Gleich wird Steffi Pempe erfahren, ob der Boden ihrer Almflächen passend ist, um dort einen Weideschutzzaun aufzustellen. Seit dem Riss mehrerer Schafe durch einen Wolf im Frühjahr macht sich die Almbäuerin Sorgen um ihre Tiere.
Bauer Sepp Regauer und sie halten in Oberaudorf im Kreis Rosenheim oberhalb von 1.000 Metern Höhe rund 40 Kühe, mehrere Islandponys und Schafe. Immer wieder wandern Wölfe durch das Gebiet – meistens ohne groß Aufsehen zu erregen. Anders in diesem Frühjahr.
Gefühl von Ohnmacht nach Wolfsriss
Nur wenige Meter von ihrem Hof entfernt, riss der Wolf mehrere Schafe. Steffi holte daraufhin die eigenen Tiere zunächst in den Stall. "Das war dann sehr bedrohlich. Einfach die Tiere dazuhaben, keinen Zaun zu haben, keine Möglichkeit zu haben, die Tiere zu schützen. Und man hofft, das nächste Mal besser vorbereitet zu sein", sagt die 45-Jährige.
Beim bayerischen Wolfsmanagement spielt Herdenschutz eine zentrale Rolle. Aber nicht überall sind Schutzmaßnahmen umsetzbar, insbesondere in alpinen Gebieten. In Bayern gelten die meisten der rund 1.400 Almen und Alpen als vor Wolfsangriffen nicht zumutbar zu schützen. Viele Landwirte sehen daher im Abschuss die einzige Lösung. Auch Steffi Pempe sieht den Wolfsabschuss im Notfall als den richtigen Weg. Sie möchte es aber gar nicht erst so weit kommen lassen und Wolfsübergriffen vorbeugen.
Deshalb hat sie beim Freistaat Bayern einen Herdenschutzzaun beantragt. 3,9 Kilometer hat sie nun subventioniert bekommen. Damit kann sie zwar nicht ihre gesamten Flächen einzäunen, aber zumindest ein großes Stück – unter anderem direkt hinter dem Hof. Dass ihre Tiere draußen sein können, ist auch für den Erhalt der artenreichen Almlandschaften wichtig. Denn ohne Beweidung würden die Flächen mit der Zeit verbuschen.
Staatsregierung fordert klare Abschussregeln für Wölfe
Die bayerische Staatsregierung macht sich hingegen für eine andere Lösung stark - nämlich den Abschuss von Wölfen. Dafür hat sie eine Wolfsverordnung erlassen, die seit Mai gilt und die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Tötung von Wölfen erweitert. Doch am Donnerstag hat das Verwaltungsgericht Würzburg den geplanten Abschuss von zwei Wölfen in der Rhön an der Grenze zu Hessen vorerst gestoppt und sich damit über eine Ausnahmegenehmigung der Regierung von Unterfranken zumindest vorübergehend hinweggesetzt. Eilanträge zweier Umweltschutzverbände hätten aufschiebende Wirkung, so das Gericht.
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) ist darüber nicht glücklich. Er verlangt vom Bund klare Regeln für solche Fälle. Berlin müsse dafür einen "günstigen Erhaltungszustand" der Wolfspopulation in Deutschland bei der EU feststellen, sagte Aiwanger. Denn der Wolf ist nach europäischem und deutschem Recht nach wie vor streng geschützt. Aiwanger findet mit Blick auf die Würzburger Gerichtsentscheidung: "Dieses juristische Katz-und-Maus-Spiel muss endlich beendet werden und eine rechtssichere Abschusserlaubnis vom Bund geschaffen werden."
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hatte im Oktober zwar einen schnelleren Abschuss von Wölfen vorgeschlagen, falls sie Weidetiere gerissen und Schutzvorkehrungen wie einen Zaun überwunden haben. Mehrere Verbände und Landesregierungen hatten den Vorstoß aber als nicht weitgehend genug kritisiert.
Steiles und felsiges Gebiet sorgt für Herausforderungen
Aber die Berglandschaft stellt eine Herausforderung dar. Zum einen ist das Gelände sehr steil – der Aufbau des Zaunes schwierig. Der Boden ist teilweise locker, an anderen Stellen wiederum felsig. Steffi Pempe hofft, dass sie die Pfosten tief genug in den Boden bekommen, sodass der Zaun stabil steht.
Der Freistaat hat zwar die Kosten für den Zaun übernommen, nicht aber für den Aufbau. Eine Fachfirma zu engagieren, wäre sehr teuer. Steffi hat sich deshalb an ehrenamtliche Helfer der Initiative WikiWolves gewandt.
Initiative WikiWolves unterstützt Weidetierhalter
Die Initiative hat es sich zum Ziel gesetzt, Weidetierhalter bei Schutzmaßnahmen zu unterstützen und so langfristig zu einem konfliktarmen Nebeneinander von Landwirtschaft und Wölfen beizutragen. "Ich sehe, dass das wirklich eine aufwendige Angelegenheit ist, generell Almwirtschaft und natürlich auch die Tiere gegen große Beutegreifer zu schützen. Und ich denke mir, da brauchen die Bauern einfach Hilfe. Unabhängig davon, wie man zu dem gesamten Problem steht", sagt Monika, eine der ehrenamtlichen Helferinnen.
Eine Wolfsschützerin sei sie nicht. So wie den anderen Ehrenamtlichen liegt ihr aber ein konfliktfreies Miteinander von Wölfen und Weidetieren am Herzen. Dazu können solche Herdenschutzmaßnahmen beitragen. Denn problematisch wird es, wenn Wölfe lernen, dass Weidetiere einfache Beute sind. Wird Herdenschutz präventiv eingesetzt, lernen Wölfe im besten Fall erst gar nicht, Schafe oder Ziegen als Beute zu sehen.
Für den Zaun werden bis zu einer Höhe von 1,20 Meter im Abstand von 20 bis 30 Zentimetern stromführende Litzen gespannt, die Wölfen bei Annäherungsversuchen einen Stromschlag verpassen.
Das gegenseitige Verständnis wächst
Zusammenarbeit wie diese hilft, das Verständnis für unterschiedliche Sichtweisen zu stärken und Vorurteile abzubauen. Gemeinsam stehen Steffi Pempe und die Freiwilligen am Hang, schlagen mit einer Ramme die Eisenpfosten in den Boden. Es kostet teilweise viel Kraft, doch alle Pfosten stehen. Bauer Sepp Regauer war anfangs skeptisch, ob das mit dem Zaun überhaupt funktionieren kann. Aber die Arbeit der ehrenamtlichen Helfer beeindruckt ihn: "Ich finde, es ist eine gute Sache, dass die Gruppe so selbstlos mithilft. Was mir ein bisschen problematisch erscheint, ist, ob der Zaun den Schnee auf über 1.000 Metern aushält." Ob der Zaun dauerhaft eine Lösung sein kann, wird sich erst in den nächsten Monaten zeigen.
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