Facebook verweigert Polizei den Datenzugriff Warum das Überwachungsverbot im Endeffekt nichts bringt
Facebook macht jetzt klar: Für die staatliche Überwachung dürfen unsere Daten nicht mehr herhalten. An und für sich klingt das nach einem Sieg für Bürgerrechtler in Amerika. Trotzdem bleiben Datenschützer skeptisch.
#BlackLivesMatter – dieser Hashtag hat in den vergangenen Jahren viele Menschen in den USA auf die Straße gebracht. Nachdem 2014 in der Stadt Ferguson ein weißer Polizist den afroamerikanischen Jugendlichen Michael Brown erschossen hat, gab es gewalttätige Unruhen in der Stadt und wütende Proteste im ganzen Land. Für die Polizei stellen diese Demos immer ein potentielles Sicherheitsrisiko dar. Und für das Unternehmen Geofeedia offenbar ein profitables Geschäft.
Überwachen als Geschäftsidee
Das US-Unternehmen sammelt mit speziellen Programmen Daten von Nutzern sozialer Netzwerke. Diese Datensammlungen hat Geofeedia Polizeibehörden verkauft– um Protestaktionen und Demonstrationen besser zu überwachen. Das hat Facebook jetzt explizit untersagt. Nutzerdaten von Facebook und seiner Fotoplattform Instagram dürfen nicht mehr für Überwachungsanwendungen genutzt werden.
Damit zieht das Unternehmen Konsequenzen aus Recherchen der kalifornischen Bürgerrechtler-Organisation American Civil Liberty Union (ACLU). ACLU hatte mehrere Fälle aufgedeckt, in denen Geofeedia Polizeibehörden seine Dienste angeboten und sich stolz damit gebrüstet hatte, „Ferguson / Mike Brown im ganzen Land im Griff zu haben“.
Polizei bekam Namen und Ortsangaben
Geofeedia bediente sich beim Überwachen verschiedener öffentlich zugänglicher Daten, zum Beispiel Namen und Standort von Demoteilnehmern. Der Münchner Soziologe und Unternehmer Benedikt Köhler hat zu sozialen Medien geforscht. Er hält gerade diese Kombination für politisch bedenklich.
"In diesem speziellen Fall ist durchaus sehr kritisch, dass diese Informationen mit Ortsinformationen in Verbindung gebracht wurden. Wenn das in die falschen Hände gerät, lädt das in Zusammenhang mit Demonstrationen zu Missbrauch ein."
Benedikt Köhler, Soziologe und Unternehmer von DataLion
Facebook-Nutzer posten vieles, auch öffentlich: Aber eher nicht, um Polizisten damit auf ihre Spur zu bringen oder gar Material für Ermittlungen zu liefern. Vielen wird erst in solchen Situationen bewusst: Facebook, Twitter und Co. sind politische Instrumente. Datenschutzaktivisten finden das Verbot von Facebook gut. Auch wenn es ziemlich spät kommt. Twitter hat Geofeedia schon nach den Enthüllungen im Herbst den Datenzugang verwehrt und seine Geschäftsbedingungen zum Jahreswechsel geändert.
Eine Überwachungsmaschine kann jeder basteln
Theoretisch ist es allerdings jedem möglich, die öffentlich zugänglichen Daten abzugreifen und zu sammeln. Denn die sozialen Netzwerke haben mehr oder weniger offene Schnittstellen. Wissenschaftler, Marktforscher und Entwickler nutzen diese Möglichkeiten – ihre Arbeit hat sich mit den riesigen Datenpools massiv erleichtert. Und diese Offenheit bleibt bestehen. Wer die nötigen Skills hat, könnte also auch im Geheimen weiter über Facebook, Twitter und Instagram überwachen.
"Wenn man ein bisschen Erfahrung mit Programmieren hat, kann sich jeder seine eigene Überwachungsmaschine bauen."
Benedikt Köhler, Soziologe und Unternehmer von DataLion
Und da es sich hier ja auch um Daten handelt, die Nutzer öffentlich in die sozialen Netzwerke posten, sei es ganz egal, wie scharf die Datenschutzgesetze in den einzelnen Ländern sind. Auch in Deutschland hat die Justiz schon einmal über Facebook ermittelt, weiß Netzaktivist Alexander Sander von der Digitalen Gesellschaft.
"Vor einigen Jahren im Zuge des Protests gegen Atomkraftwerke, gab es diese Aktion Castor Schottern, und da hat die Staatsanwaltschaft eine Ermittlung gegen die ganze Facebook-Gruppe eingeleitet, wo dann halt Tausende von Leuten mit dabei waren."
Alexander Sander, Digitale Gesellschaft
Der Geheimdienst pfeift auf Facebooks Überwachungsverbot
Er findet zwar gut, dass Facebook jetzt mit seiner neuen Richtlinie gegen Überwachung ein Zeichen gesetzt habe, doch sei unklar, was genau mit "Überwachung" gemeint ist. So bleibt weiterhin offen, ob Versicherungen die Profile ihrer Klienten checken können, um zum Beispiel herauszufinden, ob sie Risikosportarten betreiben.
Und last but not least: Auch wenn Facebook die Überwachung seiner User verbietet - insbesondere Geheimdienste werden sich ziemlich sicher nicht daran halten. Alexander Sander sagt, das alles sei "nur ein Tropfen auf den heißen Stein". Er geht davon aus, dass der NSA weiterhin alles mitliest, was von uns in den großen sozialen Netzwerken landet und auf amerikanischen Servern gespeichert wird.