BLLV-Zwischenzeugnis: "zeigen realen Blick in Schulen"
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BLLV-Zwischenzeugnis: "zeigen realen Blick in Schulen"

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"Brauchen mehr Köpfe": Lehrerverband beklagt Unterrichtsausfälle

Für die Schüler gibt es das Zwischenzeugnis erst am Freitag, für die Staatsregierung schon heute. Mit dem will der Lehrerverband zeigen, wie viele Stunden wirklich an bayerischen Schulen ausfallen - laut BLLV viel mehr als offiziell dargestellt.

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Die Leiterin der Grundschule an der Camerloherstraße in Ismaning, Antje Radetzky, muss regelmäßig Lehrer ausborgen, nämlich an die Mittelschule. "Fünf von meinen Lehrkräften müssen stundenweise an die Mittelschule." Weil es dort zu wenig Lehrkräfte gibt. Zum Glück, sagt Radetzky, springt dann immer eine pensionierte Lehrerin aus der Gemeinde ein.

Im unterfränkischen Schweinfurt habe sich eine Lehrerin sechs Wochen lang "mit Bronchitis und nachfolgender Lungenentzündung in die Schule geschleppt", erzählt Sabrina Neckov, Schulleiterin an der Friedrich-Rückert-Grundschule. Sie habe die Lehrerin eigentlich nach Hause schicken wollen. Doch die Lehrerin wollte nicht. "Denn so eine Klasse", berichtet die Schulleiterin, "das können wir keiner unausgebildeten Lehrkraft zumuten".

Lehrerverband fordert mehr Personal

Mit "so einer Klasse" meint Neckov, dass es sich bei ihrer Schule um eine Schule mit 95 Prozent Migrationsanteil und 25 Prozent sonderpädagogischem Förderbedarf handelt. Manche Schüler sprächen kein Wort Deutsch, seien von wochenlangen Aufenthalten in Flüchtlingslagern in der Türkei traumatisiert. Und "manche wissen nicht mal, wie man einen Stift hält".

Auch das gehört zum bayerischen Schulalltag. Und da sei es nicht getan mit "ein bisschen Mathe-Arbeitsblatt hier und da", sagt Neckov. "Wir brauchen einfach mehr Köpfe."

Mehr Personal – also genau das, was an bayerischen Grund- und Mittelschulen Mangelware ist, sagt Simone Fleischmann, die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnen-Verbands (BLLV). Und da ist Fleischmann auch schon beim versprochenen Zwischenzeugnis.

Mehr ausgefallene Schulstunden als offiziell angegeben?

"Wir zeigen den realen Blick in die Schulen", heißt es in dem symbolischen Zwischenzeugnis, das der BLLV heute dem Kultusministerium ausstellte. Fleischmann bringt ein konkretes Beispiel: An einer Grund- und Mittelschule in Oberfranken seien Ende Januar in einer Woche über die Hälfte (54 Prozent) des Unterrichts ausgefallen.

"Ihnen ist schon klar, was dann so platte Ansagen bedeuten, wir bräuchten mal mehr Deutsch und mal mehr Mathe", warnt Fleischmann. Sie bezieht sich auf eine Debatte, die Anfang Februar nach dem teils beunruhigenden Abschneiden Deutschlands bei der jüngsten Pisa-Studie aufkam. Damals hatte Bayerns Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) mehr Mathe- und Deutschstunden angekündigt – noch ist allerdings unklar, zulasten welcher anderen Fächer.

Ministerium: "niedriges Niveau" ausgefallener Stunden

Laut Kultusministerium fallen an allen staatlichen Schularten zwei Prozent aller Schulstunden aus. Dies sei stichprobenartig erhoben worden. Das würde nicht der Realität entsprechen, behauptet der BLLV. In Wirklichkeit fielen deutlich mehr aus – an manchen Schulen über acht Prozent. Das Kultusministerium sagt hierzu: "Selbstverständlich können die entsprechenden Quoten einzelner Schulen hiervon abweichen." Schulen bekämen aber bei Ausfällen mobile Reserven zugeteilt und hätten Spielraum für eine flexible Vertretungsgestaltung.

Corona-Notmaßnahmen zurücknehmen

Der BLLV wird konkret: Er fordert, dass das Kultusministerium die Corona-Notmaßnahmen von 2020 zurücknimmt. Heißt unter anderem: wieder eine Stunde weniger Unterricht pro Lehrkraft, früher in Rente und Sabbatjahre wieder genehmigen. Damit erhofft sich Fleischmann, den Lehrerberuf langfristig attraktiver zu machen.

Dass diese Forderung den Lehrermangel kurzfristig aber alles andere als lösen wird, ist Fleischmann klar: "Woher wir morgen mehr Lehrer bekommen, weiß ich auch nicht."

Aus dem Kultusministerium heißt es: Eine Rücknahme ist momentan nicht vorgesehen. Dafür soll eine geplante "Entbürokratisierung" mehr Zeit für die pädagogische Arbeit schaffen und Lehrkräfte entlasten.

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