Dieser Artikel ist der zweite einer #Faktenfuchs-Serie zur Windkraft. In den kommenden Wochen werden wöchentlich Faktenchecks zu Behauptungen rund um die Windkraft erscheinen. Den ersten Teil - Wie lange bleiben Windräder am Netz? - können Sie hier nachlesen.
Darum geht’s:
- Eine durch ein Windrad versiegelte Fläche hat laut Experten noch keinen Einfluss auf das Grundwasser
- Windräder enthalten zum Teil wassergefährdende Stoffe; das Risiko einer Kontamination ist allerdings nicht höher als bei anderen Baumaßnahmen
- Der Grundwasserspiegel wird in Ausnahmefällen für die Dauer des Baus eines Windrads abgesenkt
Windräder sollen das Klima schützen. Doch im Netz gibt es Behauptungen, Windräder würden der Umwelt schaden. Zum Beispiel dem Grundwasser. Die am weitesten verbreitete Behauptung: Windräder beeinträchtigen die Menge und die Qualität des Grundwassers. Doch das stimmt so nicht. Der #Faktenfuchs hat sich einige Behauptungen angeschaut und beleuchtet die Hintergründe.
Behauptung 1: Windräder belasten das Grundwasser durch Versiegelung
Fakt ist: Beim Bau von Windkraftanlagen werden Flächen versiegelt. Allerdings ist das Ausmaß laut Experten nicht so gravierend, dass dies Auswirkungen auf das Grundwasser hätte.
Betrachten wir den Sachverhalt genauer: Damit Windräder stabil im Boden stehen, werden sie durch Beton befestigt. Diese Flächen sind dann versiegelt, das heißt laut einer Beschreibung des Umweltbundesamts, der Boden wird luft- und wasserdicht abgedeckt. Regenwasser kann dann nicht mehr so gut versickern, wodurch die Grundwasservorräte nicht aufgefüllt werden können. Eine weitere Folge der Versiegelung: Nähr- und Schadstoffe können nicht so leicht vom Boden gefiltert werden. Wenn dadurch zum Beispiel der Grenzwert von 50mg Nitrat je Liter überschritten wird, eignet sich das Wasser nicht mehr als Trinkwasser. Ein weiteres Argument, das Windkraftgegner vorbringen: Flächen werden nicht nur für das Windrad selbst, sondern auch für Zufahrtsstraßen und Parkplätze versiegelt. Das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) geht in seinem Merkblatt von Flächen mit einem Durchmesser von bis zu 100 Meter nur für den Verkehr und Transport aus. Hinzu kommt die versiegelte Fläche für das Windrad-Fundament: Die Fundamentplatte ist laut LfU bis zu vier Meter tief und besitzt einen Durchmesser von 20 bis 30 Meter.
- Dass für den Bau von Windrädern nicht “ganze Wälder” gerodet werden, wie häufig behauptet, erläutert dieser #Faktenfuchs.
Effekt der Windrad-bedingten Versiegelung sei “verschwindend gering”
Jede versiegelte Fläche strapaziert die Neubildung und die Qualität des Grundwassers. Doch welchen Einfluss hat die versiegelte Fläche durch Windräder darauf? Thomas Himmelsbach von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) hält den Effekt für “verschwindend gering”. Betrachte man die Gesamtfläche, auf die der Niederschlag herunterkomme, habe die durch ein Windrad versiegelte Fläche keinen negativen Einfluss auf die Neubildung des Grundwassers. “Das Wasser findet seinen Weg”, sagt Himmelsbach. Um das Windrad herum gebe es noch genügend Fläche, durch die das Wasser versickern könne, zum Beispiel, weil auch zwischen Windrädern ein Abstand eingehalten werden muss. Dieser Abstand hängt dabei von den Vorgaben des jeweiligen Bundeslands, etwa in Bezug auf die Höhe des Windrads, ab.
In Regionen, die stark versiegelt sind, gebe es außerdem Ausgleichsmaßnahmen, damit das Wasser durch spezielle Versickerungsbecken besser ablaufen könne, erklärt Benjamin Kopp, Grundwasser-Experte beim LfU. Gezielte Forschung, ob es lokale Auswirkungen der Versiegelung durch Windkraftanlagen auf das Grundwasser gibt, wurden bislang zwar nicht betrieben. Auffällige Entwicklungen sind dem LfU aber nicht bekannt.
Versiegelung für Straßen und Wohnanlagen viel größeres Problem
Im Vergleich zu Windrädern hält Thomas Himmelsbach von der BGR die Versiegelung für Straßen oder Wohnanlagen für ein viel größeres Problem. Zum Vergleich: Laut den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder waren 2019 rund 6,3 Prozent der gesamten Fläche Deutschlands versiegelt.
- Lesen Sie hier: #Faktenfuchs: Wie stark versiegelt ist München wirklich?
Diese Zahlen sind allerdings nicht vollständig: “Eine flächendeckende, detaillierte Erfassung der Bodenversiegelung in Deutschland gibt es nicht”, schreibt das Umweltbundesamt. In die Berechnung der statistischen Ämter werden deshalb nur Flächen einbezogen, die für Siedlungs- und Verkehrszwecke bebaut wurden. Zu den “Siedlungs- und Verkehrszwecken” gehören nicht nur Straßen und Wohnbauflächen, sondern auch Industrie- und Gewerbeflächen. Konkrete Zahlen dazu, wie viel Fläche für Windräder versiegelt wurde, gibt es also nicht.
Dafür gibt es Zahlen zur ausgewiesenen Fläche für verschiedene Bereiche: Laut einem Bericht des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2017 sind 0,9 Prozent der bundesdeutschen Gesamtfläche für Windkraftanlagen ausgewiesen. Das entspricht 3.131 km².
Die ausgewiesene Fläche für Siedlung und Verkehr, die für die Berechnung der versiegelten Fläche herangezogen wurde, belief sich laut Statistischem Bundesamt für das Jahr 2020 auf 14 Prozent, also 50.196 km². Das Statistische Bundesamt hält Flächen, die außerhalb von Siedlungs- und Verkehrszwecken liegen, bei der Versiegelung für “quantitativ relativ unbedeutend”.
Zwischenfazit: Die Versiegelung von Flächen macht dem Grundwasser zu schaffen. Zwar werden auch für den Bau von Windkraftanlagen Flächen versiegelt, Experten schätzen negative Auswirkungen auf das Grundwasser aber als gering ein.
Behauptung 2: Windräder enthalten wassergefährdende Stoffe, die das Grundwasser kontaminieren
Die Initiative “Vernunftkraft” argumentiert auf ihrer Website gegen Windräder, da die enthaltenen Betriebsstoffe das Grundwasser verunreinigten. Allerdings: Das Risiko ist nicht höher als bei anderen Baumaßnahmen.
Für den Betrieb von Windkraftanlagen werden je nach Anlage Getriebe- und Hydrauliköle, Schmiermittel, Kühlmittel und Öltransformatoren verwendet. Das bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) stuft Windkraftanlagen in einem Merkblatt deshalb als “Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen” ein. Auf seiner Webseite konkretisiert das LfU: “Als wassergefährdende Stoffe gelten reine Stoffe oder Stoffgemische, die geeignet sind, dauerhaft oder in einem nicht nur unerheblichen Ausmaß nachteilige Veränderungen der Wasserbeschaffenheit herbeizuführen”.
Das bedeutet, dass Windräder nicht in Wasserschutzzonen gebaut werden dürfen. Hier gibt es allerdings Ausnahmen: In den Wasserschutzzonen 1 und 2 ist laut LfU die Errichtung von Windrädern generell untersagt. In diesen Gebieten darf in Deutschland grundsätzlich nicht gebaut werden. Ausnahmen werden von den zuständigen Landesbehörden geregelt. Damit Windanlagen in der Wasserschutzzone 3 gebaut werden können, muss die jeweils zuständige Kreisverwaltungsbehörde den individuellen Fall prüfen und genehmigen. In dieser weiteren Schutzzone sind Windräder nur unter “besonderen Sicherheitseinrichtungen” erlaubt, schreibt das Bundesministerium für Umwelt.
“Besondere Sicherheitseinrichtungen” sind zum Beispiel Auffangwannen, die diese wassergefährdenden Stoffe auffangen können, damit sie nicht ins Grundwasser gelangen. Diese Wannen werden aber nicht standardmäßig installiert: Sie werden nur bei erhöhtem Risiko gebaut, zum Beispiel bei einem Bau in Wasserschutzzone 3, erklärt Dirk Sudhaus von der Fachagentur Windenergie an Land auf Nachfrage des #Faktenfuchs. Das LfU listet in seinem Merkblatt weitere Sicherheitsmaßnahmen auf, zum Beispiel die Verwendung von biologisch leicht abbaubarem Getriebeöl oder einem automatischen Anlagenstopp und Alarm bei Lecks.
Von intakten Windrädern geht in der Regel keine Gefahr für das Grundwasser aus
Doch wann treten diese Stoffe überhaupt aus? Das Risiko, dass Stoffe das Grundwasser kontaminieren, gibt es nur im Havariefall - also im Fall von Unfällen oder Schäden, zum Beispiel bei einem Brand oder eben Leck. “Bei intakten Windenergieanlagen sollten keine wassergefährdenden Stoffe aus der Anlage austreten”, erklärt Sudhaus.
Doch auch beim Bau der Anlagen besteht ein Risiko: Tiefe Arbeiten in der Erde, die sich auf die Höhe oder die Beschaffenheit des Grundwassers auswirken, können die Schutzwirkung des Bodens beeinflussen, schreibt die hessische Landesenergieagentur. Das kann zum Beispiel beim Bau von Zufahrtswegen, Fundamentflächen oder Kranstellflächen der Fall sein. “Das Risiko beim Windenergieanlagenbau ist dabei jedoch nicht größer als bei anderen Baumaßnahmen und Maschineneinsätzen”, heißt es von der hessischen Landesenergieagentur.
Wie hoch das Risiko eines Austritts ist und wie wassergefährdend die Stoffe sind, das hängt von der jeweiligen Anlage ab. Doch selbst im Havariefall würden nur wenige Mengen der Betriebsstoffe austreten: Von den - je nach Typ - insgesamt 3.600 Litern treten erfahrungsgemäß rund 100 Liter aus, sagt Sudhaus. Als gefährlich schätzt er diese Menge nicht ein: Die Betriebsstoffe der Windräder können alle den Gefährdungsstufen eins und zwei zugeordnet werden, schreibt die hessische Landesenergieagentur. Die Betriebsstoffe der Windräder sind demnach schwach bis deutlich wassergefährdend. Stark wassergefährdende Stoffe wie Benzin, die der Stufe drei entsprechen, sind nicht enthalten.
Die Windanlagen unterscheiden sich darin, wie stark sie Wasser potenziell gefährden, erklärt Sudhaus. Getriebelose Windkraftanlagen haben einen geringeren Einsatz an wassergefährdenden Stoffen, weil zum Beispiel Getriebe- und Hydrauliköle nicht benötigt werden. Diese Anlagen seien dann für Standorte in Wasserschutzgebieten besser geeignet, meint Sudhaus, denn das Risiko einer Kontamination sei noch geringer.
Im Jahr 2019 hatten in Bayern nach Angaben des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz 45 Windkraftanlagen ihren Standort in Trinkwasserschutzgebieten der Zone 3. Fälle von Verunreinigung des Grundwassers waren der Staatsregierung nicht bekannt. Das bestätigen auch die Fachagentur Windenergie an Land, der Bund Naturschutz und das LfU auf Nachfrage. Auch ein Sprecher des Bundesamtes für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) schreibt dem #Faktenfuchs: “Nach unserer Kenntnis ist es bisher nicht zu nennenswerten Belastungen des Grundwassers durch Windkraftanlagen gekommen.” Allerdings: Belastbare Daten, wie häufig das Grundwasser durch Stoffe aus Windrädern belastet wird, werden in Deutschland nicht gesammelt, sondern nur an die zuständigen Wasserbehörden gemeldet.
Zwischenfazit: Windenergieanlagen enthalten wassergefährdende Stoffe, die im schlimmsten Fall das Grundwasser verunreinigen können. Deshalb dürfen Windräder auch nicht in Wasserschutzzonen gebaut werden. Es gibt aber zahlreiche Regelungen und Baumaßnahmen, die eine Grundwasser-Verschmutzung verhindern sollen. Und: Das Risiko einer Kontamination ist beim Betrieb und Bau von Windrädern nicht höher als bei anderen Baumaßnahmen, zum Beispiel Häusern, Autobahnen oder Brücken, schreibt die hessische Landesenergieagentur.
Behauptung 3: Beim Bau von Windrädern wird der Grundwasserspiegel abgesenkt
Grundsätzlich muss bei Bauarbeiten manchmal Grundwasser entzogen werden, wenn dieses zu nahe an die Oberfläche des Fundaments grenzt. Das Argument, das im Netz kursiert: Der Grundwasserspiegel in Deutschland sinke stark und werde durch den Bau von Windrädern noch mehr belastet. Das könne negative Konsequenzen auf die Verfügbarkeit von Trinkwasser haben. Aber muss für den Bau von Windrädern der Grundwasserspiegel wirklich abgesenkt werden? Und ist dieser Effekt bedeutend?
Die Antwort lautet: Nein. Ein Sprecher des LfU erklärt: “Da Windkraftanlagen in der Regel auf Anhöhen erbaut werden, ist dort nicht mit oberflächennahem Grundwasser zu rechnen. In Einzelfällen kann unter Umständen eine kleinräumige Entwässerung für die Bauphase notwendig sein.” Bei sehr hohem Grundwasserstand kann es also sein, dass das Wasser für den Bau des Fundaments abgesenkt werden muss.
Dirk Sudhaus von der Fachagentur Windenergie an Land sagt: “Fundamente haben eine Fläche von ca. 500 m². Die Absenkung erfolgt also sehr lokal und nur für die Zeit des Baus des Fundamentes.” Dass eine solche Absenkung den Grundwasserspiegel nachhaltig beeinflusst, ist laut Sudhaus und LfU also unwahrscheinlich.
Verantwortlich für das sinkende Grundwasservorkommen ist vielmehr der Temperaturanstieg durch den Klimawandel, informiert das Bayerische Landesamt für Umwelt. Dadurch verdunstet das Wasser stärker und Starkregenfälle häufen sich, bei denen die Niederschläge nicht vom Boden aufgenommen werden können. Das bestätigt auch eine Studie des Karlsruher Instituts für Technologie. Die Forschenden modellierten verschiedene Szenarien des Klimawandels. Das Ergebnis: In jedem Szenario wirkt sich der Klimawandel negativ auf den Grundwasserspiegel und die Wasserverfügbarkeit hierzulande aus.
Zwischenfazit: In Ausnahmefällen muss der Grundwasserspiegel für den Bau von Windrädern abgesenkt werden. Das betrifft aber nur die kleinräumige Fläche der Fundamente und verursacht keinen allgemeinen Rückgang des Grundwassers.
Fazit:
Windräder haben keinen pauschalen negativen Einfluss auf die Qualität und die Menge des Grundwassers. Zwar werden durch den Bau von Windkraftanlagen Flächen versiegelt, doch Experten schätzen den Effekt dieser Versiegelung im Vergleich zu anderen Baumaßnahmen als relativ unbedeutend ein.
Auch die Behauptungen über wassergefährdende Stoffe stimmen zum Teil, ihnen fehlt aber die Einordnung: Zwar ist es richtig, dass Windräder solche Stoffe enthalten und diese das Grundwasser verunreinigen können. Aber das Risiko der Kontamination wird durch die Regelungen zu Trinkwasserschutzgebieten und gesetzliche Mindestanforderungen an die Anlagen minimiert. Es sind bisher in Deutschland keine Fälle der Kontamination bekannt.
Es stimmt auch, dass der Grundwasserspiegel für den Bau von Windrädern vereinzelt auf kleiner Fläche abgesenkt werden muss. Das hat aber laut LfU und der Fachagentur Windenergie an Land keinen nachhaltigen Einfluss auf den Grundwasserspiegel in Deutschland.
Windräder können also ein Risiko für das Grundwasser sein. Doch die Einschätzungen der Experten zeigen, dass die Behauptungen meistens überschätzen, dass die Risiken tatsächlich eintreten. Grundsätzlich gelten für den Bau und den Betrieb von Windanlagen in Wasserschutzgebieten der Zone 3 dieselben Anforderungen wie für andere Bauwerke und Anlagen. Damit bestehen auch ähnliche Risiken für das Grundwasser.
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