Einsam und allein Was ihr gegen Einsamkeit tun könnt, bevor sie euch krank macht

Von: Simone Peer

Stand: 13.12.2023

Die Zahl einsamer Menschen in Deutschland steigt - besonders unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Einsamkeit kann krank machen, manche Wissenschaftler bezeichnen sie als neue Pandemie. Wie äußert sich Einsamkeit und was könnt ihr dagegen tun?

Ein Mädchen sitzt vor einem Plattenbau in Leipzig-Gruenau. Die Zahl einsamer Menschen in Deutschland steigt, besonders unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Einsamkeit kann krank machen. Was könnt ihr dagegen tun? | Bild: picture alliance / ZB | Thomas Eisenhuth

Symptome und Folgen: Warum euch Einsamkeit krank machen kann

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Einsamkeit als "Pandemie des 21. Jahrhunderts" bezeichnet. Sie sei dabei nicht nur ein Phänomen unter älteren Menschen in reichen Ländern, berichtet die WHO. Menschen aller Altersstufen in vielen Ländern litten darunter. Unter jungen Menschen seien nach Studien weltweit fünf bis 15 Prozent betroffen, unter den älteren Menschen ein Viertel. Diese Schätzungen seien vermutlich noch zu niedrig.
Einsamkeit ist nicht einfach nur ein gesellschaftliches Phänomen, sie kann richtig krank machen und sogar unsere Lebensdauer verkürzen. Wer einsam ist, kann sowohl unter psychischen als auch unter körperlichen Symptomen leiden. Anzeichen und Folgen lang anhaltender Einsamkeit können unter anderem sein:
Schlafstörungen, Müdigkeit, Leistungsabfall, wenig Bewegung, ungesundes Essverhalten, Vertrauensverlust in Personen und Institutionen, ein Gefühl der Leere spüren, sich ausgeschlossen fühlen, Traurigkeit, Verzweiflung, Nervosität, Reizbarkeit, ein hohes Stresslevel, soziale Angst, Rückzug und Gedanken an den Tod. Spätfolgen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen können außerdem ein geringeres Einkommen sowie ein erhöhtes Risiko für Einsamkeit im Erwachsenenalter sein.

Unser Körper reagiert auf Einsamkeit mit Stress. Er schüttet dann das Stresshormon Cortisol aus. Wenn das lange Zeit der Fall ist, steigt die Menge an Cortisol im Körper. Das begünstigt zum Beispiel Krankheiten wie Diabetes und Bluthochdruck und schwächt das Immunsystem. Laut Weltgesundheitsorganisation sind soziale Isolation und Einsamkeit auch mit Angstzuständen, Depressionen, Demenz und Suizid verbunden. Außerdem können sie das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfälle erhöhen.
Einsamkeit hat nicht nur schwerwiegende Auswirkungen auf unsere Gesundheit, sondern auch auf unsere Lebensdauer. Die Auswirkungen auf die Sterblichkeit sei vergleichbar mit denen anderer bekannter Risikofaktoren wie Rauchen, Fettleibigkeit und körperliche Inaktivität, erklärt die WHO.

Einsamkeit: Ab wann sollte ich mir Hilfe holen?

Portrait Dr. Janosch Schobin, Soziologe an der Universität Kassel. Die Zahl einsamer Menschen in Deutschland steigt, besonders unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Einsamkeit kann krank machen. Was könnt ihr dagegen tun? | Bild: Dr. Janosch Schobin

"Wir haben dafür keine medizinisch gute Antwort, weil wir nicht genau wissen, wie lange wir einsam sein müssen, bevor wir negative Gesundheitsauswirkungen haben. Aber praktisch betrachtet: Wenn ich Schwierigkeiten habe, die Einsamkeit noch allein zu bewältigen, es mich sehr stark belastet und ich nicht weiß, was ich tun sollte, damit es besser wird, dann sollte ich mir Hilfe holen. Wenn ich meine Strategien und Möglichkeiten erschöpft habe, dann ist das der Moment, an dem ich mich an Dritte wenden sollte. Und man wird erstaunt sein, wie viel mehr Hilfe man bekommt als man dachte."

Dr. Janosch Schobin, Soziologe an der Universität Kassel und Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Forschung des 'Kompetenznetzes Einsamkeit' des Instituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Frankfurt am Main

Audio: Warum Einsamkeit krank macht

Fakten: Wer ist in Deutschland von Einsamkeit betroffen?  

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erklärt, dass sowohl ältere als auch jüngere Menschen in Deutschland unter Einsamkeit leiden. Besonders von Einsamkeit bedroht sind dabei Menschen, die vor einem neuen Lebensabschnitt oder einer Übergangssituation stehen: Zum Beispiel, wenn sie mit dem Studium oder einer Ausbildung beginnen, ins Berufsleben starten oder in Rente gehen. Auch Menschen, die ein Schicksalsschlag trifft, wie eine Trennung oder der Tod eines geliebten Menschen, haben ein erhöhtes Risiko unter Einsamkeit zu leiden. Ebenso Alleinerziehende, Singles, pflegende Angehörige sowie Menschen mit Migrationshintergrund, eingeschränkter Mobilität, gesundheitlichen Problemen, niedriger Bildung oder geringen finanziellen Möglichkeiten.

In Deutschland fühlt sich jeder vierte Erwachsene sehr einsam

25 Prozent der erwachsenen Bundesbürger fühlen sich sehr einsam, wie das "Deutschland Barometer Depression 2023" der "Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention" zeigt. Für die Studie wurden mehr als 5.100 Personen zwischen 18 und 69 Jahren befragt. Dieses subjektive Empfinden ist dabei zu einem großen Teil unabhängig von der tatsächlichen Zahl der Sozialkontakte. 40 Prozent der Älteren zwischen 60 und 69 Jahren geben an, nur wenige soziale Kontakte zu haben. Bei den Jüngeren zwischen 18 und 59 Jahren fällt der Anteil der Befragten mit wenigen Sozialkontakten mit 22 Prozent deutlich geringer aus.
Obwohl sie eine geringere Anzahl an sozialen Kontakten haben, berichten ältere Menschen seltener als jüngere, sich sehr einsam zu fühlen. Insgesamt haben 86 Prozent aller befragten Bundesbürger das Gefühl, dass sie heute einsamer sind als noch vor zehn Jahren. Bei Menschen mit Depression gab sogar jeder Zweite an, von großer Einsamkeit betroffen zu sein. Ein Grund ist der krankheitsbedingte soziale Rückzug der Betroffenen.

Weit verbreitete Einsamkeit unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen

Laut einer Studie aus dem Jahr 2023, durchgeführt im Auftrag der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen (NRW), ist Einsamkeit bei jungen Menschen sehr verbreitet und hat vermutlich durch die Covid-19-Pandemie zugenommen. Unter fast 1.000 Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 16 und 20 Jahren, die im Herbst 2023 in NRW befragt worden waren, sind rund 16 bis 18 Prozent sehr einsam. Bei den jüngeren Befragten, knapp 1.250 Achtklässler zwischen 13 und 15 Jahren, sind es knapp vier bis elf Prozent. Zählt man diejenigen hinzu, die sich moderat einsam fühlen, steigen diese Werte sogar auf rund 51 Prozent bis 78 Prozent bei den älteren und auf 27 Prozent bis rund 68 Prozent bei den jüngeren Jugendlichen. Die Spannen in den Ergebniszahlen kommen dadurch zustande, weil nach Geschlecht und in zwei Arten von Einsamkeit, emotional und sozial, getrennt wurde.

Vergleichbare bundesweite Daten zeigen ebenfalls gestiegene, hohe Einsamkeitswerte, erklärt die Einsamkeitsforscherin Prof. Dr. Maike Luhmann, die auch die Bundesregierung berät. Es gebe wenig Vergleichsdaten für junge Menschen, aber eine Zunahme in Deutschland sei eindeutig, sagt die Expertin der Ruhr-Universität Bochum.
Ein erhöhtes Risiko für Einsamkeit haben Jugendliche, die arbeitslos sind und mit finanziellen Einschränkungen leben müssen, Jugendliche, die nur ein oder gar kein Elternteil in ihrem Leben haben, sowie Jugendliche, die mit besonderen Belastungen wie negativen Lebensereignissen, psychischen Erkrankungen oder Diskriminierungserfahrungen umgehen müssen. Auch ein überhöhter Konsum digitaler Medien spielt eine Rolle. Ein weiteres Ergebnis der Studie: Enge Freundschaften sind bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ein besonders wichtiger Schlüssel gegen Einsamkeit. Die Forscher haben konkrete Handlungsempfehlungen abgeleitet: Es sollten unter anderem mehr Wissen über Einsamkeit vermittelt sowie die sozialen und emotionalen Kompetenzen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen gestärkt werden. Mehr Begegnungsorte seien wichtig. Jugendliche müssen dort angesprochen werden, wo sie sich aufhalten, in der Schule und im Internet.

Negative Auswirkungen von Einsamkeit bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen

Eine weitere Studie aus dem Jar 2023, gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, zeigt, dass Jugendliche und junge Erwachsene, die angaben einsam zu sein, häufiger Verschwörungsmythen und autoritären Haltungen zustimmen sowie politische Gewalt billigen. Befragt wurden Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 16 und 23 Jahren in Tiefeninterviews und Fokusgruppen. Die Erkenntnisse aus diesen Gesprächen wurden anschließend in einer repräsentativen Umfrage mit über 1.000 jungen Menschen überprüft. Wichtige Ergebnisse der Studie sind unter anderem:

  • Junge einsame Menschen stimmen häufiger Verschwörungserzählungen und politischer Gewalt zu. 55 Prozent der Befragten fehlen manchmal oder immer Gesellschaft. 26 Prozent haben nicht das Gefühl, anderen Menschen nah zu sein. Und ebenfalls rund ein Viertel hat nicht das Gefühl, mit den Menschen um sich herum auf einer Wellenlänge zu sein.
  • Jugendliche und junge Erwachsene haben kein klares Bild von Gesellschaft und beschreiben eine Distanz zur Demokratie. Sie können nur ein vages Bild davon zeichnen, was sie unter Gesellschaft verstehen, und weisen kaum kollektives Bewusstsein auf. Nur 57 Prozent der Befragten halten die Demokratie für die beste Staatsform. Und 55 Prozent bemängeln, die Politik greife für ihre Altersgruppe relevante Themen nicht auf und nur rund ein Viertel stimmt der Aussage "Ich kann die Politik beeinflussen" zu.
  • Es gibt einen Zusammenhang zwischen Einsamkeit und autoritären Einstellungen. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die sich häufig einsam fühlen, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie Verschwörungserzählungen glauben, politische Gewalt billigen und autoritären Haltungen zustimmen.
  • Jungen einsamen Menschen fällt es schwer eine hilfreiche Strategie zu finden, um Einsamkeit zu überwinden. 75 Prozent der einsamen Jugendlichen und jungen Erwachsenen versuchen ihre Einsamkeit zu ignorieren, obwohl nur ein Viertel von ihnen diese Strategie zur Überwindung von Einsamkeit als hilfreich empfindet. Ebenfalls 75 Prozent verbringen mehr Zeit online, auf Social Media oder in Onlinespielen. Nur knapp die Hälfte von ihnen gibt jedoch an, dass dieses Verhalten eine Hilfe sei. Weniger als die Hälfte der Jugendlichen und jungen Erwachsenen sucht sich professionelle Hilfe.

Ursachen: Warum leiden besonders junge Menschen unter Einsamkeit?

Das Jugend- und junge Erwachsenenalter sind Lebensphasen, in denen wir viele psychische und soziale Veränderungen erfahren. Das macht uns für Einsamkeit empfänglich. Wir erleben Umbrüche und gleichzeitig macht unsere Persönlichkeitsentwicklung einen großen Schub, der wie ein Wachstumsschmerz wirken kann.
Der Ablösungsprozess von den Eltern spielt zum Beispiel eine große Rolle. Die Beziehung zu ihnen verändert sich. In dieser Lebensphase verlieben wir uns meistens zum ersten Mal - und werden vielleicht auch enttäuscht. Wir wechseln die Schule, beginnen eine Ausbildung oder ein Studium. Damit verändern sich oft auch unser Freundeskreis und die Personen, die uns unterstützen. Weil Freundschaften für Jugendliche besonders wichtig sind, können wir uns besonders in solchen Umbruchsphasen schnell einsam fühlen. Die Covid-19-Pandemie hat dies noch verstärkt, weil der direkte Kontakt stark eingeschränkt war.

Covid-19-Pandemie: Gesteigerte Einsamkeit vor allem bei jungen Menschen

"Vor der Covid-19-Pandemie waren es eher die Hochaltrigen, die einsam waren. Während der Pandemie hat sich das Altersgefüge der Menschen, die einsam sind, umgedreht. Alle werden einsamer in der Pandemie. Aber die Hochaltrigen werden am wenigsten mehr einsam in der Pandemie - während die Jungen ganz stark einsam waren. Letzte Daten des Sozio-ökonomischen Panels aus 2021 zeigen: In der Altersgruppe der 18 bis 29 Jahre war der Anstieg der Einsamkeit am steilsten. Und die Jüngeren sind auch immer noch einsamer als die Hochaltrigen. In der Pandemie gab es für junge Menschen vermutlich mehr und neue Auslöser für Einsamkeit, die es für ältere Menschen in diesem Maße nicht gab."

Dr. Janosch Schobin, Soziologe an der Universität Kassel und Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Forschung des 'Kompetenznetzes Einsamkeit' des Instituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Frankfurt am Main

Video: Was macht Einsamkeit mit uns?

Was ist Einsamkeit? Was ist der Unterschied zwischen allein und einsam sein und emotionaler und sozialer Einsamkeit?

Weit verbreitet ist die Definition, dass Einsamkeit entsteht, wenn die tatsächlichen Beziehungen nicht den gewünschten Beziehungen entsprechen und diese Diskrepanz von uns wahrgenommen wird.
Einsamkeit bedeutet für manche, dass ihnen enge, emotionale Bindungen fehlen. Andere fühlen sich einsam, wenn sie weniger Kontakt zu anderen Menschen haben als sie es gerne möchten. Laut dem "Kompetenznetz Einsamkeit" sei das eigene Empfinden der beste Maßstab dafür, ob man einsam ist oder nicht.

Der Unterschied zwischen allein sein und sich einsam fühlen

Allein zu sein oder sich einsam zu fühlen ist nicht dasselbe. Einsamkeit beschreibt ein subjektives Gefühl, Alleinsein einen objektiv sichtbaren Zustand. Eine Person ist zum Beispiel allein, wenn keine anderen Menschen in der Nähe sind. Alleinsein kann von einem Menschen sowohl positiv als auch negativ empfunden werden. Einsamkeit und Alleinsein treten zwar häufig zusammen auf, sind aber nicht unbedingt miteinander verknüpft. Ihr könnt zum Beispiel Single sein, allein wohnen und dabei trotzdem nicht einsam sein. Umgekehrt gilt: Ihr könnt gemeinsam in einer Partnerschaft leben und euch trotzdem einsam fühlen.

Verschiedene Formen von Einsamkeit

In der Wissenschaft wird Einsamkeit unter anderem nach Beziehungsformen unterschieden:

  • Emotionale Einsamkeit: Bei dieser Form der Einsamkeit fehlt eine enge, intime Bindung. Ein Mensch, dem ihr vertrauen könnt und der euch als Person bestätigt.
  • Soziale Einsamkeit: Hier fehlen gute Beziehungen zu Freunden oder zur Familie. Ein größeres soziales Netzwerk ist nicht vorhanden.
  • Kollektive Einsamkeit: Sie bezeichnet das Gefühl sich nicht zu einer größeren Gruppe oder Gemeinschaft dazugehörig zu fühlen.
  • Kulturelle Einsamkeit: Es fehlt das bevorzugte kulturelle oder sprachliche Umfeld.
  • Physische Einsamkeit: Bei dieser Form der Einsamkeit fehlt die körperliche Nähe.

Einsamkeit wird aber auch nach einer zeitlichen Dauer unterschieden. Es gibt unter anderem diese drei Formen:

  • Vorübergehende Einsamkeit: Eine kurze Zeitspanne, in der Einsamkeit empfunden wird. Sie geht schnell wieder vorüber.
  • Situationale Einsamkeit: Eine durch soziale Umbrüche, wie zum Beispiel den Verlust des Partners oder der Partnerin oder eines Freundes ausgelöste Einsamkeit, bei der vorher gute soziale Beziehungen existierten.  
  • Chronische Einsamkeit: Über längere Zeiträume, mindestens zwei Jahre, anhaltende Einsamkeit. Besonders chronische Einsamkeit senkt die Lebensqualität. Sie wirkt sich negativ auf die körperliche und psychische Gesundheit aus.

Maßnahmen: Strategien der WHO und der Bundesregierung gegen Einsamkeit

Fünf Jugendliche legen die Hände aufeinander. Die Zahl einsamer Menschen in Deutschland steigt, besonders unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Einsamkeit kann krank machen. Was könnt ihr dagegen tun? | Bild: picture alliance/Westend61 /Jose Luis CARRASCOSA

In Deutschland soll das "Kompetenznetz Einsamkeit" im Auftrag der Bundesregierung Strategien gegen Einsamkeit entwickeln.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) setzt sich dafür ein, Einsamkeit und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Gesundheit weltweit zu verringern. Dafür hat sie eine Kommission eingesetzt, die in den kommenden Jahren Pläne entwickeln soll, wie in einzelnen Ländern in allen Einkommensstufen Sozialkontakte gefördert werden können. Sie soll auch den Einfluss guter Sozialbindungen auf die wirtschaftliche und soziale Entwicklung von Gesellschaften untersuchen.

In Deutschland hat die Bundesregierung im Jahr 2023 eine Strategie gegen Einsamkeit mit mehr als hundert Maßnahmen beschlossen, um Betroffene zu unterstützen und um Einsamkeit vorzubeugen. Die Regierung will damit unter anderem die Aufmerksamkeit für das Thema erhöhen sowie Forschung und Angebote für einsame Menschen ausbauen. Wartezeiten für Therapieplätze sollen verkürzt werden. Zusätzlich fördert die Bundesregierung seit 2022 das Projekt "Kompetenznetz Einsamkeit" (KNE). Das KNE erforscht unter anderem Faktoren zur Vorbeugung und Bekämpfung von Einsamkeit, verbreitet Wissen zum Thema und sensibilisiert die Gesellschaft für einsame Menschen. Das Projekt wird durch das Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V. umgesetzt und vom Bundesfamilienministerin gefördert.

Einsamkeit: Welche Rolle spielen die Sozialen Netzwerke?

"Ich würde sie auf keinen Fall verteufeln. Leute lernen zum Beispiel Menschen bei Videospielen kennen, das ist nicht unüblich. Das Netz ist ein Ort der Kontaktgenese geworden. Wenn Online-Kontakte zu Offline-Kontakten werden, dann ist das super positiv und der Optimalfall. Wenn Offline-Kontakte allerdings durch Online-Kontakte ersetzt werden, dann ist dieses Nutzungsverhalten vermutlich negativ. Wenn ich zum Beispiel sage: In der Schule mögen mich zwar alle nicht, aber dafür habe ich meine Follower und mit denen kann ich online Kontakt haben."

Dr. Janosch Schobin, Soziologe an der Universität Kassel und Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Forschung des 'Kompetenznetzes Einsamkeit' des Instituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Frankfurt am Main

Video: Einsamkeit überwinden

Tipps: Das könnt ihr tun, um Einsamkeit zu überwinden

Wir alle haben verschiedene Biografien. Deshalb gibt es nicht die eine Antwort darauf, wie ihr das Gefühl von Einsamkeit lindern könnt. Wichtig ist, dass ihr wahrnehmt und anerkennt, dass ihr einsam seid, aber dem Gefühl dann nicht weiter nachgebt, sondern aktiv etwas dagegen unternehmt.

Diese Tipps können euch dabei helfen Einsamkeit zu überwinden:

  • Ignoriert oder überspielt eure Einsamkeit nicht. Versucht, mit jemandem darüber zu reden und holt euch Hilfe.
  • Sucht, pflegt und stärkt bewusst den Kontakt zu eurer Familie und zu Freunden. Gute Beziehungen helfen gegen Einsamkeit. Ehrlich über eure Einsamkeit zu sprechen und zuzugeben, dass es euch gerade nicht gut geht, kann befreiend wirken. Mit regelmäßigen Telefonaten oder virtuellen Treffen könnt ihr in Kontakt bleiben, wenn Familienmitglieder oder Freunde nicht in der Nähe wohnen. Auch wenn Telefonate und Videoanrufe nicht dasselbe sind wie echte Treffen, ermöglichen sie Nähe und soziale Bindung.
  • Nutzt die sozialen Netzwerke, um Gleichgesinnte zu finden. Passt dabei jedoch auf, dass eure Kontakte in den sozialen Netzwerken nicht eure realen Freundschaften ersetzen. Versucht, aus online geknüpften Kontakten wirkliche Freundschaften zu entwickeln.
  • Schließt euch einer oder, wenn möglich, sogar mehreren Gruppen an. Es sollte sich dabei um eine Gemeinschaft handeln, mit der ihr euch identifizieren könnt und deren Interessen ihr teilt. Wer sich für Literatur interessiert, der ist in einem Buchclub gut aufgehoben, wer gerne Sport treibt in einem Sportverein, wem Musik viel bedeutet, kann sich einer Musikgruppe anschließen oder einem Konzertverein. Auch in einem Ehrenamt kommt ihr mit Menschen in Kontakt, die eure Interessen teilen. Viele Vereine und Institutionen sind dankbar über jede Hilfe.
  • Selektiert und versucht zu erkennen, welche sozialen Kontakte euch guttun. Nicht die Quantität, sondern die Qualität von Beziehungen ist entscheidend. Verbindend sind gemeinsame Überzeugungen und Einstellungen.
  • Erwartet das Beste. Bleibt optimistisch, wenn ihr auf andere zugeht. Ihr braucht Geduld, wenn ihr nach erfüllten sozialen Beziehungen sucht. Reibungen und Rückschläge solltet ihr nicht überinterpretieren.
  • Arbeitet an einem positiven Selbstbild und macht euch nicht selbst nieder. Ihr seid liebenswert.
  • Behandelt euch selbst gut. Gedanken wie: "Draußen kann ich allein keinen Spaß haben, deshalb bleibe ich lieber zu Hause," oder: "Für mich alleine lohnt es sich nicht, zu kochen," solltet ihr nicht zulassen. Macht es euch gemütlich und genießt ein leckeres Essen. Ihr seid es wert. Und auch allein ins Schwimmbad oder ins Kino zu gehen, kann Spaß machen. Im Zweifel gilt: Lieber allein als gar nicht, oder?
  • Sprecht mit Nachbarn, eurem Friseur oder Leuten im Supermarkt, auch das kann euch guttun. Es reicht schon ein nettes Gespräch über Alltägliches. Wenn ihr anderen zuhört und auch mal etwas Persönliches preisgebt, bekommt ihr das Gefühl dazuzugehören. Auch im Internet gibt es Angebote, über die sich Nachbarn vernetzen können.
  • Auch Tiere können Nähe und Geborgenheit spenden sowie emotional unterstützen. Wenn ihr Hunde mögt, aber kein eigenes Haustier besitzt, geht doch mit einem Hund aus dem Tierheim spazieren. Oder fragt, ob eure Nachbarn oder Freunde einen Haustier-Sitter brauchen.
  • Besucht eine Selbsthilfegruppe, die sich mit Einsamkeit beschäftigt. Hier könnt ihr über eure Einsamkeit offen und ohne Scham sprechen. Zu erfahren, dass es anderen genauso geht, kann euch entlasten und ihr könnt gemeinsam nach Lösungen und Ideen suchen.
  • Wenn ihr der Einsamkeit nicht entkommen könnt, sprecht darüber mit eurem Arzt. Eine Psychotherapie kann euch helfen, den Ursachen eurer Einsamkeit auf den Grund zu gehen.

Erste Hilfe gegen Einsamkeit: An diese Stellen könnt ihr euch wenden

  • Nummer gegen Kummer: Telefonische Beratung und Unterstützung für Kinder und Jugendliche, anonym und kostenlos.
  • krisenchat.de: Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene unter 25 Jahren werden hier über WhatsApp oder per SMS an 365 Tagen im Jahr und rund um die Uhr kostenlos, anonym und sofort beraten.
  • TelefonSeelsorge: Die TelefonSeelsorge ist kostenlos per Telefon, Mail und Chat zu erreichen. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter helfen Menschen in Not an jedem Tag im Jahr rund um die Uhr.
  • Redezeit für Dich: Ehrenamtliche ausgebildete Zuhörer unterstützen euch kostenlos über Skype, Zoom, WhatsApp, Facetime oder Telefon bei Unsicherheiten, Selbstzweifeln, Einsamkeit, Wut, Hilflosigkeit, Frust, Unruhe, Überforderung und allem, was einen Menschen belasten kann.
  • Studentische TelefonSeelsorge: Studenten und Studentinnen aus ganz Deutschland werden hier anonym und kostenlos beraten.
  • Psychologische Beratung der Studierendenwerke: Viele Studierendenwerke bieten ratsuchenden und einsamen Studierenden psychologische Beratungsmöglichkeiten. Der Dachverband der Studierendenwerke bietet eine Suchfunktion für Beratungsangebote in über 40 Städten.
  • [U25]: [U25] ist ein kostenfreies Online-Hilfsangebot für Jugendliche und junge Erwachsene unter 25 Jahren, das euch bei Suizidgedanken und in Krisen berät.
  • JugendNotmail: Hier beraten ehrenamtliche Psychologen und Sozialpädagogen mit Zusatzausbildung Kinder und Jugendliche in Not vertraulich und kostenlos in ihrer Freizeit per Mail und Chat. Dadurch könnt ihr Hilfe zur Selbsthilfe und Entlastung erfahren.

Mehr Wissen: Sendungen und Quellen zum Thema Einsamkeit