Vor dem Einkaufszentrum in Murnau am Staffelsee werden am späten Samstagnachmittag zwei Personen mit schweren Stichverletzungen entdeckt. Um 17.20 Uhr geht bei der Einsatzzentrale des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd die Mitteilung über zwei schwerverletzte Männer in Murnau, Burggraben, ein. Einer ist bereits tot, der andere verstirbt kurze Zeit später im Krankenhaus.
Sofort beginnt die Polizei mit der Fahndung. Noch am selben Abend wird ein 57-jähriger Tatverdächtiger in seiner Wohnung unweit des Tatortes festgenommen. Die bisherigen Erkenntnisse:
Wer sind die Opfer?
Das eine Opfer, ein 36-jähriger Mann, war bereits gestorben, als die Rettungskräfte am Einsatzort eintrafen. Das andere Opfer, ein 23-jähriger Mann, wurde vor Ort reanimiert und in eine Klinik gebracht, erlag dort aber auch seinen schweren Verletzungen. Die Obduktion der beiden Leichen ergab Hinweise darauf, dass sie durch schwere Stichverletzungen starben.
Dem ukrainischen Außenministerium zufolge handelte es sich bei den Opfern um ukrainische Soldaten, die sich nach Kriegsverletzungen zur medizinischen Rehabilitation in Deutschland aufhielten.
Das bestätigte auch das Landratsamt Garmisch-Partenkirchen dem Bayerischen Rundfunk. Der eine kam demnach letzten August nach Deutschland, der andere letzten Dezember. Beide wurden wegen Armverletzungen im Unfallklinikum Murnau behandelt. Zur Nachbehandlung der Kriegsverletzungen lebten die beiden in einer Unterkunft für Geflüchtete in Murnau.
Es werde geklärt, in welchen ukrainischen Einheiten die Männer gedient hätten, heißt es in einer Pressemitteilung des ukrainischen Außenministeriums. Es werde auch Kontakt zu den Angehörigen aufgenommen.
Wer wurde festgenommen?
Der mutmaßliche Täter, ein 57-jähriger Russe, wohnt den Ermittlern zufolge bereits seit Anfang der 90er-Jahre in Deutschland, seit 2015 ist er in Murnau gemeldet. Er ließ sich nach Polizeiangaben widerstandslos festnehmen. Er befindet sich in Untersuchungshaft. Im Vorfeld war der mutmaßliche Täter schon öfter aufgefallen, wie Anwohner berichten. Auch der Polizei war er bekannt, schon mehrfach soll er mit dem Gesetz in Konflikt geraten sein.
Wie das Polizeipräsidium Oberbayern Süd am Sonntag mitteilte, hat ein Ermittlungsrichter bei der Vorführung des Mannes auf Antrag der Staatsanwaltschaft München II Haftbefehl erlassen. Dem 57-Jährigen wird zweifacher Mord vorgeworfen. Der Beschuldigte wurde unmittelbar nach dem Beschluss in eine Justizvollzugsanstalt gebracht.
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba dankte den deutschen Ermittlern für die schnelle Festnahme des Tatverdächtigen, wie es in der Mitteilung des ukrainischen Außenministeriums heißt.
Ging es um den russischen Angriffskrieg in der Ukraine?
Nach ersten Informationen soll ein Streit mit den Ukrainern der Grund für die Tat sein. Der Mann war alkoholisiert und habe die Tat eingeräumt, heißt es von der Polizei. Worum es bei dem Streit genau ging, ist noch unklar.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann äußerte sich am Sonntag: "Es gibt Zeugenaussagen, dass man die drei Beteiligten auch zuvor schon miteinander gesehen hat. Es gibt Hinweise darauf, dass sehr viel Alkohol im Spiel war bei allen Beteiligten. Das muss alles geklärt werden." Ein Murnauer berichtete BR24, der Tatverdächtige und seine zwei Opfer seien miteinander befreundet gewesen und hätten erst vor Kurzem noch zusammen Bier getrunken.
Im Moment gebe es laut Herrmann noch keinen zwingenden Hinweis, dass es sich um eine "Widerspiegelung der Auseinandersetzung zwischen Russland und Ukraine" handle. Eine solche wäre laut Freie-Wähler-Fraktionschef Florian Streibl auch eine "Katastrophe für die Region". Es dürfe nicht sein, "dass dieser Konflikt hier bei uns im Oberland ausgetragen wird", so Streibl.
Sorgen und Spekulationen – Wie ist die aktuelle Lage in Murnau?
Am Tatort vor dem Einkaufszentrum mitten in Murnau liegen Blumen, Fotos und letzte Grüße an die Mordopfer. Die Anteilnahme im Ort ist groß, die Frage nach dem Warum beschäftigt viele. Die Bewohner des beschaulichen Kurorts Murnau stehen unter Schock. "Ich war schon etwas entsetzt, muss ich sagen. Dass so was auch in meiner Lieblingsstadt Murnau passieren kann – also das hat mich schon sehr betroffen gemacht", sagte eine Passantin am Tag nach der Tat.
Die ukrainische und die deutsche Gemeinschaft seien geschockt, sagt Murnaus Bürgermeister Rolf Beuting (ÖDP). Vor 30 Jahren gab es das letzte Tötungsdelikt im Ort, aber so eine Bluttat hat es seit Ende des Zweiten Weltkrieges nicht gegeben. Über 200 ukrainische Flüchtlinge leben in der 12.000-Einwohner-Gemeinde. Einen Zusammenhang mit dem Krieg zwischen Russland und der Ukraine sieht der Bürgermeister nicht. Im BR-Interview nennt er die Tat einen bedauerlichen Einzelfall, "in dem wohl sehr viel Alkohol eine Rolle gespielt hat".
Wie reagiert die Bundesregierung?
Regierungssprecher Steffen Hebestreit hat die Bluttat von Murnau mit zwei erstochenen ukrainischen Soldaten als "besorgniserregenden Vorfall" bezeichnet. Auf eine Journalistenfrage sagte er in der Bundespressekonferenz in Berlin am Montag, jetzt müssten die Umstände genauer untersucht werden. Das sei Sache der Behörden in Bayern.
Hebestreit betonte, man könne über das Motiv der Tat nur spekulieren, man halte sich aber zurück, weil die Grundlage dünn sei. Wörtlich sagte der Regierungssprecher: "Klar ist, dass wir so etwas auf deutschem Boden sowieso nicht dulden können, und dass die Ukrainerinnen und Ukrainer, die zu uns sich geflüchtet haben vor dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine hier sicher sein müssen, insbesondere auch sicher vor Nachstellungen."
Wie geht es bei den Ermittlungen jetzt weiter?
Am Montag übernahm die Generalstaatsanwaltschaft München die Ermittlungen. Eine politische Tatmotivation könne nicht ausgeschlossen werden, sagte ein Sprecher der Anklagebehörde. Konkret zuständig innerhalb der Behörde ist die Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET).
Zur Klärung des Verbrechens bittet die Kriminalpolizei Garmisch-Partenkirchen Zeugen noch um Hinweise.
Der ukrainische Außenminister habe seine Diplomaten angewiesen, den Fall besonders im Blick und den ständigen Kontakt zu den Sicherheitsorganen Deutschlands zu halten, damit der Verdächtige nach der ganzen Härte des Gesetzes bestraft werde, teilte das ukrainische Außenministerium am Sonntagabend mit.
Im Video: BR24live – Gewalttat in Murnau
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