Region Thessalien, katastrophale Überschwemmungen nach schwerem Sturm und riesigen Wassermassen durch Regenfälle. Momentaufnahme in der Stadt Volos
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Region Thessalien, Überschwemmungen nach schwerem Sturm und riesigen Wassermassen durch Regenfälle. Momentaufnahme in der Stadt Volos

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Medicane: Wetterphänomen droht im Mittelmeerraum

Während in Mitteleuropa das Wetter stabil ist, wird der Süden von intensiven Unwettern mit Sturm und heftigen Regenfällen beherrscht. Möglicherweise könnte sich in Griechenland ein "Medicane" zusammenbrauen. Was sich dahinter verbirgt.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Des einen Freud ist des anderen Leid – so könnte man zurzeit kurz gefasst das Wetter über Europa beschreiben. Seit Wochenanfang hat eine stabile Omega-Wetterlage aufgebaut, mit dem kräftigen Hochdruckgebiet Olenka – Patricia, mit Zentrum zunächst über der Mitte, seit heute über der Ostsee und dem östlichen Mitteleuropa.

Flankiert und festgehalten wird diese umfangreiche Hochdruckzone von zwei Tiefs, einem über Südwesteuropa und einem über Südosteuropa. In weiten Teilen Mitteleuropas und somit auch bei uns in Bayern gab es unter Hochdruckeinfluss – von örtlichen Frühnebelfeldern abgesehen – Sonnenschein von früh bis spät und gibt und die Temperaturen erreichten spätsommerliche Werte von 25 bis 30 Grad. Gleichzeitig sah und sieht es im Südwesten Europas und Südosten Europas ganz anders aus.

Kehrseite der stabilen Wetterlage

Denn zunächst sorgte das Tief über Südwesteuropa in Teilen Spaniens für ergiebige Regenfälle von 50 bis 150 Liter pro Quadratmeter in wenigen Stunden sowie Überschwemmungen. Nun bringt das Sturmtief Daniel in Teilen Griechenlands und auch stellenweise in der Türkei sintflutartige Regenfälle. In der Stadt Zagora in der Region Thessalien wurden an der dortigen Wetterstation am Dienstag 754 Liter/m² Regen an einem Tag gemessen; zum Vergleich in Nürnberg sind es knapp 700 Liter/m² in einem Jahr.

Schuld an diesen extremen Regenfällen ist die über Europa festgefahrene Großwetterlage. Denn so wie sich bei uns das Hoch kaum von der Stelle rührt und für schönes Spätsommerwetter sorgt, bleibt auch Tief Daniel im Bereich der Ägäis nahezu stationär. Dabei lenkt es immer wieder feuchtwarme Mittelmeerluft nordwärts und vermischt sich dort mit von Norden her einfließenden kühleren Luftmassen und dieses Gemisch sorgt für teils kräftige, gewittrige und sintflutartige Regenfälle. Nach den neusten Modellergebnissen ist aber ab Donnerstag oder Freitag langsam mit einer Wetterberuhigung zu rechnen.

Wird aus dem Unwettertief ein Medicane?

Denn im weiteren Verlauf soll sich das Unwettertief südwestwärts in Richtung Küste Nordafrikas verlagern und könnte sich zu einem Wirbelsturm, einem Medicane entwickeln. Das Wort Mediacane setzt sich aus mediterranean und Hurricane zusammen.

Dabei handelt sich es um ein tropensturm-ähnliches Sturmtief im Mittelmeerraum, also eine Art Hurrikan im Mittelmeerraum. Ein Medicane weist ähnlich Eigenschaften wie ein Hurrikan auf, mit zum Beispiel einem Auge im Tiefdruckzentrum und sich darum entgegen dem Uhrzeigersinn drehende, spiralförmig angeordnete Regen- und Gewitterbänder.

Medicanes erreichen dabei aber nur selten die Windgeschwindigkeiten eines Hurrikans mit mehr als 120 km/h, meist liegen die Windgeschwindigkeiten bei 70 bis 115 km/h. Großer Unterschied von Hurrikan und Medicane ist, dass ein Medicane im Gegensatz zu einem Hurrikan kein sich selbst stabilisierendes oder gar selbst ernährendes Wettersystem aufbaut, dazu ist das Mittelmeer zu klein.

Zudem ist die Dimension und Lebensdauer von Medicanes im Vergleich zu ihren großen Brüdern deutlich geringer von meist nur 100 bis 200 km Durchmesser und einer Lebensdauer von einigen Stunden bis hin zu etwa zwei Tagen. Von 1992 bis 2021 wurden 41 Medicanes registriert, also etwa 1 bis 2 Medicanes pro Jahr.

Aktuelle Situation im Mittelmeerraum

Satelliten- und Radarbilder zeigen, dass sich der Medicane derzeit über dem Mittelmeer zwischen Südwestgriechenland, Süditalien und vor der Küste Libyens entwickeln könnte. Erste typische spiralartige Regen- und Gewitterlinien, die sich um den Kern des Sturms legen, sind zu erkennen. Begünstigt wird diese Entwicklung von dem sehr warmen Mittelmeerwasser von teils mehr als 26 Grad, vor der Küste Libyens sind es noch mehr als 30 Grad. Zudem strömt in höheren Luftschichten von Nordosten her kühlere Luft über das sehr warme Mittelmeer, was ebenfalls die Entwicklung eines Medicanes begünstigt.

Noch ist nicht ganz klar, ob sich der Medicane halten kann und in welche Richtung er möglicherweise zieht. Aber allen Anschein nach zieht er von Griechenland südlich oder südwestwärts ab und führt hier zu einer Wetterberuhigung. Einige Modelle zeigen, dass er in Richtung Libyen und östliches Tunesien zieht, andere Modelle zeigen, dass er eher den äußersten Süden Italiens mit Sizilien und Malta erreichen könnte.

Dabei muss mit teils ergiebigen Regenmengen von bis zu 100 Liter/m² in 24 Stunden und schweren Sturmböen gerechnet werden. Nach den neusten Modellläufen wären sowohl die stärksten Regenfälle und schweren Sturmböen über dem Mittelmeer zu erwarten und nicht in Regionen wo Menschen leben. Sollte er aber dennoch Festland erreichen, muss vorübergehend mit kräftigen Regenfällen, Sturm und Überschwemmungen gerechnet werden.

Im Audio: Unwetterlage in Südosteuropa immer dramatischer

Sintflutartiger Regen, überspülte Straßen und Sturzbäche. Die Unwetterlage in Südosteuropa wird immer dramatischer. In der Türkei kamen mindestens vier Menschen ums Leben.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Khalil Hamra
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Türkei, Istanbul: Ein Radfahrer fährt durch das Hochwasser.

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