Der Online-Marktplatz Temu drängt im Eiltempo auf den deutschen Markt und bringt sogar Amazon in Bedrängnis.
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Der Online-Marktplatz Temu drängt im Eiltempo auf den deutschen Markt und bringt sogar Amazon in Bedrängnis.

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Online-Marktplatz Temu: Billigware aus China per Knopfdruck

"Shoppe wie Milliardäre" verspricht die derzeit beliebteste kostenlose Smartphone-App in Deutschland: Temu zündet ein gamifiziertes Rabatt-Feuerwerk nach dem Kunden-werben-Kunden-an-Prinzip – und macht damit Amazon und Shein ernsthaft Konkurrenz.

Über dieses Thema berichtet: Feierabend am .

Während mancher sich noch über den plötzlichen Aufstieg des chinesischen Modehändlers Shein verwundert die Augen reibt, drängt längst ein neuer Player auf den Markt der schnellen Schnäppchen zum kleinen Preis.

Seit April bietet Temu seinen Online-Marktplatz auch in Deutschland an. Das Unternehmen wurde im Herbst 2022 in den USA gegründet, der Mutterkonzern sitzt im chinesischen Schanghai. Kaufbestellungen vermittelt Temu an Produzenten, die zumeist ebenfalls in China sitzen.

Keine Lager, keine Zwischenhändler

Das Unternehmen selbst besitzt – anders als Amazon – keine großen Lager. Laut Website kommt die bestellte Ware direkt "über ein globales Netzwerk von Lieferanten und Herstellern" an den Kunden geliefert. Dieses Netzwerk besteht zum Teil schon seit 2015, aufgebaut vom Schwesterunternehmen Pinduoduo, einer auf den chinesischen Markt ausgerichteten Online-Handelsplattform.

Temu-App beliebter als WhatsApp und ChatGPT

Seit Wochen ist die Smartphone-App von Temu in Deutschland die am meisten heruntergeladene kostenlose App sowohl für iOS-Geräte, als auch für solche mit Android-Betriebssystem. Damit lässt sie derzeit Apps wie WhatsApp, TikTok oder ChatGPT hinter sich. In den USA, wo Temu schon seit September verfügbar ist, war es genauso.

Wer die Website oder App von Temu zum ersten Mal öffnet, wird von Preisen mit "bis zu 90 Prozent Rabatt" geradezu überschwemmt: Da gibt es Damenschuhe ab 15 Cent und Musikinstrumente und kabellose In-Ear-Kopfhörer ab vier Euro. Das Sortiment von Temu ist weit gestreut: Mode, Spielzeug, Elektronik und Haustierbedarf sind nur einige der angebotenen Warenkategorien.

Influencer-Marketing und Gamifizierung

Bei der Vermarktung setzt Temu, ähnlich wie auch Shein, vor allem auf TikTok-Influencer, die unter den Hashtags #temu oder #temuhaul vor laufender Kamera ihre Einkäufe öffnen und anpreisen. Wer selbst fleißig Produktrezensionen verfasst, Freunde als Kunden anwirbt oder sich mit ihnen zusammenschließt und eine Gruppenbestellung aufgibt, erhält zusätzliche Rabatte. Wer brav mitspielt, spart noch mehr.

Fallstricke: Lieferzeit, Zoll und Rücksendungen

Beim Bewertungsportal Trustpilot rangiert Temu mit dreieinhalb von fünf Sternen im Mittelfeld. Zahlreiche Fünf-Sterne-Bewertungen mit Rabattcodes erwecken dabei den Eindruck, dass sie unter dem Eindruck von Extra-Rabatten abgegeben wurden.

Zu beachten gilt es bei Temu-Bestellungen, dass die Ware oft aus China versendet wird, man sollte also entsprechend lange Lieferzeiten einplanen und zusätzlich zum Kaufpreis können Zollgebühren anfallen.

Den Kaufvertrag schließt ein Kunde bei Bestellung nicht mit Temu ab, sondern mit dem jeweiligen Anbieter, der sein Produkt über die Plattform anbietet. Das verkompliziert Reklamationen und macht Rücksendungen möglicherweise teurer als das Produkt selbst.

Qualität, Datenschutz und Nachhaltigkeit sind fragwürdig

Ein ganz anderes Thema ist obendrein, wie nachhaltig so ein Temu-Schnäppchen ist: Genau wie bei AliExpress oder Shein reist die Ware oft einmal um die halbe Welt. Schlecht nachvollziehen lässt sich zudem, wie sicher Elektronikprodukte sind oder wie schadstoffbelastet Modeartikel – ein Risiko, das jeder Besteller mit sich selbst ausmachen muss.

Und auch in Sachen Datenschutz irritiert die Temu-App: Tech-Experten warnen davor, dass die Erhebung personenbezogener Daten in der App nicht deaktiviert werden kann und verweisen darauf, dass zumindest die App des Schwester-Unternehmens Pinduoduo sogar Fingerabdrücke und Gesichts-Scans aus dem eigenen Smartphone auf Firmenserver hochlädt.

Dieser Artikel ist erstmals am 03.08.2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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