Kinder sitzen in einem Klassenzimmer und machen Hausaufgaben, daneben stehen ein Erzieher und eine Erzieherin.
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Die Ganztagsbetreuung braucht mehr Geld. Die Träger fordern vom Freistaat, die Förderpauschalen zu erhöhen.

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Bayerischer Jugendring fordert mehr Geld für Ganztagsbetreuung

Zu wenig Geld, zu wenig Personal – der Bayerische Jugendring, die Freie Wohlfahrtspflege und die Landesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit fordern vom Freistaat, die Förderung in der Ganztagsbetreuung zu erhöhen. Sonst steigen die Elternbeiträge.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Um kurz nach 13.00 Uhr steht Andreas Karthäuser im Eingang des Jugendclubs Luise und begrüßt jedes Kind mit Namen. Knapp 50 Kinder der Scharrer-Mittelschule gehen hier in die offene Ganztagsbetreuung im Nürnberger Süden. Die Kinder besuchen die Klassen fünf bis sieben.

Zuerst gibt es für alle Mittagessen, heute ist es Karottensuppe und ein Quarkauflauf. Markus Brodowsky steht hinter der Theke und schöpft die Suppe in die Teller, das ist Teil seines Jobs als Sozialpädagoge, eine Küchenhilfe hat er nicht. Brodowsky hätte lieber mehr Zeit, für die Kinder etwas vorzubereiten, aber mehr Personal ist momentan nicht drin. Markus Brodowsky und sein Chef Andreas Karthäuser sind mit großem Engagement bei ihrer Arbeit mit den Kindern.

Finanzierungslücke von 100 Millionen Euro

Hort, Mittagsbetreuung, offener und gebundener Ganztag – Betreuungsangebote gibt es viele für Grundschulkinder und Schüler und Schülerinnen von weiterführenden Schulen. Und mit dem Schuljahr 2026/2027 haben Eltern sogar einen Rechtsanspruch darauf. Einen großen Teil der Betreuung übernehmen freie Träger wie zum Beispiel der Bayerische Jugendring (BJR). Dieser fordert gemeinsam mit der Freien Wohlfahrtspflege Bayern und der Landesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit in Bayern die Förderpauschalen in der Ganztagsbetreuung zu erhöhen. Konkret fordert der BJR eine Erhöhung im offenen Ganztag um rund 30 Prozent, in den Mittagsbetreuungen um 90 Prozent. Nach Berechnungen des BJR fehlen in Bayern mindestens 100 Millionen Euro, um die derzeitigen und perspektivischen Bedarfe zu decken.

  • Zum Artikel: Bayern bei Ganztagsbetreuung noch immer Schlusslicht

Ganztag als Türöffner

BJR-Präsident Philipp Seitz mahnt an, dass immer höhere Elternbeiträge auch für berufstätige Eltern eine große Herausforderung seien und gerade für Kinder aus ärmeren Familien und bildungsfernen Milieus die Betreuungsangebote im Ganztag ein wichtiger Türöffner sind. Defizite übernehmen die Träger der Ganztagsangebote bisher selbst oder die Städte und Gemeinden bezahlen aus ihren kommunalen Mitteln, um die Strukturen aufrecht zu erhalten.

Finanzielle Probleme auch bei Diakoneo

Kostensteigerungen und Personalnot sind Probleme, die das Sozialunternehmen Diakoneo mit Sitz in Neuendettelsau ebenfalls kennt. Erst vor Kurzem wurde rückwirkend für das aktuelle Jahr eine Förderung der Bayerischen Staatsregierung gekürzt, erzählt Verna Bikas, Vorständin Bildung. Diese Gelder aus dem sogenannten "Leistungs- und Verwaltungsbonus" wurden dafür genutzt, den strammen Personalschlüssel aufzulockern und für weniger Ausfälle zu sorgen. Das bedeute laut Bildungsvorständin Verena Bikas allein für Diakoneo, dass 250.000 Euro fehlen.

Eltern müssen Kosten tragen

Gestiegene Kosten in vielen Bereichen und die fehlende Förderung hätten dazu geführt, dass nun die Eltern die Kosten tragen sollen. Das Sozialunternehmen hat ab September Kostensteigerungen von im Schnitt 40 Prozent angekündigt. Das sorgte für großen Unmut in den Elternbeiräten, den die Bildungsvorständin – selbst Mutter von zwei Kindern – gut versteht. Allerdings müsse die Situation scheinbar eskalieren, um die Probleme für die Politik von Kitas bayernweit sichtbar zu machen, so Bilkas weiter.

Abspülen gehört dazu

Im Jugendclub Luise in Nürnberg spülen heute zwei Jungs nach dem Essen die Teller. Der elfjährige Dominik meckert nicht, sondern packt mit an. Das ist für ihn selbstverständlich, denn in der Ganztagsbetreuung gehören solche Dienste zum pädagogischen Konzept. Sie helfen allerdings auch, die enge Personalsituation auszugleichen. Die Sozialpädagogen bauen Ratespiele in die Alltagstätigkeiten ein. Bevor es zu den Hausaufgaben geht, dürfen die Kinder noch eine Runde Handy spielen oder raus auf den Bolzplatz.

Unterschiedliche Lernniveaus

Für die Hausaufgaben laufen die Fünft- bis Siebtklässler zusammen mit den Sozialpädagogen zurück ins Schulgebäude. Die Scharrer-Grund- und Mittelschule ist ein großes Gebäude, vor über 100 Jahren gebaut. Die Klassenzimmer heizen sich im Sommer auf und die Schulleitung muss hitzefrei geben. Zehn Kinder betreut Markus Brodowsky. Die Lernniveaus sind sehr unterschiedlich, viele der Kinder haben Deutsch nicht als Muttersprache. Eine Stunde Hausaufgabenzeit ist für die Kinder mit Förderbedarf meist nicht ausreichend. Markus Brodowsky und seine Kolleginnen kommen sofort zum Platz, wenn ein Kind eine Frage hat. Schön wäre, wenn der Betreuungsschlüssel kleiner wäre, sagt der Sozialpädagoge, dann könnten sie das Lernen individueller gestalten.

Kicker und Bolzplatz

Um 15.00 Uhr stehen dann verschiedene Aktivitäten auf dem Programm. Die Jungs gehen gerne auf den nahegelegenen Bolzplatz oder spielen Kicker. Um 16.00 Uhr gehen die Kinder nach Hause. In der Luise sind alle stolz auf das Angebot des offenen Ganztags. Doch ohne eine Erhöhung der Fördersumme stößt auch das engagierteste Team an seine Grenze, vor allem wenn in drei Jahren der Rechtsanspruch kommt.

Vertreter des Bayerischen Jugendrings bei einem Treffen in Nürnberg
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In Nürnberg haben sich Vertreter des Bayerischen Jugendrings getroffen, um sich über die Umsetzung der Ganztagsbetreuung auszutauschen.

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