familie aus dem Krieg rauskommt, weg von den Raketen, ich will nicht, dass sie sterben. Rami ist unser Freund.