Die Siegprämien beim Frauenfußball sind deutlich geringer als beim Männerfußball.
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Die Siegprämien beim Frauenfußball sind deutlich geringer als beim Männerfußball.

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"Equal Pay" im Fußball: Warum verdienen Frauen weniger?

Sie dribbeln, sie passen, sie schießen Tore. Die Regeln und spielerischen Abläufe sind im Frauen- und Männerfußball gleich. Das Geschlecht spielt keine Rolle. Bei den Siegprämien für Erfolge bei Turnieren gibt es dagegen noch große Unterschiede.

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Es ist der 12. Juli im vergangenen Jahr. Die Europameisterschaft der Fußballerinnen ist in der Gruppenphase. Deutschland gewinnt 2:0 gegen Spanien. Und zeitgleich nimmt die Debatte um Equal Pay Fahrt auf. Es wird politisch. Bundeskanzler Olaf Scholz besucht den neuen Campus des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) in Frankfurt und wirbt dort für die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern im Profi-Fußball – er wirbt für Equal Pay und twittert im Anschluss: "Wir haben 2022. Frauen und Männer sollten gleich bezahlt werden. Das gilt auch für den Sport, besonders für Nationalmannschaften."

Männer bekommen mehr als das Sechsfache

Nur knapp drei Wochen später stehen die Fußballerinnen der Deutschen Nationalmannschaft im Endspiel der Europameisterschaft und werden Vizeeuropameisterinnen. Ein Erfolg, von dem ihre männlichen Kollegen derzeit wohl nur träumen können. Für den zweiten Platz hat jede DFB-Spielerin eine Siegprämie von 30.000 Euro erhalten. Für den Titel hätte es das Doppelte gegeben. Die Männer hätten bei einem EM-Triumph 2021 jeweils ein Preisgeld von 400.000 Euro bekommen. Das ist mehr als das Sechsfache.

Nationalspielerin Lina Magull fordert bereits seit Längerem, dass der Verdienst der Spielerinnen im Bundesligabetrieb ab der zweiten Liga so hoch sein müsse, dass niemand mehr nebenbei arbeiten gehen muss. "Uns geht es nicht darum, dass wir die Millionen ausschöpfen, wie es die Männer tun. Aber man muss sich einfach ein bisschen annähern", meint Magull. Das sei auch wichtig, um die Entwicklung im Fußball bei den Frauen nachhaltig voranzubringen.

Das Kaffeeservice ist Geschichte

Dieser hat sich in den vergangenen Jahren stark entwickelt. Der Sport wächst an Erfolg und Popularität. Das war nicht immer so. Vor allem die ersten 50 Jahre waren zäh und Frauenfußball in der Gesellschaft kaum akzeptiert. 1955 hatten die Fußballkommentatoren noch Sätze wie "Mann decken, nicht Tisch decken" von sich gegeben.

Ende der 1980er-Jahre gab es statt Geldprämien Haushaltswaren zum überraschenden Europameistertitel. Allerdings müsse man das differenziert betrachten, sagt Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg. "Wir hatten einen reinen Amateurstatus und keine Möglichkeit, Profispielerinnen zu sein. Der DFB durfte uns damals gar keine Geldprämien bezahlen."

DFB hängt mit der Entwicklung hinterher

Den Amateurstatus haben die Nationalspielerinnen längst abgelegt. Der Fußball der Frauen erlebt einen Boom. Trotzdem hinkt der DFB mit der Entwicklung hinterher. Es gibt keine Angleichung der Prämien für Spielerinnen und Spieler. Andere Verbände sind längst weiter. In den USA haben die Nationalspielerinnen nach einem jahrelangen Rechtsstreit eine Vereinbarung mit dem nationalen Verband erzielt, die Equal Pay garantiert.

In Europa haben unter anderem die Fußballverbände von Spanien, der Schweiz und den Niederlanden angekündigt, Männer und Frauen gleich bezahlen zu wollen. In Norwegen erhalten die Nationalspielerinnen und -spieler bereits seit 2017 die gleichen Prämien. Möglich wurde diese, weil die Männer auf Geld aus ihren Sponsoring-Einnahmen verzichtet haben.

DFB-Präsident Bernd Neuendorf fordert mehr Geduld in der Equal-Pay-Debatte. "Ich bin bereit, in unseren Gremien zu diskutieren, ob unser Prämiensystem noch zeitgemäß ist oder ob man das anpassen sollte." Allerdings muss auch bedacht werden, "dass trotz gleicher Tätigkeit die Märkte immer noch sehr unterschiedlich sind."

Erst einmal Chancengleichheit

Das ist den Fußballerinnen bewusst. "Im Frauenfußball ist schon immer klar gewesen, das ist unsere Leidenschaft. Wir machen das, weil wir es lieben. Da hat keiner wegen des Geldes angefangen", erklärt Nationalspielerin Giulia Gwinn. Viel wichtiger sei zunächst Equal Play, also die Chancengleichheit in jeglicher Hinsicht, bei Trainingsbedingungen, medizinischer Behandlung und Anstoßzeiten.

Auch darüber entscheidet der Verband. Lina Magull hat Hoffnung, dass sich vieles in den kommenden Jahren verbessern wird. "Es geht immer vorwärts. Als deutsche Fußballnation sollten wir aber den Anspruch haben, uns permanent weiter zu entwickeln."

Equal Pay bei Männer-WM 2026 und Frauen-WM 2027

Je erfolgreicher eine Sportart, desto mehr Aufmerksamkeit bekommt sie. Das ist unabhängig vom Geschlecht. Der frühere DFB-Direktor Oliver Bierhoff hatte immer wieder auf die unterschiedlichen Erlösströme verwiesen, die einer Prämienangleichung beim Männer- und Frauenfußball entgegenstünde. Die Männer-Nationalmannschaft hat nach Angaben des DFB im vergangenen Jahr ein Plus von mehr als 40 Millionen Euro erwirtschaftet, bei den Frauen hat es ein Minus von 1,5 Millionen Euro gegeben.

Die FIFA zahlt bei der aktuell laufenden Fußball-WM der Frauen in Australien und Neuseeland deutlich mehr als noch vor vier Jahren. Jeder Spielerin sollen 30.000 US-Dollar garantiert sein. Für die 23 Weltmeisterinnen gibt es am Ende jeweils 270.000 Dollar. Die Prämien für die Männer-WM 2026 und die Frauen-WM in vier Jahren sollen sogar gleich sein. Das bedeutet dann: Equal Pay.

Dieser Artikel ist erstmals am 20. Juli 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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