Darum geht's:
- 194 Mitgliedsstaaten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) handeln derzeit ein Abkommen aus, das den Umgang mit Pandemien verbessern soll.
- Der Vertragsentwurf bekräftigt die Souveränität jener Staaten, die unterzeichnen würden.
- Dennoch streuen einige die Falschbehauptung, der geplante "Pandemievertrag" entmachte die Nationen - und die WHO könne dann über den konkreten Umgang mit Pandemien, zum Beispiel in Deutschland, bestimmen. Das ist falsch.
Um künftig besser auf potenzielle Pandemien reagieren zu können, wollen Vertreter von 194 Staaten ein Abkommen unter dem Dach der WHO entwickeln. Die Parlamente dieser Mitgliedstaaten der WHO müssten diesem Abkommen jeweils zustimmen, damit es für sie gelten kann. Der Pandemievertrag wird also nicht über Deutschland hinweg beschlossen. Sondern - erstens: Deutschlands demokratisch legitimierte Vertreter verhandeln mit - und zweitens: Die demokratisch legitimierten Abgeordneten stimmen dann darüber ab.
Der aktuellste Entwurf für diesen Pandemievertrag bekräftigt - wie auch schon frühere Entwürfe - die Souveränität jener Staaten, die unterzeichnen würden. Dazu später mehr. Unabhängige Experten für Völkerrecht sind sich einig: Ein solches völkerrechtliches Abkommen hebt nicht die Souveränität - die Unabhängigkeit - der Unterzeichner-Staaten auf.
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Derzeit bezeichnen manche diese geplante Übereinkunft - möglichst offen - als "Instrument". Denn noch steht nicht fest, ob es sich im rechtlichen Sinne um einen Vertrag handeln wird, um ein Abkommen oder ein andersartiges Instrument (Stand 28. Juni 2023, abgerufen am 26.10.2023). Der #Faktenfuchs spricht in diesem Artikel vom Pandemievertrag, weil das Dokument auch in Fachkreisen unter diesem Begriff diskutiert wird.
Falschbehauptungen über Auswirkungen des Pandemievertrags kursieren weltweit
In Deutschland und anderen Ländern verbreiten sich Falschbehauptungen über den Einfluss dieses geplanten Pandemievertrags auf die Souveränität der Unterzeichner-Staaten.
Wie verbreitet diese Gerüchte sind, zeigt eine Mitteilung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). Es schrieb Mitte September in einer Pressemitteilung, dass es eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen habe, in der es um den WHO-Pandemievertrag geht. "Die Beschwerdeführerin meint, dass die WHO aufgrund der derzeit verhandelten Regelungen legislative und exekutive Gewalt erhalten solle und hierdurch die Souveränität der Mitgliedstaaten aufgehoben werde", heißt es in der BVerfG-Mitteilung. Es seien laut Gericht mehr als 1.600 "nahezu identische Verfassungsbeschwerden anhängig" gewesen. Inzwischen (Stand 23. Oktober) seien sogar mehr als 1.700 eingegangen, wie ein BVerfG-Sprecher im Gespräch mit dem #Faktenfuchs sagte.
Die Inhalte der Verfassungsbeschwerden orientieren sich an einem im Internet frei zugänglichen Muster. Einen Aufruf, diese Verfassungsbeschwerde unter dem eigenen Namen einzureichen, und entsprechende Links zum Muster veröffentlichte etwa der Verein "Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie" (MWGFD) Vorsitzender des Vereins ist laut Webseite der emeritierte Professor Sucharit Bhakdi, der seit Beginn der Pandemie immer wieder mit unbelegten und falschen Behauptungen auffiel. Der Verein versammelt weitere prominente Corona-Verharmloser in und um sich.
Die Begründung des BVerfG für seine Ablehnung der Beschwerde fußt auf zwei Punkten - erstens: Der Vertrag sei noch nicht abgeschlossen, darüber könne das BVerfG also noch nicht entscheiden - und zweitens: Die Gründe, die die Beschwerdeführerin angegeben habe, ließen eine mögliche Verletzung von Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten inhaltlich nachvollziehbar nicht erkennen.
Eine ähnlich lautende Falschbehauptung wie in den Verfassungsbeschwerden findet sich außerdem in einer Bundestagspetition, einem offenen Brief, den mehr als eine halbe Million Menschen unterzeichneten, in einer Kleinen Frage von AfD-Politikern an den Bundestag oder im Landtagswahlprogramm 2023 der AfD Bayern.
Was steckt hinter solchen Falschbehauptungen?
Hintergrund solcher Falschbehauptungen ist, dass sich in bestimmten Gruppen gerade seit der Corona-Pandemie ein Misstrauen in Gesundheitsmaßnahmen und Institutionen zeigt. Indem auf dieses Misstrauen angespielt wird, werden demokratisch legitimierte Entscheidungen oder auch Institutionen diskreditiert oder delegitimiert. Solche Falschbehauptungen verbreiten - wie oben gezeigt - verschiedene Personen und Gruppen. "Die öffentliche Meinung wird auf diese Weise strategisch manipuliert", heißt es zum Beispiel in einem Gutachten zu Typen von Desinformation und Misinformation im Auftrag der Gremienvorsitzendenkonferenz der Landesmedienanstalten (GVK). Das Ziel bestehe darin, die etablierte Ordnung infrage zu stellen - zum Beispiel durch die Delegitimierung politischer Gegner oder durch die Unterstützung rechtspopulistischer Positionen.
Das Narrativ, dass eine weltumspannende Organisation die einzelnen Staaten entmachte, ähnelt den Behauptungen rund um die Verschwörungstheorie des "Great Reset". Dabei spielt die Vorstellung eine wichtige Rolle, dass nicht demokratisch gewählte Politiker in demokratischen Prozessen, sondern vermeintlich mächtige Eliten alle Macht ausüben. Das kann ein Versuch sein, die Demokratie zu delegitimieren. Mehr lesen Sie in diesem #Faktenfuchs.
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Warum wollen die WHO-Mitgliedsstaaten einen Pandemievertrag?
Pandemien beschränken sich nicht auf Landesgrenzen. Der geplante Vertrag mit seinen internationalen Abmachungen verfolgt das Ziel, Pandemien weltweit zu verhindern und Leben zu retten. Es sollen Regeln geschaffen werden dafür, wie die Mitgliedstaaten zusammenarbeiten. Das betrifft zum Beispiel, wie Impfstoffe verteilt werden oder der Zugang zu Know-how für geeignete Hersteller gefördert werden, insbesondere in Entwicklungsländern.
Pedro Villarreal ist Experte für Gesundheitsrecht und öffentliches ausländisches Recht am Max-Planck-Institut (MPI) für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht und bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Er beschäftigt sich mit der WHO und verfolgt die Verhandlungen zum geplanten Pandemievertrag so intensiv wie sonst wohl kein anderer Rechtswissenschaftler in Deutschland. Mehrere andere Experten, die der #Faktenfuchs fragte, verwiesen auf ihn.
Er berät Delegationen verschiedener Länder, nicht nur für Regierungsvertreter, sondern auch für NGOs und als externer Experte auch die WHO. Teil der Verhandlungen ist er nicht. In der Fachzeitschrift "SWP Aktuell" fasst Villarreal die Beweggründe für einen solchen Vertrag zusammen: Es sei wichtig, dass es Bestimmungen gebe, die eindeutig festlegen, was Staaten tun dürften und was nicht. Die Covid-19-Pandemie habe das gezeigt: Sie brach im chinesischen Wuhan aus - weit außerhalb der rechtlichen Zuständigkeit der Behörden in Deutschland oder der EU.
Villarreal nennt noch einen zweiten Grund: Rechtliche Regeln könnten im Gegensatz zu einer Kooperation, die von diplomatischen Erwägungen abhängig ist, mehr Kontinuität schaffen.
Die WHO kann rechtsverbindliche Vorschriften formulieren
Zu den Gerüchten um den WHO-Pandemievertrag gehört häufig der Vorwurf, es werde eine "globale Gesundheitsdiktatur errichtet", die die Mitgliedstaaten entmachte. Experten betrachten solche Behauptungen als haltlos. "Da wird der Eindruck erweckt, als ob jetzt finstere Mächte einer internationalen Organisation einen Vertrag ausarbeiten, der ganz losgelöst von den nationalen demokratischen Prozessen ist. Das stimmt aber nicht", sagt Helmut Aust, Rechtswissenschaftler und Experte für Öffentliches Recht und die Internationalisierung der Rechtsordnung an der Freien Universität Berlin. Die Delegierten der Staaten verhandeln. "Und nur das, was die Staaten nachher als zustimmungsfähig erachten, kann zu diesem Vertrag werden", sagt Aust.
Die Weltgesundheitsversammlung setzt sich aus den Vertretern der 194 WHO-Mitgliedstaaten zusammen, die einmal im Jahr tagen und über Resolutionen und Beschlüsse abstimmen. Sie ist das höchste Entscheidungsorgan der WHO, kann völkerrechtlich rechtsverbindliche Beschlüsse treffen. Grundlage dafür sind die Artikel 19 beziehungsweise 21 der Verfassung der WHO. "Daher liegt die endgültige Entscheidung darüber, was angenommen wird, bei den Mitgliedstaaten selbst", schreibt Villarreal.
Auch beim Pandemievertrag geht es um eine solche völkerrechtliche Übereinkunft. "Man sieht in den aktuellen Entwürfen, dass der WHO sehr wenige Befugnisse übertragen werden könnten. Und wenn, dann nur dem Hauptortan, der Weltgesundheitsversammlung - die ja eine Versammlung von Vertretern der Mitgliedstaaten ist. Deshalb bedeutet es meiner Meinung nach nicht, dass die Souveränität der Mitgliedstaaten aufgehoben wird", sagt Völkerrechtler Villarreal im Gespräch mit dem #Faktenfuchs.
Vorrang des deutschen Grundgesetzes gegenüber der WHO
Auch Helmut Aust von der Freien Universität Berlin sagt: "Nein, ein möglicher Pandemievertrag der Weltgesundheitsorganisation hebelt die nationale Souveränität genauso wenig aus wie andere völkerrechtliche Verträge." Diese Einschätzung teilen in ähnlicher Weise alle vier Juristen mit Völkerrechts-Expertise, die der #Faktenfuchs befragte.
Das deutsche Grundgesetz ermöglicht es, völkerrechtliche Verträge einzugehen. "Auch das Grundgesetz hat ein Souveränitätsverständnis, das von vornherein darauf ausgelegt ist, internationale und europäische Kooperation zu ermöglichen", sagt Aust.
Robert Uerpmann-Wittzack, ebenfalls Experte für Öffentliches Recht und Völkerrecht an der Universität Regensburg, stimmt zu: "Völkerrechtler sagen mittlerweile sehr häufig: Ein Staat ist souverän, wenn er nur noch das Völkerrecht über sich hat. Souveränität bedeutet gerade, völkerrechtlich handeln zu können und sich im Verhältnis zu anderen Staaten binden zu können." Zusammenarbeit zwischen Staaten verlange Absprachen, die auch verbindlich sind. "Ja, man könnte theoretisch sagen: 'Jeder Staat muss vollkommen autonom sein, der Staat muss jederzeit die Möglichkeit behalten, zu machen was er will.' Globale Probleme wird man damit nicht lösen können", sagt Uerpmann-Wittzack.
Deutschland stimmte bereits anderen völkerrechtlichen Abkommen zu, etwa den Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV). Auch diese wurden in deutsches Recht eingefügt. Derzeit steht wieder eine Aktualisierung an - parallel zu den Pandemievertrags-Verhandlungen.
Entwurf für Pandemievertrag bekräftigt Souveränität der Unterzeichner
Der aktuellste Entwurf vom 16. Oktober 2023 bekräftigt an drei Stellen die Souveränität der Staaten.
So heißt es darin etwa: "Die Staaten haben, im Einklang mit der UN-Charta und den Grundprinzipien des Völkerrechts das souveräne Recht, Gesetze zu erlassen und umzusetzen gemäß ihrer Gesundheitspolitik."
Stand der Verhandlungen zum WHO-Pandemievertrag
Dennoch antworteten die Experten, mit denen der #Faktenfuchs sprach, mit rechtswissenschaftlicher Vorsicht. "Inwiefern Souveränität durch einen völkerrechtlichen Vertrag beschränkt wird, hängt davon ab, was in diesem Vertrag auch tatsächlich drinsteht. Derzeit kann man das nicht abschließend beantworten", betont etwa Völkerrechtler Aust. "Aber bisher vorliegende Textentwürfe enthalten keine weitgehenden Souveränitätseinschränkungen, sondern es ist eher ein Kooperationsrahmen, in dem sich die Staaten absprechen, um bei zukünftigen Pandemien wirksamer zu reagieren." Gewisse Einschränkungen sind den Experten zufolge mit internationalen Verträgen natürlicherweise verbunden - mit jedem Vertrag gehen die Vertragspartner auch Verpflichtungen ein.
Bei der Recherche in Fachartikeln wird deutlich, dass Gesundheitsexperten kritisieren, dass die ursprünglichen Ideen für den Vertrag in den Verhandlungen abgeschwächt wurden. Von einer Verschärfung sei daher nicht mehr auszugehen, sagen die vom #Faktenfuchs befragten Experten.
Der Abschluss der Verhandlungen über den Text ist bis Mai 2024 geplant, wie das Bundesgesundheitsministerium und die WHO auf ihren Webseiten mitteilen.
Es kursieren mehrere Entwürfe des Pandemievertrags - aber noch gibt es keinen sogenannten "Erstentwurf", wie das Bundesgesundheitsministerium dem #Faktenfuchs in einer Mail-Antwort schreibt. Ein solcher "First Draft" gilt offiziell als Basis der Textverhandlungen, hat eine festgelegte Struktur und nennt die Artikel, welche vermutlich nicht mehr grundlegend geändert werden, wie ein Sprecher des Ministeriums erklärt.
Das kann verwirrend wirken, denn es gibt eben durchaus schon Entwürfe vor diesem Erstentwurf, etwa den "Zero Draft" (also "Null-Entwurf") oder den "Bureau’s Text". Das sind - wie der aktuellste Entwurf - Vorstufen für den Erstentwurf. In diesen Versionen stehen zum Beispiel für einzelne Punkte noch verschiedene Optionen, über die noch verhandelt wird. Das macht den Verhandlungsstand und verschiedene Verhandlungspositionen auch transparent.
Wenn der Vertrag dann vorliegen wird, muss er - sofern Deutschland unterzeichnen wird - hierzulande das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen. Der Bundestag muss ihn ratifizieren, um ihm Gültigkeit für Deutschland zu verleihen.
Der Pandemievertrag würde ins Bundesgesetz integriert
"Deutschland ist rechtlich nicht verpflichtet, den Vertrag zu unterzeichnen", sagt Christian Walter von der Ludwig-Maximilians-Universität München, ebenfalls Völkerrechtsexperte. "Der Bundestag muss nicht Ja sagen, er kann auch Nein sagen, wenn ihm nicht gefällt, was in diesem Vertrag steht, der ausgehandelt ist." Politisch sei das zwar schwierig, weil ein Nein sehr hohe politische Kosten haben könne, sagt Walter. Deshalb werde schon in den früheren Stadien der Verhandlung Transparenz hergestellt, um Überraschungen zu vermeiden. Die WHO veröffentlicht die verschiedenen Stadien der Verhandlung, etwa anhand der verschiedenen Textentwürfe. Auch die Bundesregierung verweist auf die entsprechenden Dokumente.
Der Vertrag stünde - wie jeder völkerrechtliche Vertrag, der in Deutschland ratifiziert wurde - unter dem Grundgesetz. Er wäre dann nach Artikel 59, Absatz 2 des Grundgesetzes ein Bundesgesetz, stünde damit aber auch über Landesrecht, sagt Völkerrechtler Walter.
Walters Fachkollege Aust erklärt, was diese Rechtsgrundlage bedeutet: "Da sind wir nicht ansatzweise in dem Bereich der Übertragung von Hoheitsrechten", sagt der Berliner Rechtswissenschaftler Aust. "Die WHO bekommt keine exekutiven Befugnisse. Hier sind keine vermeintlich finsteren Mächte am Werk, die die WHO gekapert haben."
Auch Villarreal sagt: "Die Mehrheit der Völkerrechtsexperten sieht es so, dass das Völkerrecht in das deutsche Recht integriert wird. Natürlich müssen diese völkerrechtlichen Instrumente im Einklang mit dem deutschen Grundgesetz sein."
Welche Befugnisse könnte die WHO erhalten?
Einige befürchten, dass die WHO durch den Pandemievertrag zum Beispiel Maßnahmen wie Lockdowns beschließen könnte. Das stimmt nicht.
"In den aktuellen Texten ist zu sehen, dass dort keine konkreten Maßnahmen wie Lockdowns im Gespräch sind", sagt Pedro Villarreal. "Sogenannte Lockdowns werden immer eine nationale Entscheidung bleiben und nur durch nationale Entscheidung umgesetzt werden können."
Ein neuer Befugnisbereich könnte allerdings enstehen: "Die WHO könnte die Befugnisse haben, die Einhaltung der Verpflichtungen - die von den Staaten selbst in den Instrumenten formuliert werden - zu überwachen", erklärt Villarreal.
So könnten durch den Pandemievertrag und die Internationalen Gesundheitsvorschriften neue WHO-Gremien geschaffen werden, die dann regelmäßig überprüfen, ob die Staaten ihren Verpflichtungen nachgekommen sind.
Ein anderer Bereich für eine mögliche neue Befugnis der Weltgesundheitsversammlung ist Villarreal zufolge die Harmonisierung der Kriterien für digitale Impfpässe für Reisezwecke. Die Weltgesundheitsversammlung könnte künftig diese Harmonisierung rechtsverbindlich regulieren: Welche Kriterien müssten die digitalen Versionen erfüllen, etwa beim Datenschutz, um in allen WHO-Staaten gültig zu sein?
Welche Durchgriffsmöglichkeiten oder Sanktionen stehen der WHO zur Verfügung?
"Die Länder, die diese digitalen Versionen dann nicht akzeptieren, würden wahrscheinlich das Völkerrecht verletzen", sagt Villarreal.
Sanktionen aber hätte ein Verstoß nicht zur Folge. Denn die Durchsetzungsmechanismen der WHO bei dem geplanten Pandemievertrag sind den Experten zufolge begrenzt. Selbst wenn die Weltgesundheitsversammlung die Befugnis erhielte, die Einhaltung des Vertrags zu überwachen: "Es gibt auf der internationalen Ebene keine Polizei", sagt Villarreal. Eine "allzu ernsthafte völkerrechtliche Verantwortlichkeit beim Rechtsbruch" gebe es nicht, sagt auch Uerpmann-Wittzack. "Das, was geplant ist, ist denkbar schwach. Da muss kein Schadensersatz gezahlt werden. Es gibt keine internationalen Gerichtsverfahren. Es gibt allenfalls eine Rüge oder einen Bericht."
Die WHO könne lediglich Aufmerksamkeit darauf lenken, "naming und shaming" betreiben, sagt auch Villarreal. "Staaten können auch etwa eine sogenannte Streitbeilegung gegen andere Staaten anstoßen." Eine Streitbeilegung ist eine Methode, mit der internationale Streitigkeiten aufgelöst werden sollen. Die Regeln dafür stehen in der UN-Charta.
Doch selbst wenn die Rechtsverbindlichkeit nicht vergleichbar mit nationalem Recht ist, sehen Rechtsexperten einen Vorteil in solchen Verträgen. "Es ist trotzdem wichtig, sagen zu können: Was genau ist ein Verstoß gegen das Völkerrecht? Welche Tätigkeiten sollten nicht erlaubt werden? Erst durch Verpflichtungen wird man sagen können, was erlaubt sein sollte und was nicht", sagt Villarreal.
Ängste werden geschürt, Belege fehlen
Ein Muster, das sich durch die Gerüchte um den WHO-Pandemievertrag wie durch viele andere Mythen etwa zu Corona zieht: Es wird viel geraunt, dazu werden Begriffe wie "Diktatur", "Überwachung", "Kontrolle" oder aber "Freiheit" und "Menschenrechte" genutzt. Diese schüren Ängste, können Abwehr auslösen oder den Verteidigungsimpuls.
Doch Belege für die Gerüchte werden nicht oder nur vermeintlich geliefert. "Die Kritiker haben eine Bringschuld, tatsächlich zu belegen, dass ein solcher Vertrag dazu führt, dass eine internationale Organisation unsere demokratischen Prozesse tatsächlich aushöhlen würde. Und dafür sehe ich eben in dem, was an diesem Vertragsentwurf bisher vorliegt, überhaupt gar keinen Anhaltspunkt", sagt Aust.
Fazit
Falls ein Staat einen künftigen WHO-Pandemievertrag unterzeichnen sollte, bliebe die Souveränität - die Unabhängigkeit - dieses Staates bestehen. Das gilt auch für Deutschland. Die konkreten Entscheidungen, ob und wie sich ein Staat vor den Folgen einer weiteren Pandemie schützt oder auf sie reagiert, bleiben bei dem jeweiligen Staat.
Eine Übereinkunft, wie die 194 Mitgliedstaaten der WHO sie derzeit aushandeln, würde aber rechtsverbindliche Regeln schaffen, etwa für die Meldung von bestimmten Krankheitsfällen oder die Verteilung von Medizinprodukten. Sanktionen bei Verstößen sind nicht im Gespräch.
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