An einem Zugang zu einer Arztpraxis in Hamburg hängt ein Schild mit der Aufschrift "Stop Corona-Virus - Bitte vor dem Eintreten beachten"
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Bei einer Ansteckung mit einem ansteckenden Erreger kann es sinnvoll sein, den "Patienten Null" zu bestimmen, der erste, der sich angesteckt hat.

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Was die Suche nach "Patient Null" bringt

Ob in China, in Norditalien oder in Bayern - sobald ein Mensch am Coronavirus erkrankt ist, geht die Suche nach dem "Patient Null" los. Das ist die Person, von der das Virus ursprünglich kam. So kann man Erkrankungsketten nachvollziehen.

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

"Patient Null" - das klingt wie aus einem Hollywood-Film, doch eigentlich ist dieser Begriff für Gesundheitsforscher Alltag. Kurz gesagt, steht er für nichts weiter, als für den ersten Patienten in einem Krankheitsgeschehen, bei dem sich andere angesteckt haben.

Vor allem bei sehr ansteckenden, gefährlichen oder neuartigen Krankheiten kann es sinnvoll sein, diesen allerersten Patienten zu bestimmen. Denn dann weiß man auch, wo er sich aufgehalten hat - und möglicherweise andere Menschen angesteckt hat. Auch bei den derzeitigen Coronavirus-Erkrankungen wird das versucht.

"Patient Null" hilft beim Eindämmen einer Krankheit

Möglich ist das aber nur, wenn eine Krankheit sich noch nicht flächendeckend ausgebreitet hat.

"Wir haben zwar jetzt die ersten Fälle in Deutschland, können sie aber in den allermeisten Fällen zurückverfolgen auf andere Ausbrüche. Also es gibt Übertragungswege aus Norditalien nach Deutschland. Auch die Rückkehrer oder die Verbindungen nach China sind ganz klar belegt." Professor Timo Ulrichs, Epidemiologe, Akkon Hochschule, Berlin

Wenn man in diesem Stadium einer Erkrankungswelle ist, bedeutet das vor allem eines:

"Das zeigt, dass wir bisher noch keine direkte oder starke Weiterverbreitung haben von dem Virus innerhalb von Deutschland. Diese Phase wird wahrscheinlich nicht lange anhalten, dass wir das jetzt immer noch so locker mit einzelnen Eindämmungen machen können." Professor Timo Ulrichs, Epidemiologe, Akkon Hochschule, Berlin

Denn das gehört zu den wichtigsten Dingen, die die Suche nach "Patient Null" leisten kann: eine kleinräumige Ausbreitung eindämmen, weil man die Kontaktpersonen schnell ausfindig machen und auch testen, isolieren und behandeln kann. So kann auch die Geschwindigkeit, mit der sich eine Erkrankung ausbreitet, verlangsamt und das Gesundheitwesen, Krankenhäuser oder Arztpraxen, entlastet werden.

"Und genau das ist auch das Ziel unserer jetzigen Aktivitäten hier in Deutschland." Professor Timo Ulrichs, Epidemiologe, Akkon Hochschule, Berlin

Wenn man "Patient Null" nicht mehr ausfindig machen kann

Doch irgendwann geht das nicht mehr. Menschen stecken sich an, ohne, dass man herausfindet, bei wem und wann. Wenn aus einer Epidemie eine Pandemie geworden ist, ergibt das auch nur noch in wenigen Fällen wirklich Sinn. Aber manchmal lohnt sich der Aufwand trotzdem, zum Beispiel, wenn man über einen solchen Patienten noch mehr über die Krankheit herausfinden kann, wie über die Art und Weise der Übertragung.

"Patient Null" der historischen Typhus-Epidemie

Berühmtes Beispiel ist dafür die Typhus-Epidemie von 1906 in New York. "Patientin Null" war dabei die Köchin Mary Mallon. Ärzte hatten sie ausfindig gemacht, weil in mehreren reichen New Yorker Familien unerklärlicherweise Typhus ausgebrochen war. Mary Mallon hatte bei allen gearbeitet. Auch sie war an Typhus erkrankt, aber ihre Symptome waren so schwach, dass sie gar nicht wusste, dass sie erkrankt war. Ansteckend war sie trotzdem.

Kleiner Junge war "Patient Null" bei Ebola

Auch den Ursprung einer Krankheit kann man manchmal über den "Patienten Null" herausfinden. Viele Krankheiten beim Menschen sind ja ursprünglich Erreger, die beim Tier vorkommen. Beim Ebola-Ausbruch im Jahr 2013 in Westafrika zum Beispiel war ein kleiner Junge, der in einer Baumhöhle gespielt hatte, der allererste Patient. In dem Baum wohnten Fledermäuse - typische Überträger des Ebola-Virus. Das Kind und viele seiner Familienmitglieder sind an Ebola verstorben.

Stigmatisierung des "Patient Null"

Problematisch ist die Suche nach dem "Patienten Null" aber trotzdem. Denn das kann auch zu sozialer Stigmatisierung führen. Das ist zum Beispiel in den ersten Jahren der Aids-Epidemie geschehen. Lange dachte man, ein kanadischer Flugbegleiter, wäre der allererste im Westen gewesen, der sich mit dem HI-Virus angesteckt hat. Erst drei Jahrzehnte später, 2016, stellte sich heraus, dass das gar nicht stimmte, sondern ein Mann, der aus der Karibik stammte.

Übrigens: Aus der frühen Zeit der Aids-Epidemie stammt auch der Begriff "Patient Null". Denn der kanadische Flugbegleiter wurde von den Gesundheitsbehörden in Kalifornien als "Patient Nr. O57" geführt - der Großbuchstabe O stand für "outside", also außerhalb, weil er kein Kalifornier war. Mit der Zeit wurde dann aus O die Ziffer 0 - "Patient Null". Vorher hießen diese Patienten "Indexpatienten".