Darum geht’s:
- Immer wieder kursiert im Netz und in Medienberichten die Behauptung, Aluminium würde Brustkrebs und andere Krankheiten auslösen.
- Fakt ist, eine erhöhte Aluminiumkonzentration in unserem Körper kann gesundheitsgefährdend sein - ist aber nicht erwiesenermaßen krebserregend oder erbgutschädigend.
- Bei Brustkrebs konnte kein Zusammenhang zwischen der Erkrankung und dem Gebrauch von aluminiumhaltigen Deos gefunden werden.
Ob in Haushaltsgeräten, Kosmetikartikeln, unserer Nahrung oder im Trinkwasser - mit Aluminium kommen wir täglich in Kontakt. Immer wieder gelangt es auch in unseren Körper, das zeigen zum Beispiel regelmäßige Messungen des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit.
In Internetforen, den sozialen Netzwerken oder im alltäglichen Gespräch stößt man immer wieder auf Behauptungen, Aluminium wäre Gift für den Körper und würde uns alle krank machen. In einer Telegramgruppe wurde folgende Nachricht von einem User herumgeschickt: "Dumm, vergesslich, Alzheimer, MS, Autoimmunkrankheiten... durch Aluminium im Wasser! Es schädigt das Immunsystem und die Erbsubstanz menschlicher Zellen. (...)"
Aber stimmt das? Ist Aluminium krebserregend? Wie ist der Stand der Wissenschaft? Der #Faktenfuchs hat sich das Thema genauer angesehen.
Was ist Aluminium eigentlich?
Aluminium ist ein silbrig-weißes Leichtmetall, das vielerorts auf der Erde als natürlicher Stoff vorkommt. Es ist leicht formbar und nicht besonders teuer, die Nachfrage ist deshalb groß. Laut dem Industrieverband "International Aluminium Institute", der die Aluminiumindustrie weltweit vertritt, wurden allein 2021 67,2 Millionen Tonnen Aluminium in Raffinerien gewonnen. Laut der Verbraucherzentrale und dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist Aluminium in vielen Lebensmitteln und verbrauchernahen Produkten enthalten. Obwohl es in der Natur meist in gebundener Form vorliegt, wird es durch sauren Regen oder industrielle Einflüsse freigesetzt und gelangt so in Umwelt, Trinkwasser und Nahrung. Meistens handelt es sich um minimale (unter fünf Milligramm pro Kilogramm) Anteile, es gibt jedoch Lebensmittel, die von Natur aus einen etwas höheren Aluminiumgehalt haben. Durch diese gelangt auch das meiste Aluminium in unseren Körper. Dazu zählen laut BfR: Gewürze, Pilze oder verschiedene Gemüsearten wie Spinat oder Salat. Auch Muscheln und Tee enthalten recht viel Aluminium. Das zeigen auch die Messungen des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit.
Auch die in Bayern beliebte Laugenbreze hat im Vergleich zu anderen Lebensmitteln einen relativ hohen Aluminiumgehalt. Laugenbrezen werden auf Aluminium-Blechen gebacken und die Lauge ist stark genug, um Aluminiumionen aus den Blechen herauszulösen. "Unter bestimmten Bedingungen, wenn Aluminium zum Beispiel mit Säure, Lauge oder Salz in Kontakt kommt, können sich Aluminiumionen herauslösen und auf die Lebensmittel übergehen”, erklärt Kerstin Effers, Chemikerin bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, im Gespräch mit dem #Faktenfuchs.
Sie betont, es sei wichtig, wo möglich auf Aluminium zu verzichten. Erstens, um die geringe Menge, die der Körper ohne Folgen absorbieren kann, nicht auszureizen. Andererseits, um den Umweltaspekt nicht zu vernachlässigen, Aluminium-Abbau und Aluminiumabfall belasteten die Umwelt stark. "Aber man muss sich jetzt auch nicht vor allem fürchten, was aus Aluminium ist. Joghurtdeckel kann man abschlecken, weil sie beschichtet sind, Pfannen mit einem Aluminiumkern sind auch beschichtet und stellen grundsätzlich kein Problem dar", sagt Effers.
Wie viel Aluminium kann der Körper aufnehmen?
Der menschliche Körper braucht grundsätzlich kein Aluminium, dennoch gelangt es über verschiedene Wege immer wieder in den Körper. Wir tragen also alle Aluminium in uns, auch wenn es sich meist um geringe Mengen handelt. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), zuständig für Produktsicherheit und Gesundheitsschutz der Verbraucher, stellt klar: Geringe Mengen an Aluminium sind für den Körper ungefährlich, ab einer gewissen Dosis kann es aber gesundheitsgefährdend sein. Deshalb empfiehlt das BfR Grenzwerte.
Das Institut verweist auf die Erkenntnisse der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Diese hat im Jahr 2008 ein Wochenmaximum von einem Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht ausgegeben. Basis für diese Empfehlung war ein Gutachten, das sich auf alle verfügbaren Studien (Human- und Tierstudien) zum damaligen Zeitpunkt gestützt hat.
Weltweit gibt es Organisationen, die von einem höheren tolerablen Wert ausgehen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO zum Beispiel hat im Jahr 2011 ein Maximum von zwei Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht vorgeschlagen. Bei dieser Empfehlung stützt sich die WHO aber auf eine Studie, die allein an Ratten durchgeführt wurde. Das BfR bleibt jedoch bei seinem Wert. Im Jahr 2020 gab das Institut eine erneute Stellungnahme heraus, in der es weiterhin am Wochenmaximum von einem Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht festhielt.
Zudem muss man differenzieren zwischen Aufnahme aus der Umwelt und hoher Aluminiumexposition, etwa bei der Arbeit. Aluminiumschweißer sind zum Beispiel jahrelang einer sehr hohen Aluminiumbelastung ausgesetzt. Hier gelten andere Grenzwerte.
Warum gewisse Grenzwerte im Körper nicht überschritten werden sollten
In der ganzen Thematik ist es wichtig zu differenzieren. Ja, eine erhöhte Aluminiumaufnahme kann Gesundheitsrisiken mit sich bringen, Stand der Forschung ist jedoch, dass Aluminium nicht krebserregend oder erbgutschädigend ist (dazu später mehr).
Geringe Mengen an Aluminium können vom Körper wieder ausgeschieden werden. Normalerweise geschieht das über den Urin. Ist dauerhaft zu viel von dem Metall im Körper, zum Beispiel bei hoher Exposition am Arbeitsplatz, lagert es sich im Gewebe ab. Zum Beispiel in den Knochen, in den Nieren, im Gehirn oder auch in den Muskeln. Solche Ablagerungen können zu langfristigen Schäden an den Nieren führen, biologische Prozesse stören oder Krankheiten wie Dialyse-Enzephalopathie und Aluminose hervorrufen.
Dialyse-Enzephalopathie ist eine Erkrankung des gesamten Gehirns, bei der durch eine Blutwäsche zu viel Aluminium ins Blutplasma gelangt. Aluminose ist eine Lungenkrankheit, die durch Aluminiumstaub oder -rauch entsteht. Studien zeigen, dass etwa Aluminiumschweißer aufgrund ihrer Arbeit deutlich exponierter sind und höhere Werte aufweisen.
Dass Aluminium aber krebserregend oder erbgutschädigend ist, kann man laut BfR dennoch nicht sagen. Etwa Brustkrebs, eine der häufigsten, aber auch gut erforschten Krebserkrankungen bei Frauen. Laut der Deutschen Krebsgesellschaft zählen zu den wissenschaftlich erwiesenen Risikofaktoren Übergewicht, Bewegungsmangel oder Konsum von schädlichen Genussmitteln wie Alkohol oder Nikotin. Aluminium gehört nicht dazu.
Krebserregende Wirkung von Aluminium nicht nachgewiesen
Einen Überblick zum Forschungsstand bietet ein Paper mit dem Titel: "Gesundheitliche Auswirkungen einer Aluminiumexposition" aus dem Jahr 2017. Die Metaanalyse erschien in der deutschen und internationalen Ärztezeitung. Die Autoren haben anhand einer systematischen Literaturrecherche den Forschungsstand zusammengetragen und die damit in Verbindung gebrachten Krankheiten eingeordnet. Die Forschenden kommen zu dem Schluss, dass es bislang keine Belege dafür gibt, dass Brustkrebs durch Aluminium ausgelöst wird.
Hans Drexler ist Direktor des Instituts und der Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen und arbeitete selbst an der 2017 im Ärzteblatt veröffentlichten Studie mit. Drexler sagte dem #Faktenfuchs: "Zudem befasst sich unsere DFG-(Deutsche Forschungsgemeinschaft, Anm.d.R.) Arbeitsgruppe seit Jahren mit dem Thema und ich kann nur betonen, dass es keinerlei wissenschaftliche Belege für die These, Brustkrebs würde durch Aluminium entstehen, gibt."
Auch Pia Wülfing kam zu diesem Ergebnis. Die Hamburger Ärztin leitete von 2010 bis 2020 die Onkologische Praxis und Tagesklinik im Mammazentrum Hamburg und hat 2020 die Initiative "PINK!" gegründet . "PINK!" begleitet und berät Frauen bei und nach einer Brustkrebserkrankung. Im Interview mit dem #Faktenfuchs betont sie, dass kein Zusammenhang belegt sei.
Weder internationale Studien aus dem Irak und den USA, noch internationale Organisationen (IARC, EFSA, ECHA) sehen Aluminium als krebserregend oder erbgutschädigend an.
Brustkrebs und Aluminium - viele Behauptungen rund um Antitranspirantien
Es gab in den letzten Jahrzehnten aber durchaus immer wieder Studien, die versuchten einen Zusammenhang herzustellen. Die These lautete meist: Aluminium gelangt durch das Auftragen von Antitranspirantien in den Körper, das wiederum könnte einer der Gründe sein, warum im Bereich der Achselhöhlen vermehrt Brustkrebstumore entstehen.
Doch die Studien wiesen methodische Mängel auf, sagt Pia Wülfing: "Keine der mir bekannten Studien ist methodisch wertvoll genug, um einen Zusammenhang herzustellen."
Antitranspirantien sind aluminiumhaltige Deos, die vor allem schweißhemmend und geruchsneutralisierend wirken. Beim Auftragen auf die Achseln verengt Aluminium die Poren und stoppt den Schweißausfluss. Normale Deodorants "übertünchen" nur den Schweißgeruch und legen die dafür verantwortlichen Bakterien lahm, enthalten aber kein Aluminium.
"Die Argumente sind leicht zu entkräften"
Ausgangslage für die immer wiederkehrende unbelegte These, dass Brustkrebs und Aluminium zusammenhängen, sind zwei tatsächlich gesicherte Erkenntnisse. Es ist durch mehrere Studien erwiesen, dass Brustkrebstumore zunehmend im oberen äußeren Quadranten der Brust, also in Achselnähe, auftreten. (Quellen 31-37) Zudem wurde bei Untersuchungen von Brustkrebsgewebe eine erhöhte Aluminiumkonzentrationen festgestellt, aber auch hohe Werte anderer Metalle wie Cadium, Calcium oder Selen.
Hans Drexler hält die These, Brustkrebs würde durch die Nutzung von aluminiumhaltigen Deos ausgelöst, für falsch und erklärt, warum für ihn eine Studie, die Forschende der Medizinischen Universität Innsbruck 2017 publiziert haben, "in keinster Weise belastbar ist". (Die Studie ist in der Metaanalyse nicht berücksichtigt, weil sie später erschien.) Er nennt mehrere Gründe: Erstens sei nicht sauber beschrieben worden, wie Brustkrebsfälle und die nicht erkrankten Kontrollpatientinnen ausgewählt wurden. Zweitens seien die drei Hauptargumente zwar auf den ersten Blick einleuchtend, bei genauem Hinschauen aber alle "leicht zu entkräften".
"Es ist nicht plausibel, dass auf die Haut aufgetragenes Deo, das unter die Haut gelangt, dann direkt von der Achselhöhle in die Brust ‘krabbeln’ und dort dann Brustkrebs verursachen würde. Das ist physiologisch überhaupt nicht vorstellbar", sagt Drexler.
Auch die Autoren der Studie schränken ihre Ergebnisse selbst ein und schreiben, dass sie keinen Beleg liefern können, dass Aluminiumsalze krebserregend seien.
Drexler und andere Forscher sind sich sicher, dass das Aluminium, das in Brustkrebszellen gefunden wurde, nicht die Ursache, sondern eine Folge einer Brustkrebserkrankung ist. Das zeigten Tierversuche an Ratten und Mäusen.
"Krebsgewebe hat einen gestörten Stoffwechsel für Metalle, dahingehend, dass der Eisenstoffwechsel gestört ist und alle möglichen Spurenelemente angereichert werden. Nicht nur Aluminium", erklärt Hans Drexler.
Auch Pia Wülfing analysierte die Innsbrucker Studie für den #Faktenfuchs nochmal detailliert. In ihrer Einschätzung kommt sie ebenfalls zu dem Schluss, dass die Studie zu viele Mängel und offene Fragen hat. Aus ihrer Sicht könne die Studie einen Zusammenhang zwischen Deos und erhöhten Aluminiumwerten in der Brust vor allem deshalb nicht beweisen, weil:
1. keine Daten zur Ernährung aufgeschlüsselt sind und Angaben zu sonstigen Lebensgewohnheiten und der Nutzung von Kosmetika gar nicht erhoben wurden.
2. die beschriebene Korrelation zwischen Deo-Verwendung, Aluminiumgehalt im Brustgewebe und der Lokalisation der Tumoren inkonsistent seien.
Forscher fordern umfassende Studien
Trotz der eindeutigen Aussage fordern mehrere Forscherinnen und Forscher, unter anderem Pia Wülfing, weitere umfassendere Studien zu den Brustkrebsursachen. Die Ärztin erklärt, warum: "Man muss ganzheitliche Studien machen, die nicht nur das Brustkrebsrisiko und die Verwendung von aluminiumhaltigen Antitranspirantien beleuchten, sondern auch andere Faktoren mit einbeziehen: Ernährung, Sport, sozioökonomischer Status, Lebensgewohnheiten, etc."
Auch die Autoren der Studien aus dem Ärzteblatt im Jahr 2017, darunter Hans Drexler, fordern eine nationale Kohortenstudie, um weitere Aufklärung zu den tatsächlichen Ursachen zu erhalten. Nationale Kohortenstudien sind sehr umfangreich, laufen über mehrere Jahrzehnte und arbeiten mit mehreren hunderttausend Menschen.
Experten kritisieren falsche Ursachenbenennung
Wülfing und Drexler sehen eine konstruierte angstmachende Diskussion rund um das Thema Brustkrebs und Aluminium. "Es ist vielleicht leichter zu sagen, Aluminium verursacht Brustkrebs, als Alkohol, Zigaretten oder zu wenig Bewegung verursachen Brustkrebs. Weil zweiteres mit meinem eigenen Lebensstil zu tun hat und eine Änderung meist unbequemer ist", sagt Pia Wülfing.
Hans Drexler sagt: "Aber was ganz schlimm ist, und das kann ich immer wieder nur sagen, ist, was man da für Unheil anrichtet. Stellen Sie sich mal vor, eine Frau hat Brustkrebs, liegt im Bett und fragt sich, warum ich? Und dann liest sie so etwas und dann denkt sie: Um Gottes willen, hätte ich das Ding nicht genommen, hätte ich keinen Brustkrebs. Das ist furchtbar, was man diesen Frauen antut, mit solchen Spekulationen."
Aluminium in Deos trotzdem vermeiden?
Eine Frage bleibt aber weiterhin: Sollte man Aluminium in Deos trotzdem vermeiden oder nicht? In seiner Stellungnahme von 2020 hat das BfR die Gefahr für gesundheitliche Beeinträchtigungen durch die Aluminiumaufnahme über die Haut als "unwahrscheinlich" eingestuft.
Da unser Körper schon Aluminium durch die Umwelt aufnimmt, raten Experten grundsätzlich trotzdem eher dazu, auf Deos mit Aluminium, insbesondere als Spray, zu verzichten. "Unser Körper braucht kein Aluminium, im Gegenteil: Aluminium kann eine Vielzahl biologischer Prozesse stören. Also sollte man durchaus schauen, die Aufnahme überall dort zu vermeiden, wo es nicht unbedingt notwendig ist", sagt Pia Wülfing.
Hans Drexler gibt jedoch zu bedenken, die schweißhemmende Funktion sei für einige Personen, die unter starkem Schwitzen leiden, durchaus wichtig. Alternativen wären da sonst Behandlungen mit Nervengiften wie Botox. "Das ist immer eine Abwägungssache, die jeder für sich selbst treffen muss. Aber Patienten, die wirklich zu starkem Schwitzen neigen, die sollte man nicht verunsichern", meint Drexler.
Fazit
Seit mehreren Jahrzehnten kursieren immer wieder Behauptungen, Aluminium würde zu Brustkrebs führen. Das ist nach aktuellem Stand der Wissenschaft nicht belegt. Für einen Zusammenhang mit Brustkrebs gibt es keine ausreichenden wissenschaftlichen Belege sowie einige Studien, die keinen Zusammenhang sehen. Grundsätzlich sollte man laut Experteneinschätzung die Aluminiumaufnahme aber so gering wie möglich halten, weil der Körper kein Aluminium braucht und es nur in geringen Mengen ausgeschieden werden kann.
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