Verschiedene leere Dosen Energy-Drinks
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Energy-Drinks sind vor allem bei Jugendlichen beliebt. Sie enthalten Koffeein und Zucker - beide Stoffe können gesundheitsschädlich sein.

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Energy-Drinks: Gesundheitsrisiko ja, Todesfälle unwahrscheinlich

Energy-Drinks: Gesundheitsrisiko ja, Todesfälle unwahrscheinlich

Immer wieder tauchen Berichte über Jugendliche auf, die angeblich nach dem Konsum von Energy-Drinks sterben. Ein Blick auf die medizinischen Erkenntnisse zeigt: Energy-Drinks sind zwar ungesund, Todesfälle aber unwahrscheinlich. Ein #Faktenfuchs.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Darum geht's:

  • Im Internet kursieren Behauptungen, regelmäßig würden Jugendliche am Konsum von Energy-Drinks sterben. Das ist falsch.
  • Todesfälle gibt es, sie lassen sich jedoch nicht einzig auf die Energy-Drinks zurückführen.
  • Koffeinhaltige Energy-Drinks können für Kinder und Jugendliche aber ein gesundheitliches Risiko darstellen.

Sind Energy-Drinks tödlich? Die kurze Antwort vorweg: Nach allem, was man bisher weiß, vermutlich nicht – zumindest nicht als ausschließlicher Auslöser. Die Getränke können aber, wenn andere Faktoren hinzukommen, schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben. Gerade bei Menschen mit Vorerkrankungen wie Herz-Rhythmus-Störungen kann der Konsum von Energy-Drinks auch tödlich enden.

Doch bisweilen wird das anders dargestellt, zum Beispiel in Social-Media-Posts auf TikTok und Twitter. Dort finden sich zahlreiche Behauptungen, die einen eindeutigen kausalen Zusammenhang zwischen den Todesfällen von Jugendlichen und dem Konsum der Getränke herstellen. So sagt etwa ein TikTok-User, der sich selbst als Arzt beschreibt, in einem TikTok-Video, es sterbe "fast jeden Monat ein junger Mensch", der fünf bis sechs Dosen Energy-Drinks pro Tag getrunken habe. 36.600 User haben den Videoclip geliked (Stand 21.03.2023). Auf Twitter wurde der Tweet einer anscheinend besorgten Mutter über 100.000 Mal angezeigt: "Töchterleins Freundin trinkt 'jeden Tag zwei Energy, sonst bin ich noch müder' Die erste Dose direkt morgens vor der Schule … Das Kind wird in drei Monaten 13 - übertreibe ich, wenn ich das wirklich besorgniserregend finde?!“ (sic)

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Eine Twitter-Userin berichtet über den Konsum von Energy-Drinks bei Jugendlichen.

Sind derartige Sorgen berechtigt? Was ist dran an solchen Behauptungen? Der #Faktenfuchs hat recherchiert – und die Antworten sind – wie so häufig – nicht so eindeutig wie die Behauptungen.

Wie viel Koffein im Drink ist erlaubt?

Was alle Energy-Drinks enthalten: Koffein. Die 250 Milliliter-Dosen von Marken wie Red Bull, Monster oder Rockstar enthalten jeweils 80 Milligramm (mg). Das entspricht der gesetzlich vorgeschriebenen Höchstmenge, die die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) festgelegt hat: Koffeinhaltige Erfrischungsgetränke dürfen maximal 320 mg Koffein pro Liter enthalten. Getränke, die mehr als 150 mg Koffein pro Liter enthalten, müssen zudem mit einem Hinweis auf erhöhten Koffeingehalt versehen sein, der darauf aufmerksam macht, dass der Konsum nicht für Kinder und schwangere oder stillende Frauen empfohlen wird.

Die Ernährungswissenschaftlerin Juliane Menzel vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin fasst im Gespräch mit dem BR24 #Faktenfuchs zusammen, wie Koffein wirkt: "Es stimuliert das Herz-Kreislauf-System, dadurch steigen Herzfrequenz, Wachheit und die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit." Bei größeren Mengen seien jedoch auch negative gesundheitliche Folgen möglich, wie Herzrasen, Übelkeit oder Kopfschmerzen.

Die Wirkung von Koffein bei Kindern

Nach einer Bewertung der EFSA liegt die Grenze, bis zu der Koffein gesundheitlich unbedenklich ist, für gesunde Erwachsene bei einer Tagesdosis von 400 mg. Das entspricht in etwa fünf Tassen Espresso - oder dem Koffeingehalt von fünf Energy-Drink-Dosen mit je 250 ml. Kinder und Jugendliche hingegen sollten nach dieser Bewertung maximal 3 mg Koffein pro Kilogramm Körpergewicht am Tag zu sich nehmen. Das heißt: Bei einem Körpergewicht von 50 Kilogramm beispielsweise sind zwei Dosen am Tag für einen Jugendlichen schon zu viel.

Koffein habe bei Kindern und Jugendlichen eine andere Wirkung als bei Erwachsenen, betont Nikolaus Haas, Chefarzt der Abteilung Kinderkardiologie und Pädiatrische Intensivmedizin am LMU Klinikum in München: "Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Man kann nicht sagen, zwei Tassen Kaffee haben auf einen Erwachsenen dieselbe Wirkung wie eine Tasse Kaffee auf ein Kind, das halb so schwer ist. Der kindliche Körper reagiert auf viele Dinge anders als der erwachsene Körper. Deswegen sind Kinder besonders empfindlich oder anfällig."

Laut Haas seien aber die Folgen von zu viel Koffein ähnlich wie bei Erwachsenen: Kurzfristig könne Koffein zu Symptomen wie Ängstlichkeit und auf längere Sicht zu Herz-Kreislauf-Problemen führen.

Gesundheitsrisiko Zucker

Gängige Energy-Drinks bestehen zu ungefähr einem Zehntel aus Zucker, sie gehören damit laut der Verbraucherorganisation Foodwatch zu den Getränken mit dem im Schnitt höchsten Zuckeranteil, noch vor Cola. Dass Zucker in großen Mengen ungesund ist, ist umfangreich belegt, unter anderem weist die Weltgesundheitsorganisation auf Risiken wie Zahnkaries hin. Die Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. schreibt dem #Faktenfuchs auf Anfrage außerdem: Eine hohe und häufige Zuckerzufuhr, zum Beispiel über gezuckerte Getränke, stehe neben anderen Faktoren im Zusammenhang mit Übergewicht und könne infolgedessen zu Krankheiten wie Diabetes oder Herz-Kreislaufstörungen führen. Zuckerhaltige Energy-Drinks ließen zudem den Blutzucker schnell ansteigen. Wenn dieser anschließend wieder rasch abfalle, könne man erneut Hunger bekommen und möglicherweise mehr zu sich nehmen, als man eigentlich sollte. Den oft unterstellten Suchteffekt von Zucker gebe es jedoch nicht, heißt es von der Pressestelle.

Warum ist Taurin in Energy-Drinks?

Dennoch: Auch Leistungssportler machen Werbung für Energy-Drinks. Die Botschaft soll sein: Energy-Drinks steigerten - angeblich - die sportliche Leistungsfähigkeit. Das wird vor allem mit dem Stoff Taurin in Verbindung gebracht - der neben Koffein ein wesentlicher Inhaltsstoff in solchen Getränken ist und der sie von Limonaden und Fruchtsäften unterscheidet. Taurin ist ein leicht saures kristallines Pulver, dem laut Umweltbundesamt vor allem in Verbindung mit Koffein eine vitalisierende Wirkung zugeschrieben wird. Ob sich durch die Einnahme von Taurin die körperliche oder mentale Leistungsfähigkeit steigern lässt, sei bisher nicht wissenschaftlich bewiesen, schreibt die Verbraucherzentrale Bayern auf Anfrage des #Faktenfuchs.

Die nationale Fruchtsaft- und Erfrischungsgetränkeverordnung legt die verbindliche Höchstmenge für Taurin in Erfrischungsgetränken bei 4.000 mg pro Liter fest. Einer Studie zufolge kann die Einnahme von 500 ml Energy-Drink zu einer Aufnahme von 2.000 mg Taurin führen. Dies übersteigt die Empfehlung der EFSA für eine gesundheitlich unbedenkliche Menge, die bei 1.400 mg Taurin pro Tag für Erwachsene liegt. Taurin werde auch vom Körper selbst hergestellt, erklärt Juliane Menzel vom BfR: "Es übernimmt im Körper viele wichtige Aufgaben und ist zum Beispiel an der Muskelkontraktion beteiligt." Allerdings sei es in Hinblick auf Energy-Drinks noch zu wenig erforscht. Der Verbraucherzentrale zufolge sei bislang nicht geklärt, ob die unerwünschten Wirkungen von Koffein durch die Kombination mit anderen Inhaltsstoffen wie Taurin verstärkt werden.

Welche Symptome nach dem Konsum von Energy-Drinks sind bekannt?

Gesundheitsbehörden in den USA warnen vor dem Einfluss von Energy-Drinks und hohen Mengen von Koffein auf Jugendliche. In einer Auswertung von Daten aus US-amerikanischen Notaufnahmen schlossen Forscher 2013, dass im Jahr 2011 1.499 Jugendliche zwischen zwölf und 17 Jahren in die Notaufnahme kamen, um sich wegen eines Notfalls behandeln zu lassen, der mit Energy-Drinks in Verbindung stand.

Der #Faktenfuchs hat auch bei den insgesamt sieben Giftnotrufen in Deutschland angefragt. Drei der Giftnotrufe haben geantwortet und Zahlen zu den Fällen geschickt, in denen sie Menschen berieten, weil Kinder und Jugendliche Energy-Drinks getrunken hatten. Sowohl die Vergiftungs-Informations-Zentrale an der Uniklinik Freiburg, der Giftnotruf München als auch das Gemeinsame Giftinformationszentrum der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen (GGIZ) hatten solche Fälle nur sporadisch. Beim GGIZ waren es seit 2008 insgesamt 119 Menschen, beim Freiburger Giftnotruf seit 2006 117 Menschen, in München waren es 228 Menschen seit 2008. Die meisten mit keinen oder leichten Symptomen. Traten behandlungsbedürftige Beschwerden auf, handelte es sich bei beiden Giftnotrufen meist um Herzrasen, starke Unruhe oder wiederholtes Erbrechen. "Diese Beschwerden lassen sich durch den zum Teil hohen Gehalt an Koffein bzw. die großen getrunkenen Mengen gut erklären", schreibt Uwe Stedtler von der Vergiftungs-Informations-Zentrale am Uniklinikum Freiburg. Todesfälle oder lebensbedrohliche Fälle habe man weder in Freiburg noch beim GGIZ oder beim Giftnotruf München beobachtet.

Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System

Trinken Jugendliche mindestens vier- bis fünfmal pro Woche einen 250-ml-Energydrink, kann das nach einer Bewertung der EFSA als chronischer Hochkonsum bezeichnet werden. Wie sich dieser auf das Herz-Kreislauf-System von Jugendlichen auswirkt, dazu sei die Studienlage noch sehr dünn, sagt Juliane Menzel.

Menzel selbst arbeitet derzeit gemeinsam mit Kolleginnen am BfR und Ärztinnen und Ärzten der Kardiologie an der Charité Universitätsmedizin Berlin an einer Studie mit Jugendlichen in Berlin. Dabei werden die Jugendlichen zu ihrem Konsum von Energy-Drinks befragt und umfassend kardiologisch untersucht. Erste Ergebnisse sollen 2024 vorliegen.

Laut Fallberichten kann der chronische Energy-Drink-Konsum zu einer Verdickung des Herzmuskels führen, sagt Felix Oberhoffer, Assistenzarzt am LMU Klinikum in München. Die Ursache sei höchstwahrscheinlich, "dass der Blutdruck ansteigt und dadurch das Herz einem erhöhten Widerstand ausgesetzt ist". Zukünftige wissenschaftliche Studien müssten den in zahlreichen Fallberichten beschriebenen Zusammenhang zwischen schwerwiegenden gesundheitlichen Auswirkungen und dem Konsum von Energy-Drinks noch bestätigen, so Oberhoffer.

Tatsächlich gibt es zu den Auswirkungen von Energy-Drinks auf das Herz-Kreislauf-System schon Studien: Oberhoffer und Haas selbst untersuchten 2021 im Rahmen einer Studie 27 gesunde Kinder und Jugendliche zwischen zehn und 18 Jahren vor und nach dem Konsum von Energy-Drinks. Ihre Ergebnisse: Die Studienteilnehmer, die Energy-Drinks getrunken hatten, wiesen gegenüber den Studienteilnehmern, die keinen Energy-Drink bekommen hatten, einen erhöhten Blutdruck auf. Die Energy-Drinks hatten außerdem Einfluss auf den Herzrhythmus der Studienteilnehmer.

Besonders gefährdet seien Kinder und Jugendliche mit (unentdeckten) Vorerkrankungen, das betonen sowohl Oberhoffer und Haas in ihren Studien als auch der Kinderkardiologe Martin Hulpke-Wette aus Göttingen im Gespräch mit dem #Faktenfuchs: "Es gibt Menschen, die haben eine angeborene Neigung, Herzrhythmusstörungen zu bekommen, ausgelöst durch Stress oder Adrenalin - und Koffein löst die Ausschüttung von Adrenalin aus." Ohne dass ein EKG geschrieben wurde, wüssten diese Menschen in der Regel nicht, dass sie eine solche Neigung in sich tragen - insbesondere Kinder und Jugendliche. Das sei kein Teil der Vorsorgeuntersuchungen.

Auswirkungen auf die Niere

Neben Auswirkungen auf das Herz-Kreislaufsystem legen einzelne Fallberichte und Studien auch Auswirkungen auf die Niere nahe (zum Beispiel hier oder hier). Isabelle Schöffl, Oberärztin am Uniklinikum Erlangen, betreute einen solchen Fall 2011 und veröffentlichte daraufhin einen Fallbericht.

Damals kam ein 17-jähriger Jugendlicher zu ihr mit akutem Nierenversagen. Nach "vielen Gesprächen", so erzählt es Schöffl, habe er schließlich zugegeben, drei Liter Energy-Drink gemischt mit einem Liter Wodka getrunken zu haben, um seine Sportnote zu verbessern. Für die Mediziner war klar: Eine toxische Substanz hatte die Niereninsuffizienz ausgelöst; ein Drogentest, der gemacht worden war, fiel negativ aus. Die Vermutung der behandelnden Ärzte fiel deshalb auf den Energy-Drink als Ursache. Aber es war eben nur eine Vermutung.

Das ist das Problem mit solchen Fallberichten - sie dienen nur zur Beschreibung eines Falles, einen kausalen Zusammenhang belegen sie nicht. Das betont auch Schöffl: "Fallberichte dienen in der Medizin immer dazu, auf etwas aufmerksam zu machen, was ein bisschen außergewöhnlich ist, was einem aufgefallen ist. Ein Beweis für irgendetwas ist das nicht." Man könne letztlich nur sagen, man habe diesen Patienten behandelt und konnte keine andere Ursache für dessen Leiden - zum Beispiel die angeschlagene Niere - finden. "Aber man wird das niemals mit Sicherheit sagen können." Anderes zu behaupten, wäre keine saubere Wissenschaft. Vielleicht übersehe man eine Vorerkrankung oder einen anderen Faktor, der für das Leiden verantwortlich ist.

Trotzdem könnten solche Fallberichte Erkenntnisse vermitteln - und bei Substanzen, von denen man bereits vermutet, dass sie gefährlich sind, oft das einzige Mittel darstellen, an Erkenntnisse zu gelangen. Denn bei derartigen Stoffen könne man keine Kontrollstudie verantworten, sagt Schöffl. Eine solche wäre aber notwendig, um einen kausalen Zusammenhang festzustellen.

Giftige Mischung: Energy-Drinks, Sport und Alkohol

Eine bestimmte Geschichte wird immer wieder verbreitet: Durch die Kombination von Alkohol und Energy-Drinks werde man nicht so leicht betrunken, könne also länger auf Partys feiern und werde danach schneller wieder nüchtern. Doch wenn Konsumenten Energy-Drinks mit Sport oder Alkohol verbinden, steige das Risiko für Herz-Kreislauf-Probleme, sagt Juliane Menzel vom BfR: "Grundsätzlich ist es so, dass Koffein – auch das in Energy-Drinks – Einfluss auf das Herz-Kreislaufsystem hat, genauso wie Sport und Alkohol." In der Wechselwirkung erhöhen die Faktoren je nach individueller Koffein-Empfindlichkeit die Belastung für das Herz und machen es anfälliger für Herzrhythmusstörungen.

Was das konkret bedeutet, erklärt Martin Hulpke-Wette im Gespräch mit dem #Faktenfuchs: "Die perfide Kombination zwischen einem Energy-Drink und hochprozentigem Alkohol ist die, dass sich bei Alkohol - insbesondere wenn Sie ihn nicht gewohnt sind -, die Gefäße weit stellen. Ihr Blutdruck sinkt ab. Und auf der anderen Seite geben Sie aber Koffein rein, das eine Adrenalin-Ausschüttung auslöst. Das heißt, sie schmeißen den Kreislauf maximal an." Das sei eine enorme Belastung für den Körper, eine solche Fehlregulation sehe man ansonsten nur bei einer schweren Blutvergiftung.

Ein weiterer Effekt von Alkohol-Energy-Mixgetränken, den laut Menzel bislang allerdings nur vereinzelte Studien zeigten (hier oder hier, Seite 12): eine steigende Risikobereitschaft. Ob und gegebenenfalls welche Folgen das beispielsweise für das Unfallrisiko hat, könne anhand der bisherigen Studienlage noch nicht eingeschätzt werden.

Wie häufig sind Todesfälle?

Wie sieht es also mit der konkreten Behauptung aus dem TikTok-Video aus, dass jeden Monat ein Jugendlicher sterbe, der fünf bis sechs Dosen pro Tag trinke? Damit wären diese jungen Menschen chronische Hochkonsumenten. Beim Wort genommen, müsste es für die Aussage eine Datengrundlage geben. Doch keiner der Experten, mit denen der #Faktenfuchs gesprochen hat, kannte eine entsprechende Statistik oder ausreichend viele Fälle. Die Aussage, dass jeden Monat ein Jugendlicher am regelmäßigen Konsum von Energy-Drinks sterbe, würde bedeuten, dass es also im Schnitt zwölf Todesfälle pro Jahr in Deutschland gäbe. Das scheint aus der Luft gegriffen. Für diese Behauptung gibt es keine Belege. Den angeblichen Arzt, der in dem TikTok-Video spricht, bat der #Faktenfuchs um eine Stellungnahme. Er hat jedoch nicht reagiert. Der #Faktenfuchs hat Experten um eine Einordnung gebeten:

Eine Sprecherin des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) schreibt dem #Faktenfuchs auf Nachfrage: "Schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigungen oder gar Todesfälle aufgrund des Konsums von Energy-Drinks sind dem BMEL nicht bekannt."

Dass Risikofaktoren wie Vorerkrankungen, Drogenkonsum oder sportliche Betätigung in Kombination mit einem sehr hohen Konsum von Energy-Drinks zum Herzstillstand führen können, sei laut Felix Oberhoffer vom LMU-Klinikum potenziell möglich. Allerdings beurteilt Oberhoffer so einen Todesfall als "sehr unwahrscheinlich". Er hält die Behauptung in dem TikTok-Video deshalb für teilweise "übertrieben".

"Solche Todesfälle sind insgesamt extrem selten", fasst Haas noch einmal zusammen. Todesfälle bei Kindern und Jugendlichen in deutschen Krankenhäusern werden regelmäßig untersucht und an die Gesundheitsämter der Länder gemeldet, so der Kinderkardiologe Haas: "Und wenn da eine hohe Zahl gemeldet würde – und ein Todesfall pro Monat ist schon eine ganze Menge – das wäre irgendwo aufgetaucht. Ist es aber nicht."

Das bestätigt auch ein Sprecher des Gesundheitsreferats der Stadt München. Das Gesundheitsamt erhalte die Todesbescheinigungen und prüfe diese auf Fehler und Plausibilität. "Da die Kontrolle der Todesbescheinigungen durch wenige, konstant mit dieser Aufgabe betraute Personen durchgeführt wird, würden Unstimmigkeiten rasch auffallen", heißt es vom Gesundheitsreferat. Diesen Unstimmigkeiten würde nachgegangen werden.

Fallbericht: Todesfall in München nach Energy-Drink-Konsum und Erkrankung am Herzen

Der Kardiologe Haas schildert einen Fall, bei dem eine Kombination von Risikofaktoren zu einem statistisch gesehen sehr unwahrscheinlichen Tod führte. Eine 16-Jährige verlor im Schulunterricht plötzlich das Bewusstsein, hatte eine akute Herzrhythmusstörung. Auf der Kinderintensivstation in seiner Abteilung am Münchner LMU-Klinikum starb die junge Patientin schließlich. Sie habe als Vorerkrankung eine nicht erkannte Herzmuskelentzündung gehabt, sagt der Kardiologe. Die Kombination mit einigen Energy-Drinks und einer psychischen Stresssituation sei für die Jugendliche tödlich gewesen. Der Zusammenhang mit den Energy-Drinks sei für die Ärzte eindeutig und klar gewesen.

Doch an dem Fall zeigt sich: Allein auf den Faktor Energy-Drink lässt sich ein Todesfall nicht zurückführen. Denn auch hier handelt es sich um einen Fallbericht. Daraus lassen sich - auch bei Todesfällen - "in der Regel keine Kausalzusammenhänge ableiten, da andere Störfaktoren nicht ausgeschlossen werden können", heißt es in einer Antwort des Bundesinstituts für Risikobewertung auf eine #Faktenfuchs-Anfrage.

Laut Isabelle Schöffl vom Uniklinikum Erlangen wäre ein eindeutiger Zusammenhang nur dann gegeben, wenn jemand unter Studienbedingungen nach dem Konsum von Energy-Drinks sterben würde.

Weltweite Fallberichte

Berichte von gesundheitlichen Problemen, nachdem Energy-Drinks getrunken wurden, gibt es weltweit. Das Bundesinstitut für Risikobewertung listet in einer Stellungnahme von 2019 verschiedene Fälle auf, etwa aus Australien, Peru, Italien, der Türkei oder den USA. Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA sammelt Berichte von Fällen im eigenen Land im "Adverse Event Reporting System". Laut einer FDA-Sprecherin gab es seit 2012 Berichte über Todesfälle, die im Zusammenhang mit Energy-Drinks stehen sollen. Die FDA habe aber keinen kausalen Zusammenhang zwischen diesen Todesfällen und dem Konsum von Energy-Drinks herstellen können, schreibt die Sprecherin in einer Mail an den #Faktenfuchs. So ist das auch mit den Fallberichten, die das Bundesinstitut für Risikobewertung in dem Dokument sammelt.

Hohe Dunkelziffer

Nikolaus Haas, der Kinderkardiologe am LMU Klinikum, vermutet grundsätzlich eine hohe Dunkelziffer an Jugendlichen, bei denen ein möglicher Einfluss von Energy-Drinks auf ihre gesundheitlichen Probleme gar nicht untersucht werde. Die Jugendlichen werden, so beschreibt es Haas, mit Alkoholvergiftungen oder nach sonstigem Drogenkonsum in ein Krankenhaus eingeliefert. "Der Aspekt Energy-Drink, der wird da vergessen. Die werden behandelt, schlafen ihren Rausch aus und hängen an Monitoren", sagt Haas. Weil dann nicht explizit nach dem Konsum von Energy-Drinks gefragt werde und es schwierig sei, den Einfluss von Energy-Drinks neben den anderen Faktoren wie Drogen oder Vorerkrankungen auszumachen, gebe es also möglicherweise eine Datenlücke.

Das bestätigt auch Isabelle Schöffl. Zuerst müssten Ärztinnen und Ärzte dafür sensibilisiert sein, welche Konsequenzen der Konsum von Energy-Drinks haben könnte. "Und dann müsste das den Jugendlichen und deren Familien auch bewusst sein. Wenn ich nicht glaube, dass das, was mein Kind oder ich trinken, gefährlich ist, dann erzähle ich nicht davon." Die Dunkelziffer schätzt auch sie deshalb hoch ein.

Übermäßiger Konsum ist auch für Erwachsene ungesund

Juliane Menzel vom Bundesinstitut für Risikobewertung betont, dass ein moderater Konsum für gesunde Erwachsene keine gesundheitlichen Probleme verursacht. Bei chronischem Hochkonsum (regelmäßiger Konsum einer 250-ml-Dose an mindestens vier bis fünf Tagen pro Woche) unterscheiden sich aber die möglichen negativen Folgen bei Erwachsenen nicht von denen bei Jugendlichen. Die individuelle Koffein-Toleranz, Vorerkrankungen und die Dosis beeinflussen die Gesundheitsrisiken.

Jugendliche konsumieren immer mehr Energy-Drinks

"Wenn man in die Supermärkte und Discounter guckt, sind die Energy-Drinks überall vertreten", sagt Juliane Menzel. "Sie werden häufig, das ist unsere Vermutung, auch als Erfrischungsgetränk getrunken." Bisher gibt es zum Konsumverhalten aber wenig unabhängige Daten. Die Produzenten selbst melden einen steigenden Absatz. Auf der Unternehmenswebseite schreibt Red Bull, 2022 seien "weltweit 11,582 Milliarden Dosen Red Bull verkauft" worden, das bedeute ein Plus von gut 18 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auch die Monster Beverage Corporation gibt in Geschäftsberichten an, dass ihr Umsatz kontinuierlich wächst. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) veröffentlichte 2013 einen Bericht zum Konsum von Energy-Drinks in Europa: Jugendliche sind demnach die Hauptkonsumentengruppe, etwa 68 Prozent der Zehn- bis 18-Jährigen trinken Energy-Drinks.

Zwölf Prozent trinken im Schnitt vier- bis fünfmal pro Woche einen Energy-Drink, sind also chronische Hochkonsumenten, während weitere zwölf Prozent diese zwar nur gelegentlich, dann aber direkt mindestens einen Liter trinken. Circa die Hälfte der Jugendlichen konsumieren dem EFSA-Bericht zufolge Energy-Drinks in Verbindung mit Alkohol und 41 Prozent im Zusammenhang mit Sport.

In einer Umfrage des Instituts für Therapie- und Gesundheitsforschung von 2019 gaben 58 Prozent der befragten Fünft- bis Zehntklässler an, schon einmal einen Energy-Drink getrunken zu haben. Zehn Prozent der Mädchen und 16 Prozent der Jungen gaben an, Energy-Drinks vor oder während der Schule zu trinken und ein Zehntel aller befragten Schülerinnen und Schüler tranken Energy-Drinks mindestens einmal im Monat.

Fazit:

Für die Behauptung, jeden Monat sterbe ein junger Mensch an übermäßigem Konsum von Energy-Drinks, gibt es keine Belege. Es gibt keine Statistik, in der diese Zahlen zu finden sind. Welche Auswirkungen der dauerhafte und hohe Konsum von Energy-Drinks auf die Gesundheit hat, ist bislang nicht ausreichend erforscht, sagen die Experten aus Medizin und Risikobewertung. Ein maßvoller Konsum kann nach Einschätzung von Medizinern und Wissenschaftlern bei Erwachsenen unbedenklich sein. Allerdings wird davon abgeraten, Energy-Drinks vor, während oder nach dem Sport zu trinken, zusammen mit Alkohol oder anderen Drogen oder wenn man unter Bluthochdruck oder Herzkrankheiten leidet.

Auch wer große Mengen in kurzer Zeit oder regelmäßig Energy-Drinks trinkt, riskiert gesundheitliche Probleme. In diesen Fällen kann das Getränk zu Herzrhythmusstörungen führen. Zudem gibt es wohl einzelne Fälle, bei denen der Konsum von Energy-Drinks zum Tod beigetragen hat, jedoch nicht als alleiniger kausaler Faktor ausgemacht werden kann.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

Disclaimer 27.03.2023, 10:50 Uhr: Im Text wurde das Bundesinstitut für Risikobewertung zwei Mal fälschlicherweise als "Bundesamt für Risikobewertung" bezeichnet. Wir haben das ausgebessert.

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