Mein Leben mit Rami // Teil 4 Da sind sie, die Anwohnerbeschwerden

Rami ist vor dem Krieg geflohen, von Syrien nach Deutschland. Jetzt wohnt er bei PULS Moderatorin Diane Hielscher. Die Nachbarn sind davon nicht begeistert. Und Diane schäumt vor Wut.

Von: Diane Hielscher

Stand: 04.12.2015 | Archiv

Diane und Rami | Bild: Moritz H'lawatscheck

Rami und ich frühstücken. Und weil wir allein sind, essen wir das, was Rami normalerweise am Morgen isst: Rührei, arabisches Brot, Tomaten und Feta. Rami hat außerdem noch Oliven. Unser Tisch ist voll. Dann zeigt Rami mir Fotos von den Einkäufen, die seine Frau Hadeel in Aleppo gemacht hat. Brot, Joghurt, Milch, ein paar Eier. Das sieht nicht nach sehr viel aus für Hadeel, die beiden Kinder und Ramis Mutter. Lebensmittel kosten im Moment das Dreifache wie sonst in Aleppo, erzählt mir Rami.

"Für uns ist es ein Vermögen. Der IS hat die wichtigste Straße nach Aleppo gesperrt. Das passiert manchmal, dann kommen nur wenige Lebensmitteltransporter in die Stadt. Es gibt kaum frisches Gemüse, kein Obst. Ich habe meiner Frau gesagt, sie soll zu ihrem Verwandten gehen, der ein Lebensmittelgeschäft hat, und alles kaufen, was sie kriegen kann. Wer weiß, wann die Straße wieder freigegeben wird. Der IS will Aleppo aushungern, die Terroristen sagen: Fragt doch Assad nach Lebensmitteln, wenn ihr welche braucht."

Rami

Diane und Rami | Bild: Moritz H'lawatscheck zum Artikel Mitbewohner aus Syrien Mein Leben mit Rami

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Später beim Einkaufen klingelt mein Telefon. Es ist ein Mitarbeiter unserer Wohnungs- genossenschaft: "Mehrere Mieter in Ihrem Haus haben mir gesagt, da wohne jemand bei Ihnen. Er spreche nicht mal Deutsch." Der Tonfall klingt entrüstet, als hätte er gesagt: "Er trage einen Sprengstoffgürtel." "Ja, und?", antworte ich. "Es ist doch nicht verboten, einen Gast zu haben." "Nein...äh...", sagt der Mann von der Genossenschaft. "Aber ich muss dem ja nachgehen. Es hieß, der Mann habe Schlüssel zum Hof und zu den Kellern." Jetzt werde ich langsam ärgerlich: "Das ist unser Gast, der hat natürlich Schlüssel." "Ja, also nach drei Monaten müssten Sie den aber anmelden."

Ich schäume vor Wut. Als meine Mutter für einen Monat in unserem Arbeitszimmer gewohnt hat, hat niemand die Genossenschaft angerufen - sie spricht deutsch und ist hellhäutig. Ich habe Verständnis für Neugier, ich bin auch neugierig, aber darum ging es nicht. Es ging darum, den dunkelhäutigen Gast bei der Genossenschaft zu melden. Rami ist irritiert.

"Ich verstehe das nicht. Wenn ich laut gewesen wäre, Dreck machen würde, etwas kaputt machen würde, dann würde ich mich auch beschweren. Aber das habe ich ja alles nicht getan. Einmal hat mich der ältere Herr mit den Hunden angesprochen, ich konnte nicht antworten, weil mein Deutsch nicht gut genug ist. Er kann offenbar kein Englisch."

Rami

Wir sind mittlerweile wie eine WG. Jeder kommt und geht, wann er will und manchmal essen wir zusammen oder machen einen Ausflug. Eines Abends bringt Rami ein Fahrrad mit nach Hause.

"Ich war bei diesem Portal angemeldet, wo sie Fahrräder für Flüchtlinge sammeln. Jetzt kann ich mich viel besser in der Stadt bewegen, das ist sehr praktisch. Ich hatte das Fahrrad erst mal in den Hausflur gestellt, damit es niemand klaut."

Rami

"Nein!" Meine Stimme klingt, glaube ich etwas schrill. "Auf keinen Fall in den Hausflur! Wir dürfen nicht mal Kinderwagen da abstellen, der Herr mit den Hunden hat Angst, dass die brennen. Deswegen hatten wir schon Streit mit ihm." Rami geht sofort runter, um das Rad etwas weiter weg an einen Baum zu schließen. "Man kann nicht jedes Risiko im Leben ausschließen", sagt er beim Abendbrot. Ich denke daran, dass Hadeel zu wenig Lebensmittel für die Kinder hat.