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Schweigeminute für Flüchtlinge Warum Raoul Haspel Stille bei iTunes verkauft

Der Künstler Raoul Haspel hat es mit 60 Sekunden Stille auf Platz 1 der iTunes-Charts geschafft: Er verkauft Schweigeminuten für Flüchtlinge. Im Interview erzählt er, was der Track "Schweigeminute (Traiskirchen)" erreichen soll.

Von: Ron Kühler & Tobias Zervos

Stand: 20.08.2015 | Archiv

Raoul Haspel | Bild: Werner Streitfelder

Der österreichische Künstler Raoul Haspel hat mit dem Track "Schweigeminute (Traiskirchen)" einen Nummer-1-Hit gelandet, noch bevor er überhaupt erschienen ist. Über 2.000 Menschen haben den Track schon vorbestellt, dabei besteht der aus nichts anderem als 60 Sekunden Stille. Es handelt sich um eine Schweigeminute, die man kaufen kann, um Flüchtlingen zu helfen. Im PULS-Interview erklärt Raoul, wie genau die Hilfe aussieht und warum er die Aktion gestartet hat.

PULS: Raoul, dein Ziel war es nicht, auf die Nummer 1 in den österreichischen iTunes-Charts zu landen, sondern Geld für Traiskirchen zu sammeln. Was genau ist in Traiskirchen los?

Raoul Haspel: Traiskirchen ist in der Nähe von Wien, und dort ist ein Erstaufnahmezentrum für Flüchtlinge, das immer wieder in allen Krisenzeiten als Puffer für Österreich und auch das südliche Zentraleuropa verwendet wird. Und momentan versagt dort die Politik kläglich. Aber es sieht danach aus, als ob das Scheitern dort extra inszeniert ist, nur um das Zeichen zu setzen: "Wir sind voll! Wir können niemanden mehr aufnehmen!" Leider wird das auf dem Rücken der Menschen ausgetragen, die sowieso schon unglaubliches Leid erfahren mussten und jetzt im Regen draußen schlafen müssen. Es wurden sogar schon zwei Mal Kinder im Freien zur Welt gebracht. In Traiskirchen fehlt es am Notwendigsten, ich spreche von Trinkwasser, Nahrung, Kleidung, Toilettenartikel. Das ist absolut unwürdig für reiche Länder wie Österreich und Deutschland. Wir könnten und das locker leisten, Menschen in Not das Notwendigste zur Verfügung zu stellen. Dieses inszenierte Scheitern ist absolut lächerlich.

Aber ist es dort nicht wirklich voller als sonst?


Ja, aber das ist willentlich so herbeigeführt, beziehungsweise wissentlich nicht geändert worden. Die Problematik kennen wir seit vier, fünf Jahren und seit 18 Monaten sprechen die handelnden Personen davon, dass es eng und viel wird. Aber dieses "viel" ist insofern zu relativieren und auch lächerlich, dass jetzt beim Syrien-Konflikt nicht mal halb so viel Menschen in Österreich angekommen sind wie beim Jugoslawien-Krieg damals. Und damals hat kein einziger Mensch im Freien übernachten müssen.

Jetzt möchtest du helfen mit dem Geld, das du mit dem Track "Schweigeminute (Traiskirchen)" einnimmst. Was soll mit dem Geld passieren?

Das Geld ist ein angenehmer Nebeneffekt und geht natürlich sofort an die Menschen in Traiskirchen. Und um gleich allen Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen: Ich gleiche mit meinem eigenen Geld den Betrag aus, den die Plattformen für den Download einkassieren. Jeder gespendete Cent kommt also an und wird an eine private Hilfsinitiative übergeben, die vor Ort tagesaktuell auf die Bedürfnisse eingeht.

Du hättest die Spenden auch anders sammeln können. Warum ausgerechnet mit einer Schweigeminute als Track?

Viel wichtiger als das gesammelte Geld ist das riesige Zeichen der Solidarität von den Menschen in Österreich, die einfach genug von diesem lauten Herumgebrülle haben. Die Fronten sind so klar gezogen, jeder hat eine Meinung und es wird immer lauter. Und diese Schweigeminute ist ein Aufruf, mal kurz innezuhalten und in dieser Stille endlich mal wieder auf die innere Stimme und das Bauchgefühl zu hören, Und sich dann wirklich zu fragen: Will man das? Will man, dass es den Menschen so schlecht geht dort? Das kann ich mir nämlich einfach nicht vorstellen.

Den Track "Schweigeminute (Traiskirchen)" kann man ab 21. August online kaufen. Bei Amazon kostet er 1,29 Euro, im Google-Play- und iTunes-Store 99 Cent.


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