27.03.2024, Nordrhein-Westfalen, Wuppertal: Der Brandort in Solingen nach dem Pressestatement der Staatsanwaltschaft Wuppertal zum tödlichen Brand in Solingen. In dem Feuer waren am Montagmorgen vier Menschen ums Leben gekommen, mehrere wurden verletzt. Foto: Christoph Reichwein/dpa - ACHTUNG: Kennzeichen wurden aus rechtlichen Gründen gepixelt +++ dpa-Bildfunk +++
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Staatsanwaltschaft Wuppertal zum tödlichen Brand

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Mutmaßlicher Brandanschlag in Solingen: Was bekannt ist

Eine junge Familie ist tot, weitere Personen wurden schwer verletzt: Das Feuer in einem Solinger Mehrfamilienhaus war laut ersten Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft Brandstiftung. Hinweise auf ein fremdenfeindliches Motiv gibt es nicht – bisher.

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In dem mutmaßlich vorsätzlich in Brand gesetzten Solinger Mehrfamilienhaus mit vier Todesopfern haben laut Staatsanwaltschaft auch Menschen mit Migrationshintergrund gewohnt. "Das Haus war zweifellos auch von Migranten bewohnt", sagte ein Sprecher der Wuppertaler Staatsanwaltschaft am Donnerstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa.

Feuer vorsätzlich gelegt

Die Staatsanwaltschaft geht von vorsätzlicher Brandstiftung aus und ermittelt wegen Mordes beziehungsweise versuchten Mordes. Anhaltspunkte für ein "fremdenfeindliches Motiv" lägen bislang nicht vor, hieß es am Mittwoch. Bei der getöteten Familie – junge Eltern, ein etwa drei Jahre altes Kind und ein Säugling – geht die Ermittlungsbehörde von bulgarischer Nationalität aus. Eine Identifizierung stand noch aus. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft ergänzte am Donnerstag, nach derzeitigem Stand handele es sich bei einer schwer verletzten Familie ebenfalls um Bulgaren. Ob unter den Bewohnern womöglich weitere Nationalitäten vertreten seien, könne man noch nicht sagen.

Integrationsrat vermutet "rassistischen Hintergrund"

Der Landesintegrationsrat NRW schrieb in einer Mitteilung: "Diese Tat ist ein weiterer Rückschlag für unser friedliches Miteinander." Auch wenn die Motivlage bisher nicht geklärt sei, müsse man "rassistische Hintergründe" hinter der Tat vermuten, meinte der Vorsitzende Tayfun Keltek. "Die aktuell gesellschaftlich aufgeheizte Lage lässt mich zu diesem Ergebnis kommen", so Keltek.

Nach Angaben der Türkisch-Islamischen Union Ditib (Köln) sind bis auf eine Person alle Hausbewohner "türkischstämmige Muslime aus Bulgarien oder der Türkei". Bei der getöteten Familie handelt es sich dem Islamverband zufolge um eine "muslimische Familie mit bulgarischer Staatsbürgerschaft". Die Ditib-Gemeinde vor Ort habe bereits erste Gespräche mit den Hinterbliebenen aufgenommen.

Täter unbekannt

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft waren in dem hölzernen Treppenhaus Reste eines Brandbeschleunigers nachgewiesen worden. Die Fahndung nach dem oder den unbekannten Tätern lief am Donnerstag weiter. Ob es bereits Hinweise aus der Bevölkerung gab, blieb zunächst offen. Auch zur Frage nach dem Gesundheitszustand der Verletzten und nach der genauen Zahl der Betroffenen äußerte sich die Staatsanwaltschaft zunächst nicht. Nach bisherigen Angaben der Stadt Solingen wurden drei Schwerverletzte intensivmedizinisch betreut. Die Ermittler hatten am Mittwoch von fünf weiteren Personen berichtet, die ebenfalls Verletzungen erlitten, aber weniger schwere.

Vierköpfige Familie stirbt im Obergeschoss

Bewohner waren in der Nacht zum Dienstag in Todesangst aus dem etwa 100 Jahre alten brennenden Altbau auf die Straße gesprungen. Die vierköpfige Familie hatte im Dachgeschoss gewohnt, sie starb in den Flammen. Zur Erinnerung an die Opfer und als Zeichen der Solidarität sollte es am späten Donnerstagnachmittag (17.00 Uhr) eine Trauerkundgebung vor dem ausgebrannten Haus im Solinger Stadtteil Höhscheid geben. Die Amadeu Antonio Stiftung, die Initiativen gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus unterstützt, hatte dazu kurzfristig aufgerufen. 

Erinnerung an den Brandschlag von Solingen 1993

Das katastrophale Feuer hatte bei vielen Menschen schlimme Erinnerungen geweckt: Im Mai 1993 waren bei einem nächtlichen Brandanschlag mit rechtsextremem Hintergrund fünf türkischstämmige Frauen und Mädchen der Familie Genç in Solingen ermordet worden. Kurz nach der Tat waren vier junge rechtsradikale Solinger im Alter zwischen 16 und 23 Jahren festgenommen worden. Sie waren der rechten Szene zuzuordnen und wurden 1995 wegen Mordes verurteilt.

Der Anschlag markierte damals den schockierenden Höhepunkt einer Welle rassistischer Anschläge auf Menschen ausländischer Herkunft in Deutschland. Nach Einschätzung des Integrationsratsvorsitzenden hat sich seit der Gräueltat von 1993 die "gesellschaftliche Stimmung hinsichtlich Rassismus und Rechtsextremismus nicht wesentlich verbessert". 

Im Video: Vier Tote bei Brand in Solingen

Bei einem Feuer in einem Mehrfamilienhaus sind vier Menschen getötet worden, unter ihnen ein Kind und ein Säugling.
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Bei einem Feuer in einem Mehrfamilienhaus sind vier Menschen getötet worden, unter ihnen ein Kind und ein Säugling.

Mit Informationen von dpa.

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