Archivbild: Papst Franziskus
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Vatikan gegen Leihmutterschaft, Sterbehilfe und Gender-Theorie

Die katholische Kirche hat mit "Dignitas Infinita" ein Schreiben zur Menschenwürde publiziert. Darin wendet sich der Vatikan gegen deren Bedrohung durch Gewalt. Er sieht sie aber auch gefährdet durch Geschlechtsumwandlung und die "Gender-Theorie".

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Gegen Leihmutterschaft, gegen Abtreibung, gegen assistierten Suizid, gegen die Gender-Theorie und Geschlechtsumwandlung - in seinem am Montag vorgestellten Schreiben "Dignitas Infinita" zum Thema Menschenwürde betont der Vatikan einmal mehr seine Haltung zu gesellschaftlichen Reizthemen.

Nach fünf Jahren Vorarbeit mit mehreren abgelehnten Entwürfen benennt der Text die aktuellen Bedrohungen der Menschenwürde - aus katholischer Sicht - und ruft zu deren Verteidigung auf. Autor ist die zentrale Institution für die Bewahrung und Weiterentwicklung katholischer Dogmen, das Dikasterium für die Glaubenslehre im Vatikan unter Kardinal Victor Fernandez.

Bedrohungen der Menschenwürde

Zu den Bedrohungen der Menschenwürde gehören dem Text zufolge zunächst die "gesellschaftlichen Übel" Ausbeutung, Menschenhandel, Todesstrafe, Krieg und Umweltzerstörung in ihrer ganzen Bandbreite und Dramatik. Hier macht sich die neuere katholische Lehrentwicklung unter Papst Franziskus deutlich bemerkbar. Aber auch neuere Entwicklungen auf dem Gebiet der Sexual- und Fortpflanzungs-Medizin werden als Bedrohung der Menschenwürde genannt.

Auch ein kurzer Abschnitt über sexuellen Missbrauch als Verstoß gegen die Menschenwürde ist in dem Schreiben zu finden. Die Kirche setze sich "unermüdlich" dafür ein, allen Arten von Missbrauch ein Ende zu setzen, "und zwar beginnend im Inneren der Kirche".

Ausgrenzung Homosexueller ist "Verstoß gegen Menschenwürde"

Erneut äußert sich die katholische Kirche indirekt zum Thema Homosexualität. In dem Schreiben prangert der Vatikan Diskriminierung, Ausgrenzung oder Gewalt gegen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung als "Verstoß gegen die Menschenwürde" an. Unabhängig von seiner sexuellen Orientierung müsse jeder Mensch in seiner Würde geachtet und mit Respekt aufgenommen werden, ist in dem Schreiben zu lesen.

Geschlechtsumwandlung abgelehnt, Transpersonen willkommen

Geschlechtsverändernde Eingriffe allerdings werden abgelehnt. Sie bedrohen laut Vatikan die einzigartige Würde, die ein Mensch vom Moment der Empfängnis an besitze. Dies beziehe sich jedoch nicht auf medizinische Behandlungen, die aufgrund von angeborener oder sich später entwickelnder "genitaler Anomalien" durchgeführt werden. Heutzutage gebe es aber eine Tendenz, die Wirklichkeit selbst erschaffen zu wollen, erklärte der Leiter der vatikanischen Glaubensbehörde, Kardinal Victor Fernandez.

Transpersonen seien allerdings in der katholischen Kirche willkommen, betonte Fernandez bei der Vorstellung des Dokuments. Auch wenn die Kirche Geschlechtsumwandlungen ablehne, gelte die Ablehnung nicht für die betroffenen Menschen selbst und die Seelsorge für sie.

Vatikan: "ideologische Kolonisierung" durch Gender-Theorie

Der Vatikan wendet sich in "Dignitas Infinita" eindeutig gegen die Gender-Theorie. Der Anspruch, alle Menschen gleichzumachen, würde Geschlechter-Unterschiede auslöschen und habe zu "ideologischen Kolonisierungen" geführt. Außerdem unterliege der Mensch durch die Idee, über sich selbst verfügen zu wollen, dadurch der Versuchung, sich selbst zu Gott machen zu wollen.

Reaktion aus Deutschland von "unterkomplex" bis "bestärkend"

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Georg Bätzing sieht in dem Dokument eine Bestärkung für alle, die sich für die Wahrung der Menschenrechte und der Menschenwürde einsetzen.

Schulnote zwei bis drei gibt der katholische Theologieprofessor Gerhard Marschütz von der Universität Wien dem Dokument. Dass der Text zwischen verschiedenen Arten von Würde unterscheide, überrasche ihn positiv. Im ethischen Diskurs sei das durchaus wichtig. Manche anderen Themen aber würden "völlig undifferenziert" angepackt, etwa die Themen Transgender und Geschlechtsumwandlungen oder aber auch generell Genderfragen. Hier würden "katholische Echokammern" sichtbar.

Ähnlich äußert sich auch der Regensburger Moraltheologe Rupert Scheule. Mit dem Schreiben packe der Vatikan einerseits "politisch heiße Eisen" wie Armut, Gewalt an Frauen oder andere Verletzungen der Menschenwürde an, widme sich andererseits aber auch klassisch katholischen Fragen wie die des Schwangerschaftsabbruchs oder die der Suizidbeihilfe an. Er stellt dem Schreiben insgesamt ein befriedigendes Zeugnis aus.

Die "Baseline des Dokuments" sei, dass Menschenwürde immer und überall gelte. An manchen Stellen hätte er sich aber eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den jeweiligen Fragen gewünscht, so Scheule. So hält er die Kritik an der Gender-Theorie für "überraschend unterkomplex". Auf BR-Anfrage sagte der Regensburger Theologe, es scheine ihm so, "dass da das alte kirchliche Lehramt einem Missverständnis aufsitzt." Es sei ein Zerrbild zu glauben, die Gender-Theorie würde Menschen dazu auffordern, ihr Geschlecht frei nach Gusto zu wählen.

Leihmutterschaft macht Mutter und Kind laut Vatikan zum Objekt

Eindeutig positioniert sich die katholische Kirche in dem Schreiben gegen Leihmutterschaft, "durch die das unermesslich wertvolle Kind zu einem bloßen Objekt wird" und die Würde des Kindes wie auch der Mutter verletze. Das Kind habe - so die Argumentation des Vatikans - "kraft seiner unveräußerlichen Würde das Recht auf eine vollständig menschliche und nicht künstlich herbeigeführte Herkunft". Die Frau werde durch die Praxis der Leihmutterschaft losgelöst von dem Kind, das in ihr heranwachse, und "zu einem bloßen Mittel, das dem Profit oder dem willkürlichen Wunsch anderer unterworfen ist".

Vatikan sieht Beihilfe zum Suizid als "Verstoß gegen die Würde"

Klar Stellung bezieht der Vatikan auch beim Thema Sterbehilfe. "Es gibt in der Tat keine Bedingungen, ohne die das menschliche Leben nicht mehr würdig wäre und deshalb beseitigt werden könnte", heißt es in "Dignitas Infinita". In der Debatte um die Sterbehilfe werde ein "falscher Begriff von Menschenwürde verwendet". So würden Gesetze, die die Möglichkeit der Sterbehilfe oder des assistierten Suizids anerkennen, manchmal als "Gesetze zum würdevollen Sterben" ("death with dignity acts") bezeichnet. Selbst bei Schmerzen und Leiden sei das menschliche Leben "Träger einer Würde", die immer geachtet werden müsse. Dem Suizidanten zu helfen, sich das Leben zu nehmen, ist deshalb nach Ansicht des Vatikans "ein objektiver Verstoß gegen die Würde der Person, die darum bittet, selbst wenn dies die Erfüllung ihres Wunsches ist".

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