Polizeiaufgabengesetz im Landtag Handgranaten? Checkt die Fakten!

Politiker schimpfen übereinander, auf Facebook wird Quatsch verbreitet. Der Gesetzentwurf zum Polizeiaufgabengesetz, der jetzt verabschiedet ist, enthält diskussionswürdige Passagen, aber manche Behauptungen stimmen nicht.

Von: Johannes Berthoud

Stand: 24.04.2018 | Archiv

Polizeiaufgabengesetz | Bild: BR

Über 100 Seiten lang ist der Gesetzentwurf "zur Neuordnung des bayerischen Polizeirechts“. Da kann man in der Diskussion schon mal den Überblick verlieren. Das regt vor allem Innenminister Herrmann tierisch auf – klar, er will das Gesetz ja auch durchboxen:

"Was da rumgeistert in Facebook, in Social Medias und so weiter, dass Leute ohne richterliche Anordnung wochenlang festgehalten werden können, es ist blanke Lüge und einfach unverschämt so etwas zu verbreiten."

Joachim Herrmann, bayerischer Innenminister, am 10. April 2018 im Landtag

Ein kleiner Check: Was wird behauptet? Und was stimmt?

Einfach so Wegsperren. Ohne Richterentscheidung?

Schon seit letztem Sommer gilt: Personen dürfen für drei Monate in Gewahrsam genommen werden. Aber: Ein Richter muss schnellstmöglich entscheiden, ob das rechtens ist - am Anfang und alle drei Monaten wieder. Auch für viele andere Maßnahmen gilt so ein Richtervorbehalt. Juraprofessor Markus Krajewski aus Erlangen kritisiert am Gewahrsam unter anderem, dass Betroffene in dieser Situation nicht automatisch einen Pflichtverteidiger bekämen.

"Der Gedanke, der dahinter steckt ist: Die haben ja ihre Unschuld gar nicht zu beweisen, weil sie sowieso nicht angeklagt sind, weil man ihnen nicht irgendeinen Strafvorwurf macht, sondern behauptet: Du bist gefährlich. Aber auch da müsste eigentlich jemand beweisen können, dass er eben nicht gefährlich ist. Da sieht das Gesetz entsprechend nichts vor."

Markus Krajewski, Juraprofessor in Erlangen

Markus Krajewski will zusammen mit Studenten Verfassungsbeschwerde gegen Änderungen am Polizeiaufgabengesetz einlegen, unter anderem wegen eines neu eingeführten Begriffs: "drohende Gefahr".

Drohende Gefahr - die Polizei ermittelt, obwohl kein Verbrechen geplant ist?!

Für die Gewahrsamnahme muss ein Tatort und eine Tatzeit bekannt sein - es stimmt also nicht, dass die Polizei Verdächtige ohne konkrete Hinweise einsperren kann. Für andere Maßnahmen gilt: Stimmt! Die Polizei darf in vielen Fällen früher ran. Nämlich schon um:

"…die Entstehung einer Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut zu verhindern…"

Polizeiaufgabengesetz, Art. 11, Abs. 3

Geprägt hat den Begriff das Bundesverfassungsgericht. Dabei ging es um den Umgang mit Terroristen. Jetzt soll die "drohende Gefahr“ auch auf andere Gebiete angewandt werden. Was das für die Polizeiarbeit bedeutet, ist noch gar nicht so klar. Befürworter meinen: Super, wir verhindern Straftaten schon im Vorfeld. Kritiker sagen: Das ist verfassungswidrig, die Polizei wird zu einer Art Geheimdienst.

Die Polizei bekommt Handgranaten? Was geht?!

Selbst seriöse Medien wie "Zeit Online“ schreiben, dass die Polizei in Zukunft Handgranaten nutzen darf. Klingt krass, ist aber nicht neu: Das darf die Polizei schon seit langem. Neu ist: Auch Sprenggeschosse sollen verwendet werden können. Doch: Bei beidem geht es um Spezialkräfte, die zum Beispiel mit Terroristen zu tun haben. Nicht um normale Streifenpolizisten.

Die Polizei darf viel mehr als früher?

Stimmt definitiv. Wenn der Gesetzentwurf Mitte Mai im Landtag durchgeht, darf die Polizei:

- DNA-Spuren auf Haut-, Augen-, Haarfarbe und die Herkunft des Trägers untersuchen,
- Einsätze mit Bodycams filmen und Drohnen einsetzen, die Demonstranten filmen und Handydaten abgreifen können,
- Pakete beschlagnahmen lassen, ohne dass der Adressat etwas mitbekommt,
- Vermögen einfacher beschlagnahmen,
- Daten aus der Cloud sicherstellen und in bestimmten Fällen löschen.

Die Liste der Neuerungen im Polizeiaufgabengesetz ist ganz und gar nicht vollständig, um hier keine TLDR (too long didn´t read)- Gefahr aufkommen zu lassen. Es sind wirklich viele. Für die einen braucht die Polizei die neuen Möglichkeiten, um vernünftig arbeiten zu können. Für die anderen droht mit diesen Maßnahmen die komplette Überwachung.

Und was passiert jetzt?

Am 26. April haben bayerische Politiker erneut über den Gesetzesentwurf zum neuen Polizeiaufgabengesetz beraten. Ein paar entschärfende Änderungen wurde dabei beschlossen. Aber auch wenn im Mai Großdemos angekündigt sind, am 15. Mai soll das neue Polizeiaufgabengesetz verabschiedet werden - die CSU hat die Mehrheit im Landtag und kann im Alleingang beschließen. Die Grünen denken u.a. über eine Verfassungsklage nach.

Sendung: Filter, 26. April 2018 ab 15 Uhr