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Mobbing im Netz Wie man sich gegen Cybermobbing wehren kann

Laut einer Studie erlebt jedes sechste Kind in Europa Cybermobbing. Lukas Pohland wurde als Kind selbst Opfer von Schikane und Bedrohung im Internet. Später hat er den Verein Cybermobbing-Hilfe gegründet. Ein Interview mit Tipps, wie man sich wehren kann.

Von: Sandrine Lehmann und Erika Henning (Gymnasium München Moosach) mit Unterstützung von Michael Peer (ARD alpha)

Stand: 17.04.2024

Lukas Pohland von der Cybermobbing-Hilfe e.V. | Bild: Oliver Nauditt

Warum interessierst du dich so für das Thema Cybermobbing, dass du sogar einen Verein gegründet hast?

Das hat mit meinen eigenen Erfahrungen vor ein paar Jahren zu tun. Damals war ich zwölf und zunächst war erstmal eine Mitschülerin von mir betroffen, die gemobbt wurde. Ich habe das mitbekommen und gedacht, dass das ziemlich ungerecht ist, denn die Mitschülerin hatte eigentlich gar nichts gemacht. Es ging um einen recht banalen Streit mit ihrer damals besten Freundin - und plötzlich wurde sie von der halben Klasse fertig gemacht.

Zur Person

Lukas Pohland (19) aus Schwerte ist Experte für das Thema Cybermobbing. Auf die Initiative des damals 14-Jährigen wurde 2018 der Verein Cybermobbing-Hilfe e.V. gegründet, der Betroffenen Hilfe bietet, aber auch Prävention an Schulen organisiert. Lukas Pohland ist seither 1. Vorsitzender des Vereins. Er ist zudem Mitglied im Beirat der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz.

Wie hast du reagiert?

Ich stand ihr erstmal bei und hatte ein offenes Ohr für sie. Dann wurde ich aber schnell selbst zur Zielscheibe. Es ging erst mit blöden Sprüchen los, dann wurde ich beleidigt und auch bedroht. Da habe ich selbst gemerkt, wie hilflos man sich als betroffene Person fühlen kann.

Über diesen Text

Dieses Interview fand im Rahmen des Praxisseminars "Information und Manipulation - Wer gewinnt den Meinungskampf auf Social Media" des Gymnasiums München Moosach statt. Das Gespräch mit Lukas Pohland führten Sandrine Lehmann und Erika Henning, beide Schülerinnen der 11. Klasse per Video-Schalte.

Das Interview begleitet die Live-Diskussionssendung, die am 29. April auf ARD alpha ausgestrahlt wird und ebenfalls mit Unterstützung des Bayerischen Rundfunks und ARD alpha von Schülerinnen und Schülern gestaltet wird. Lukas Pohland ist in der Diskussionssendung zu Gast.

Wie definierst du Mobbing oder Cybermobbing? Und wo fängt es an?

Es geht um absichtliches Beleidigen, Bedrohen, Bloßstellen und Belästigen über einen längeren Zeitraum. Mobbing fängt an, wenn Beleidigungen eine gewisse Dynamik angenommen haben. Wenn es also immer wieder passiert und nicht nur einmalig. Beim Cybermobbig hat sich der Mobbing-Tatort ins Digitale verlagert. Heutzutage gehört das Smartphone zum Leben dazu, deshalb gibt es eigentlich kaum noch "nur" klassisches Mobbing. Das Problem nimmt leider weiter zu. Eine neue Studie der Weltgesundheitsorganisation
WHO
zeigt, dass europaweit jedes sechste Kind von Cybermobbing betroffen ist.

Wie hast du deine Situation damals empfunden?

Ich habe mich hilflos gefühlt und es war auch ein Stück weit beängstigend. Wenn Morddrohungen ausgesprochen wurden, konnte ich nie einordnen, was wirklich passiert. Glücklicherweise ist nichts passiert, man ist sich im realen Leben eher aus dem Weg gegangen. Das war aber eine Zeit, wo ich mich draußen vielleicht einmal mehr umgedreht habe.

Jugendliche blicken auf ihr Handy: Soziale Medien beeinflussen unsere Meinungsbildung. | Bild: BR/Julia Müller zum Video mit Informationen Livestream Information und Manipulation im Netz Wer gewinnt den Meinungskampf auf Social Media?

Wie beeinflussen soziale Medien unsere Meinungsbildung? Um dieses Thema dreht sich eine Live-Diskussionssendung, die im Rahmen der Schülermedientage auf ARD alpha ausgestrahlt wird. Mach' mit und schicke jetzt deine Fragen an die Gäste! [mehr]

Haben deine Lehrer das nicht bemerkt?

Die Lehrkräfte haben es im Unterricht schon bemerkt. Die meisten haben sich da aber rausgehalten, die Schule hat auf die Polizei verwiesen. Dadurch haben sich die meisten Lehrkräfte eher nicht damit befasst, weil sie meinten, dass sich darum ja schon jemand kümmert. Die Polizei hat sich allerdings auch zurückgelehnt, die Täter waren ja auch erst um die zwöf Jahre alt, da hat sich die Polizei nicht wirklich zuständig gefühlt.

Wer hat dich unterstützt?

Die Mitschülerin und ich, wir haben uns gegenseitig unterstützt. Und wir hatten Unterstützung durch unsere Eltern. Wenig Hilfe gab es seitens der Schule. Im Nachgang denke ich, dass man dort auch überfordert war.

Wenn die Polizei eingeschaltet werden musste, worum ging es da genau?

Es ging mit Beleidigungen los. Später kamen aber auch Morddrohungen wie "Was traust du dich noch raus", "Wir zerstören dich". Dann wurden unsere Adressen veröffentlicht mit Aufforderungen wie "Geht die doch mal besuchen". Da war für uns die Grenze überschritten.

Wusstet ihr, wer die Täter waren?

Das waren Mitschüler aus der Klasse. Es gab eine regelrechte Hassgruppe auf WhatsApp, dort waren die Täter auch unter ihrem eigenen Namen und mit den Nummern sichtbar. Teilweise lief das aber auch anonym. Sie haben Fake-Profile angelegt auf Instagram und Co. Man konnte sie aus unterschiedlichen Gründen aber schon zuordnen. Bei den Fake-Profilen bleibt trotzdem die Unsicherheit, wer ganz genau dahintersteckt. Dann konnte es schon sein, dass einem jemand ins Gesicht lächelt, der oder die dann im Verborgenen trotzdem mitmacht.

Was sind die Beweggründe der Täter*innen?

In meinem Fall lag es ja zunächst daran, dass ich mich für die Mitschülerin engagiert habe. Und bei der Mitschülerin war es so, dass sie einen eigentlich ganz normalen Streit mit ihrer Freundin hatte, die dann die halbe Klasse gegen sie mobilisiert hat.

Generell ist das Problem beim Cybermobbing, dass sich viele Täter oder Täterinnen gar nicht bewusst sind, was sie da machen. Studien zeigen, dass mehr als 50 Prozent sagen, dass sie das als Spaß betrachten. Sie verkennen, was das für die betroffenen Personen bedeutet. In ganz vielen Fällen sind es es lapidare Konflikte, die in Mobbing-Situationen enden. Typisch ist das Ungleichgewicht, dass sich eine Gruppe von Menschen gegen Einzelne stellen.

Wo findet beim Mobbing Manipulation statt und welche Rolle spielen dabei digitale Medien?

Einerseits werden die Menschen manipuliert und in eine Mittäterschaft hineingezogen. Für Außenstehende ist es oftmals leichter, sich auf die Seite der Täter zu stellen. Aber es gibt auch immer mehr technische Möglichkeiten der Manipulation. In sozialen Netzwerken kann man Fake-Profile anlegen. Ein recht neuer Trend sind KI-generierte Deepfakes, die entstehen, wenn etwa Gesichter auf unangenehme Situationen manipuliert werden.

Wie konntet ihr euch aus der Situation damals herauskämpfen?

Das Cybermobbing hat damals nur dadurch aufgehört, dass die Mitschülerin und ich die Schule gewechselt haben. Das ist ja eigentlich der falsche Weg, da wir mehr oder weniger bestraft wurden, indem wir den Schulraum verlassen mussten. Eigentlich müssten aber die Täter zur Rechenschaft gezogen werden.

Hast du Tipps, wie man sich gegen Mobbing wehren kann?

Wenn man selbst betroffen ist, soll man sich erstmal Hilfe suchen, egal ob bei Freunden, Eltern oder einem Vertrauenslehrer. Es gibt auch anonyme Angebote, unser Verein hat eine anonyme Online-Beratung für Kinder und Jugendliche als erste Anlaufstelle. Man sollte aber auch Beweise sichern zum Beispiel durch Screenshots. Das ist wichtig für die Aufklärung oder für eine Strafanzeige.

Mobbing-Opfer sollten sich Hilfe holen.

Wenn man nicht selbst betroffen ist und es mitbekommt, sollte man nicht wegsehen sondern der betroffenen Person helfen. Manchmal traut man sich vielleicht nicht, direkt einzugreifen. Es hilft aber auch, der Person ein offenes Ohr zu bieten oder mit einer Lehrkraft zu sprechen. Das ist kein Petzen, denn im digitalen Raum kriegen es andere oft gar nicht mit, was insbesondere für Eltern und Lehrkräfte gilt.

Videos zu Influencer*innen, Mobbing und Propaganda

Sendungen zum Thema Manipulation und Mobbing auf Social Media:


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