Innere Sicherheit Was tut der Staat, wenn IS-Kämpfer zurückkehren?

Mehr als 100 Personen aus Bayern sollen sich in Syrien Terrorgruppen wie dem IS angeschlossen haben. Doch was passiert, wenn sie zurückkehren? Jetzt, da der IS immer mehr zurückgedrängt wird: Sind die Sicherheitsbehörden in Bayern vorbereitet?

Von: Joseph Röhmel

Stand: 23.10.2017 | Archiv

Bild: picture-alliance/dpa

Letztes Jahr eine kurze Begegnung mit einem jungen Mann irgendwo in Bayern. Er soll bei einer Terrorgruppe in Syrien gewesen sein, worüber er aber schweigt. Nur so viel: Aussteiger hält er zu diesem Zeitpunkt für Verräter, die für den Staat die Dschihadisten-Szene ausspionieren.

"Diese Aussteiger kennen sich gar nicht mit dem Islam aus. Die sind Abfall der Gesellschaft. Und dann sehen die: Ich bekomme Geld vom deutschen Staat, jetzt hab ich den Staat als Freund. Und dann verkaufen die sich – ganz einfach."

Ehemaliges Mitglied der Dschihadistenszene in Syrien

Inzwischen kümmern sich nach BR-Informationen staatliche Stellen um den jungen Mann. Er habe sich von der Dschihadisten-Szene distanziert, heißt es. Ein gutes Vorbild für andere, die aus Syrien zurückkehren?

Was kann der Staat tun?

Ein Büro im bayerischen Landeskriminalamt in München: Kriminaloberrat Holger Schmidt liest auf seinem PC einen Artikel über die Terrormiliz IS, die immer weiter zurückgedrängt wird. Zuletzt hat der IS seine "Hauptstadt" Rakka verloren. Deutsche IS-Kämpfer sollen sich dort aber noch aufhalten:

"Die Zahl an sich - 300 - spricht natürlich dafür, dass wir noch mit der ein oder anderen Rückkehrersituation bzw. Rückkehrerperson zu rechnen haben. Dann werden wir sehen, was die Personen vor Ort genau erlebt haben: traumatische Erlebnisse bis hin natürlich zu schweren Straftaten, die die Personen begangen haben."

Holger Schmidt, Kriminaloberrat

Symboldbild Dschihadisten vor Bildschirm Bild: colourbox.com; montage:br

Holger Schmidt leitet das Kompetenzzentrum Deradikalisierung im Landeskriminalamt. Psychologen, Polizisten und Islamwissenschaftler kümmern sich um Radikalisierungsfälle. Auch um jene, die in Syrien und dem Irak waren. Laut bayerischem Verfassungsschutz sind 100 Männer und Frauen aus Bayern in den letzten Jahren ins Kriegsgebiet gereist oder planen eine solche Reise. 26 sind zurückgekehrt. Bei fünf Männern sollen Erkenntnisse vorliegen, dass sie tatsächlich gekämpft haben.   

Familien sehen sich in der Opferrolle

Beispiel: Im Frühjahr dieses Jahres wird in Bayern ein mutmaßlicher Syrien-Rückkehrer verhaftet. Die Polizei durchsucht auch die Wohnung der türkischen Mutter. Kurz darauf meldet sie sich in einem Facebook-Video zu Wort:

"Als hätten wir eine Bombe gebaut. Alles Papier, alles was es gibt. Was sie nichts angeht. Sie haben alles auseinandergenommen."

Mutter eines Syrien-Rückkehrers

Das Umfeld des Verhafteten sieht sich ganz offensichtlich in der Opferrolle. Für Beratungsstellen ist es schwer, an solche Familien heranzukommen. Das Beispiel zeigt: Nicht jeder Kämpfer einer Terrorgruppe wird geläutert zurückkommen. Ganz im Gegenteil: Ist der IS auch in Syrien besiegt, die Terrormiliz lebt in den Köpfen der Dschihadisten weiter. Weltweit lässt sie sich nicht einfach so vertreiben. Zudem sind weiterhin Ableger von Al-Kaida aktiv. Und so scheint die Gefahr hoch, dass Rückkehrer Anschläge verüben könnten, weil sie wissen, wie man mit einer Waffe umgeht oder eine Bombe baut. 

Joachim Herrmann (CSU), Bayerischer Innenminister Bild: picture-alliance/dpa

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann sagt dem BR, dass sich die Sicherheitsbehörden deutschlandweit und auf europäischer Ebene austauschen würden - auch um Syrien-Kämpfer rechtzeitig zu verhaften. Deutsche IS-Kämpfer könnten beispielsweise über verschiedene Länder in Europa einreisen. Die Situation im Kriegsgebiet werde genau beobachtet:

"Selbstverständlich haben die Mitarbeiter des BND, die vor Ort sind, so was im Blick. Wir sehen, was die befreundeten Nachrichtendienste hier melden. Es sind die Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes und die Länderpolizeien, die genau darauf schauen, was tut sich da. Und wir achten sehr sorgfältig darauf, ob jetzt da eine verstärkte Rückreisebewegung einsetzt."

Joachim Herrmann (CSU), Innenminister Bayern

Diese verstärkte Rückreisebewegung ist laut Bundeskriminalamt (BKA) bisher ausgeblieben. Aber auch so wird es schwer genug, alle Syrien-Rückkehrer zu integrieren. Schon jetzt zählt das BKA 705 islamistische Gefährder aus Deutschland. Fast die Hälfte von ihnen lebt wirklich in der Bundesrepublik. 100 sitzen in Haft. Einem Teil von ihnen trauen die Behörden zu, Straftaten von erheblichem Ausmaß zu begehen.

Eine große Herausforderung für Sicherheitsbehörden: Denn Dschihadisten machen nicht vor Landesgrenzen halt und sind in der Lage, sich in ganz Europa zu vernetzen.