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WM 2022 in Katar Katars Fußball-Nationalspieler: Bürger zweiter Klasse?

Bei der Klub-WM steht erstmals das neue Fußball-Land Katar im Fokus, wo Ende des kommenden Jahres die WM stattfinden wird. Der Gastgeber scheint mit seinem Team gut gerüstet. Doch sind die Spieler überhaupt richtige Staatsbürger des Wüstenstaates?

Von: Sebastian Krause, Moritz Weiberg

Stand: 10.02.2021

Als die katarischen Handballer bei der Weltmeisterschaft 2015 im eigenen Land sensationell Silber holten, war das Team mehr eine rekrutierte Legionärstruppe als Nationalmannschaft, mehrere Top-Spieler aus Europa wurden zuvor kurzerhand eingebürgert. Macht es Katar im Fußball genauso? Nein, sagt Danyel Reiche von der Georgetown University in Katar, ein Experte für sportliche Belange des Landes.

"Von den 23 Spielern im Kader der Asienmeisterschaft waren nur drei, die erst als Erwachsene nach Katar kamen, um dort Fußball zu spielen. Alle anderen haben ihr gesamtes Leben in Katar verbracht. Das sind fast alles Spieler, die die arabische Sprache sprechen, die die Mehrheitsreligion haben, die mit der Kultur fest verwurzelt sind und für die Katar ihre Heimat ist."

Danyel Reiche, Experte für Sport in Katar

Katars Fußball-Nationalmannschaft ist also keine Legionärstruppe, dafür ein Team der Gastarbeiter- und Einwanderer-Kinder. Einige wurden schon in Katar geboren, andere sind mit ihren Eltern vor Jahren nach Katar gekommen, wie der Stürmer-Star Almoez Ali, der aus dem Sudan stammt. Mit ihm gewann Katar 2019 überraschend den Asien-Cup.

Zweifel an "voller" Staatsbürgerschaft

Die "volle" katarische Staatsbürgerschaft haben aber wohl die meisten Spieler nicht. Insofern könnte man sie als "Bürger zweiter Klasse" bezeichnen, denn sie genießen als Einwandererkinder nicht die Privilegien, die ein katarischer Staatsbürger hat. "Wer die katarische Staatsbürgerschaft hat, der muss sich langfristig nicht die ganz großen Sorgen im Leben machen", erklärt Reiche. Das heißt zum Beispiel Zugang zu kostenloser Krankenversorgung. Die "volle" Staatsbürgerschaft wird in Katar nur wenigen gewährt, etwa 10 Prozent der Einwohner haben sie. Die anderen 90 Prozent gelten als Ausländer. Und dazu zählen eben auch die Fußball-Spieler, deren Eltern eingewandert sind und die eigentlich keine echte Perspektive im Land haben. Solche Sportler bekommen nur einen sogenannten "Mission Passport". Was das bedeutet, erklärt Reiche wie folgt:

"Katar, wie auch einige andere Golfländer, nutzt da eine Lücke im internationalen System, in dem es teilweise Athleten in internationale Wettbewerbe schickt, die nur einen sogenannten 'Mission-Passport' haben. Das heißt, das ist eigentlich ein Ausweis, der nur verwendet wird, um an diesen internationalen Wettbewerben teilzunehmen."

Danyel Reiche, Experte für Sport in Katar

Ein Team mit Zweiklassen-Unterschied

Auch die deutsche Fußball-Trainerin Monika Staab hat das beobachtet, als sie 2013/14 das katarische Frauen-Nationalteam trainiert hat. "50 Prozent waren Voll-Kataris, und die anderen waren 'Gastarbeiter-Kinder', wie sie genannt werden", erläutert sie. "Da gibt es einen Zweiklassen-Unterschied."

Manche Quellen behaupten, Sportlern würde als Belohnung die volle Staatsbürgerschaft in Aussicht gestellt, wie 2015 nach dem Gewinn der Silbermedaille bei der Handball-WM. "Aber es gibt relativ wenig Transparenz zu dem Thema Einbürgerung und den unterschiedlichen Formen von Staatsangehörigkeiten, die in der Tat existieren", sagt Reiche.

FIFA in der Pflicht

Der katarische Fußball-Verband wollte sich auf mehrmalige Anfrage der ARD-Radio-Recherche Sport nicht zu diesem Thema äußern. Auch der Weltfußball-Verband FIFA reagierte nicht. Dabei wäre die FIFA in der Pflicht meint Experte Reiche: "Die Verbände sind gefragt, einheitliche Regeln zu machen, die dann weltweit gelten." Der erste Sportverband, der vorgemacht hat, wie es gehen könnte, ist der Welt-Leichtathletik Verband, der vor zwei Jahren festgelegt hat, dass nur Sportler mit einer vollen Staatsbürgerschaft ihr Land im internationalen Sport repräsentieren können. Vor der Fußball-WM 2022 im Wüstenstaat rückt damit neben den Menschenrechtsverletzungen auf den WM-Baustellen ein weiteres Thema in den Fokus: die Rechte der Sportler in Katar.


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