Digitale Gewalt Wenn der Ex euch digital fertig macht

An beleidigende Kommentare unter Fotos oder Videos im Internet haben wir uns schon gewöhnt. Doch über die letzten Jahre bildet sich unbemerkt eine noch viel schlimmere Form der Gewalt im Netz, die vor allem Frauen betrifft.

Von: Inés Peyser-Kreis

Stand: 14.01.2019 | Archiv

Digitale Gewalt | Bild: BR

Stellt euch vor, ihr habt Beziehungsstress. Ihr quatscht darüber mit der Mitbewohnerin in der Küche und erzählt ihr in dieser vermeintlich ganz privaten Situation, dass ihr euren Freund nicht mehr liebt. Und nicht mal fünf Minuten später steht genau der vor der Tür und stellt euch zur Rede. Denn er hat euer Gespräch über den Smart Speaker in der Küche abgehört, in den er sich reingehackt hatte. Wie creepy!

In England wurde so ein Fall im Mai 2018 schon vor Gericht gebracht und er ist kein Einzelfall. Das Phänomen heißt Digitale Gewalt und kann viele Formen haben: Wenn euer Ex-Partner eure Mails liest, weil ihr noch auf seinem Smartphone eingeloggt wart, wenn er droht, Nacktbilder von euch zu veröffentlichen oder wenn er sich in euren Smartspeaker einloggt und in Dauerschleife "euer Lied" spielt.

Hauptsächlich Frauen betroffen

Digitale Gewalt ist quasi psychische Gewalt, ausgeübt mit Hilfe von sozialen Netzwerken, Handys oder dem Smart Home. Digitale Gewalt umfasst dabei Erpressung, Stalking, Rufschädigung, Beleidigung, Cybermobbing, Manipulation und auch Revenge Porn. Häufig geht dieser Terror von Menschen aus, die wir kennen - (Ex-)Partnern zum Beispiel. Wie bei analoger häuslicher Gewalt betrifft das Männer und Frauen auf unterschiedliche Weise.

"Männer sind eher den weniger aggressiven Formen der digitalen Gewalt ausgesetzt wie Beleidigung und Beschimpfung. Aber wenn es um Dinge wie Erpressung, Kontrolle, Überwachung durch Apps auf Handys oder Zugriff aufs E-Mail-Konto geht - diese Formen von Gewalt betreffen eher Frauen", sagt Netzaktivistin Anne Roth. Eine erste, nicht repräsentative Umfrage von Amnesty International hat 2017 ergeben, dass knapp ein Viertel aller befragten Frauen zwischen 18 und 55 Jahren bereits digitale Gewalt erlebt hat.

Aufklärung und Studien nötig

Seit 2014 wird in deutschen Frauenhäusern immer häufiger Hilfe zum Thema Digitale Gewalt gesucht, wie eine Umfrage des Bundesverbands der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe ergeben hat. Genauere Zahlen, wie verbreitet Digitale Gewalt wirklich schon in Deutschland ist, gibt es leider noch nicht.

Deswegen fordern Aktivistinnen wie Anne Roth, dass die Bundesregierung Studien in Deutschland anstößt - denn erst mit konkreten Zahlen könne man beginnen, das Thema auch politisch anzugehen. Öffentliche Hate Speech wird bereits viel diskutiert, aber die Digitale Gewalt im eigenen Umfeld wird von Gesetzgebern und Polizei noch viel zu wenig ernst genommen, so Anne Roth: "Wenn Frauen versuchen digitale Gewalt anzuzeigen, dann wird ihnen oft nicht geglaubt. Das war bei häuslicher Gewalt schon immer so ähnlich, aber es verschärft sich jetzt gewissermaßen noch dadurch, dass viele Polizisten gar nicht verstehen, was da technisch eigentlich passiert."

Nach einer Trennung: Passwort ändern!

Aber wie kann man sich vor Digitaler Gewalt schützen, ohne ganz auf Smartphone und Social Media verzichten zu müssen? Keine Sorge, komplette Enthaltsamkeit oder Social-Media Flucht à la Robert Habeck ist nicht nötig, sagt Anne Roth: "Wir brauchen sehr viel mehr Wissen, wie wir unsere eigenen Geräte kontrollieren können. Es müsste quasi im Kindergarten damit angefangen werden, bei Kindern ein Bewusstsein dafür zu wecken, womit wir hantieren und welche Gefahren damit einhergehen."

Achtet also darauf, welche Daten ihr online oder in Apps von euch preisgebt und verratet niemandem eure Passwörter oder Bildschirm-Entsperrcodes. Auch nicht eurem Partner! Und wenn doch, dann ändert nach der Trennung schleunigst alle Kennwörter. Damit ihr auch weiterhin in der Küche ganz ungestört quatschen könnt. Sicher ist sicher.

Sendung: Freundeskreis vom 9. Januar 2019, ab 10 Uhr