Debatte um Legalisierung Warum Cannabis-Verbote mit Rassismus zusammenhängen

Die Ampel will Cannabis legalisieren, die CSU hat etwas dagegen. Und die Debatte kreist um die gesundheitlichen Folgen von Marihuana. Dabei werden Drogen oft aus anderen Gründen verboten – eine Rolle dabei spielt Rassismus.

Von: Ferdinand Meyen

Stand: 30.05.2023

Bild: picture-alliance/dpa/Peter Kneffel; Montage: BR

Tell your children – sagen Sie es ihren Kindern. Mit diesen Worten endet einer der wohl einflussreichsten Filme in Sachen Drogenpolitik: „Reefer Madness“ aus dem Jahr 1936. In „Reefer Madness“ wird die tragische Geschichte von fünf High-School-Jungs erzählt. Von braven Bürgern werden sie zu wahnsinnigen, vergewaltigenden Monstern. Alles nur wegen einer Droge, alles nur wegen Cannabis. Hinter verschlossenen Türen lauert die Gefahr, heißt es im Trailer. Und die heißt: Marihuana.

Cannabis wurde zur Bedrohung der weißen Mittelschicht gemacht

Bild: picture alliance/AP Images | Richard Vogel

„Reefer Madness“ ist ein Propaganda-Film, den damals das amerikanische Bureau of Narcotics, die Antidrogenbehörde in den USA, finanziert hat. Er stilisiert Cannabis zu einer Droge hoch, die die unschuldige, weiße amerikanische Mittelschicht bedroht. „Das wichtigste Element dieser Erzählung ist: Cannabis löst Gewalt aus“, sagt die Historikerin Helena Barop. Reefer Madness zeige ein einziges Gemetzel von Leuten, die irgendwie Cannabis geraucht haben und sich dann gegenseitig erschießen und aus dem Fenster fallen. Helena Barop hat die Geschichte der Drogenprohibition erforscht und darüber mehrere Bücher geschrieben. Zum Beispiel: „Mohnblumenkriege“ oder „Der große Rausch - Warum Drogen kriminalisiert werden“. Eine zentrale Figur der amerikanischen Prohibitionskampagne gegen Cannabis ist Anfang des 20. Jahrhunderts ein gewisser Harry Anslinger, erzählt Barop: „Der hat in den 30er Jahren das Problem, das alle amerikanischen Behörden haben: Es gibt eine Wirtschaftskrise, und da fürchten die Behörden, dass der Rotstift kommt und ihnen die Budgets kürzt, weil eben kein Geld in der Staatskasse ist.“

In den 1930ern soll das Unheil aus Schwarzen Jazz-Clubs kommen

Harry Ansliger will vermeiden, dass das auch mit seinem Bureau of Narcotics passiert. Er setzt also alles daran, Cannabis zu einer kulturellen Bedrohung hochzustilisieren – gegen die man unbedingt etwas unternehmen muss. Anslinger kommt es gelegen, dass Cannabis zu dieser Zeit vor allem von Schwarzen in Jazz-Clubs konsumiert wird. Jazz-Clubs, aus denen auch in „Reefer Madness“ das Unheil kommt. Da kaufen die Nerds nämlich ihre Drogen. Barop erklärt: „Der afroamerikanische junge Mann in der Stadt ist sozusagen der Prototyp des Gefährlichen in dieser Erzählung. Und das wird eben ganz stark mit Drogenkonsum in Verbindung gebracht. Übrigens bis heute.“ Auch heute noch werde erzählt, dass es vor allem die jungen, schwarzen Männer seien, die unter Drogen-Einfluss nicht mehr unter Kontrolle zu bringen seien und dann gewalttätig würden.

„Bayern, Bier – und Gras? Streit um die Cannabis-Legalisierung“ - darüber diskutiert die Münchner Runde am 31.05.2023 um 20:15 Uhr im BR Fernsehen und auf BR24. Unter anderem mit Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek und Schauspieler Eisi Gulp. Wer die Sendung verpasst hat, kann sie in der ARD-Mediathek ansehen.

Gesundheitspolitik und Rassismus vermischen sich oft

Helena Barops Forschung zeigt: Immer wieder vermischen sich in Sachen Cannabis und Drogenverboten rassistische und xenophobe Ideen mit Gesundheitspolitik. Zum Beispiel mit Mythen über Schwarze, die unter Kokain und Cannabis-Einfluss Superkräfte entwickeln sollen. Nicht nur in den 1930er Jahren, auch später kam es konservativen Politikern gelegen, Schwarzsein mit Cannabis gleichzusetzen. Barop erzählt: Es wird häufig so getan, als wären Drogengesetze Gesundheitsgesetze, die dazu da sind den Menschen zu schützen. Aber das ist historisch überhaupt nicht der Zusammenhang, in dem Drogengesetze entstanden sind. Historisch gesehen ist es so, dass Drogengesetze im Prinzip Sittlichkeitsgesetze sind.“

Marihuana-Konsum führt zu Pazifismus und noch schlimmer, zum Kommunismus, hieß es damals! Aber ist das heute immer noch so? In der aktuellen Debatte um die Legalisierung von Cannabis zumindest, geht es vornehmlich um gesundheitspolitische Aspekte, auch bei denen die dagegen sind, oder? So zumindest betont es auch Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek von der CSU. Nachfrage bei Aktivistin Philine Edbauer, die mit der Initiative „Mybrainmychoice“ für ein Umdenken in der deutschen Drogenpolitik kämpft. Sie glaubt nicht, dass Rassismus das primäre Motiv der Cannabis-Gegner in Deutschland sei. Das heiße aber nicht, dass bestimmte Klischees deshalb verschwunden sind. Edbauer sagt: „Der Rassismus zeigt sich an ganz vielen Stellen. Zum Beispiel in der starken Verknüpfung: Schwarze Menschen in Parks sind Dealer.“

Auch heute gibt es noch Stigmata

Will die Cannabis-Legalisierung verhindern: Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek Bild: Bayerischer Rundfunk 2023

Es ist also nicht mehr unbedingt die Politik, sondern es sind die rassistischen Bilder im Kopf aus der Anslinger-Ära, die auch heute noch greifen, meint Philine Edbauer. Vor allem in Sachen Kriminalisierung. Wo zum Beispiel wird mit Drogen gehandelt? Bestimmt an Hauptbahnhöfen, in dreckigen Club-Toiletten, in geheimen Katakomben, von irgendwelchen zwielichtigen Typen mit Rastalocken, da zumindest schaut die Polizei hin. Aber auch in Bank- und Bürogebäuden würde mit Drogen gehandelt – von reichen, weißen Business-Typen, sagt Philine Edbauer. Die würden aber seltener kontrolliert und deshalb auch seltener von der Polizei erwischt.

Philine Edbauer erklärt: „Es ist ja Fakt, dass in der Öffentlichkeit Drogenhandel sichtbar wird, dadurch dass Menschen schwarz sind. Es ist ein Teufelskreis, wodurch man ignoriert, dass der meiste Drogenhandel in Deutschland weiß sein muss.“ Es gebe dazu schon erste Befragungen, die diese Vermutung stützen.

Tell your children!

Auch Historikerin Helena Barop ist überzeugt: Prohibition hilft auch aufgrund ihrer historischen Wurzeln wenig, vielmehr sollte es darum gehen, den Menschen, die ein Problem mit Drogen haben, zu helfen. Denn wenn jemand in eine Sucht abrutsche, seien häufig nicht die Drogen verantwortlich, sondern zum Beispiel psychische Erkrankungen oder das soziale Umfeld. Wer hier nur daran denkt, Drogen zu verteufeln, ist eventuell einem Narrativ aufgesessen, die auf einer rassistischen Tradition fußt. Tell your children – sagen Sie das mal ihren Kindern.