Mein Leben mit Rami // Teil 8 Was macht ein Flüchtling den ganzen Tag?

Rami ist vor dem Krieg geflohen, von Syrien nach Deutschland – und jetzt wohnt er bei Bayern 3 PULS Moderatorin Diane Hielscher. Diane wird seitdem oft gefragt: Was macht ein Flüchtling eigentlich so den ganzen Tag?

Von: Diane Hielscher

Stand: 04.01.2016 | Archiv

Diane und Rami | Bild: Moritz H'lawatscheck

"Was macht ein Flüchtling eigentlich so den ganzen Tag?", fragen mich Freunde immer wieder, seit Rami bei uns wohnt. Zunächst einmal ausschlafen. Wenn ich die Kinder in die Kita gebracht habe, schon ein bisschen am Computer sitze und die vierte Tasse Kaffee trinke, steht Rami auf und macht Frühstück. Beziehungsweise Mittag für mich. Dann plaudern wir beim Essen und er erzählt mir von seinen Tagesplänen.

"Ich muss zum Lageso gehen, ich muss meine Unterlagen zum Jobcenter bringen, ich muss eine Wohnung finden. Ich muss all die Dinge finden, die man braucht, um ein neues Leben aufzubauen. Mein Leben ist voller Termine -  lauter neue Leute und neue Sachen, die hier wichtig sind zum Leben."

Rami

Bei einem Termin waren wir zusammen: Bei einem arabischsprachigen Anwalt, einem Ur-Berliner. Es ging darum, wie wir Ramis Mutter nach Deutschland  holen können. Ausgerechnet an diesem Tag machte mein großer Sohn schlapp: Husten, keine Kita. Er musste mit, es ging nicht anders. Er hatte sich schon auf die App der "Sendung mit der Maus" gefreut. Dafür durfte er das Ipad mitnehmen. Der Anwalt wollte allerdings das WLAN-Passwort nicht rausrücken - aus Sicherheitsgründen. Der Spaß war also vorbei, bevor er begonnen hatte. Und ich hatte ein quengeliges, gelangweiltes, hustendes Kind an meiner Seite und einen Mann, der sich um das Leben seiner Mutter sorgt.

Zwei Stunden besprachen wir Möglichkeiten, googelten Gesetzestexte, gingen durch, wer welche Papiere in welchem Bundesland braucht, damit die 65-Jährige zu ihrem Sohn nach Deutschland darf. Mein Sohn hatte sich derweil seinen Schal übers Gesicht gezogen und war auf dem Teppich eingeschlafen.

Abends ist Rami meistens zu Hause, surft im Netz und raucht Shisha. Aber manchmal steht er auch abends noch mit seiner Jacke im Flur und verabschiedet sich, weil er eine Verabredung hat.

"Eine Japanerin hatte mich bei Facebook geadded, die habe ich dann besucht. Sie hat ein Kunstprojekt über Flüchtlinge gemacht und mich dafür fotografiert. Es ging darum, wie Flüchtlinge auch Spaß haben können. Das hat mir Spaß gemacht! Dann bin ich manchmal auch noch bei einer deutschen Familie zum Abendessen eingeladen, die sind sehr nett. Sie haben mir sogar  ein Weihnachtsgeschenk gemacht, einen Laptop."

Rami

Das Wichtigste, was Rami abends macht, ist allerdings mit seiner Familie in Ankara zu kommunizieren, per WhatsApp zum Beispiel. "Mir wird der Klingelton von Ramis Telefon fehlen, wenn er auszieht", hat mein Freund einmal gesagt. Seitdem Rami einen eigenen, schnellen Computer hat, kann er nach acht Monaten auch endlich seine Söhne wiedersehen – per Skype. 

Ramis kleiner Sohn wollte neulich seine Nudeln nicht essen, weil die Mutter Salz dran gemacht hat. Er hasst Salz. Rami lächelt traurig, als er mir das erzählt. Er vermisst diese kleinen Momente im Zusammenleben mit seiner Familie. Aber jetzt kann er sie wenigsten ab und zu mal auf dem Bildschirm sehen.