Bundeskanzler Olaf Scholz und Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, treffen sich am Rande des Nato-Gipfels zum bilateralen Gespräch.
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Bundeskanzler Olaf Scholz und Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, treffen sich am Rande des Nato-Gipfels zum bilateralen Gespräch.

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"Konkreter Erfolg": G7 will Ukraine langfristig helfen

Die Nato steht der Ukraine weiter bei, so die Botschaft des Gipfels in Vilnius. Die Vereinbarung: die Streitkräfte Kiews so ausstatten, dass Russland keine Angriffe mehr wagt. Aber: kein schneller Natobeitritt. Das Echo aus Kiew: verhalten zufrieden.

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Die Nato will die Ukraine weiter unterstützen, aber dabei nicht Kriegspartei werden. Am Rande des Nato-Gipfels in Vilnius deutete sich eine Lösung dafür an, in deren Zentrum die G7-Staaten stehen: Die Gruppe der reichsten westlichen Demokratien soll langfristige Sicherheitszusagen für die Ukraine auf den Weg bringen, um das Land generell vor russischen Aggressionen zu schützen. Die USA und Großbritannien kündigten eine entsprechende Vereinbarung der Staatengruppe an, der auch Deutschland angehört.

Ziel der Vereinbarung: Russland in Schach halten

Die G7-Vereinbarung zielt darauf ab, dass die ukrainischen Streitkräfte so ausgestattet werden, dass sie weiter ihr Heimatland verteidigen können und nach einem Ende des Kriegs so stark sind, dass Russland keine weiteren Angriffe mehr wagt. Dafür soll dem Dokument zufolge moderne Ausrüstung auch in den Bereichen "Luft und See" geleistet werden. Als eine Schlüsselfähigkeit werden Luftkampfsysteme genannt - ohne dass sie konkrete Waffensysteme wie Kampfjets oder bewaffnete Drohnen nannten. Welche Staaten welche bilaterale Militärhilfe leisten wollten, blieb noch offen. Auch eine zeitliche Perspektive wurde nicht gegeben.

Die Vereinbarung wurde zum Abschluss des Nato-Gipfels am Mittwochnachmittag unterzeichnet. Sie bleibt aber weit hinter der Sicherheitsgarantie zurück, die ein Nato-Beitritt bieten würde. Dann würde die militärische Beistandspflicht aller Mitglieder inklusive der Entsendung von Soldaten im Fall eines Angriffs gelten.

Verhandlungen sollen in Kürze starten

Es gehe darum, "wie die Alliierten die Ukraine in den nächsten Jahren dabei unterstützen werden, den Krieg zu beenden" - so die Formulierung der britischen Regierung. Ein US-Regierungsvertreter sagte, man werde die Verhandlungen darüber mit der Ukraine in Kürze aufnehmen. Biden hat dafür das Beispiel Israel genannt, das von den USA jährlich mit umgerechnet rund 3,2 Milliarden Euro unterstützt wird, flankiert von politischen Garantien.

Scholz: "Sicherheitspartnerschaft"

Bundeskanzler Olaf Scholz hat bereits mehrfach angekündigt, dass sich auch Deutschland an den Sicherheitsgarantien für die Ukraine beteiligen werde. In Vilnius sagte er, es gehe um eine "Sicherheitspartnerschaft", eingebettet in eine längerfristige Strategie, "auf die sich die Ukraine dann auch verlassen kann". Dies knüpfe an die bisherige Hilfe an, die der Ukraine eine Verteidigung ermöglicht habe, die ihr aus eigener Wirtschaftskraft heraus nicht möglich gewesen wäre.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach schon vor der Unterzeichnung von einem "wichtigen Signal". "Wenn die G7-Staaten heute diese Garantien verkünden, dann wird das für uns zu einem wichtigen, konkreten Erfolg", sagte er.

Zur G7 gehören die Nato-Staaten USA, Kanada, Großbritannien, Deutschland, Frankreich und Italien sowie Japan, das als strategischer Partner am Nato-Gipfel teilnahm. Blockiert worden war die Einladung vor allem von den USA und Deutschland, den beiden wichtigsten Waffenlieferanten der Ukraine. Sie wollen der Ukraine einen Beitritt frühestens nach einem Ende des Kriegs und weiteren Reformen ermöglichen.

Selenskyj inzwischen verhalten zufrieden

Selenskyj äußerte sich mit Blick auf die allgemeinen Ergebnisse des Nato-Gipfels zufrieden - aber nicht uneingeschränkt. Man könne "feststellen, dass die Ergebnisse des Gipfels schön sind", aber eine Einladung zum Nato-Beitritt "wäre ideal gewesen". Am Dienstag hatte sich Selenskyj noch sehr enttäuscht über die Ergebnisse geäußert. Kiew wolle einen schnelleren Beitritt zu dem Verteidigungsbündnis, sagte er nun - mitunter sei es aber schwierig, den Partnern bestimmte Dinge verständlich zu machen.

"Wir leben unter Bedingungen, unter denen wir überleben müssen, und die Partner wollen uns leben helfen, doch wir müssen, um leben zu können, erst einmal überleben." Wolodymyr Selenskyj in Vilnius

Selenskyj begrüßte die Initiative von elf Nato-Staaten unter Führung Dänemarks und der Niederlande, ukrainische Piloten an dem US-Kampfflugzeug F-16 auszubilden. Das Training soll im August beginnen, ein Zentrum dafür soll in Rumänien aufgebaut werden. Die Ukraine hat wiederholt geklagt, die Bodenoffensive komme auch deshalb nicht voran, weil ihren Streitkräften die Lufthoheit fehle.

Treffen zwischen Selenskyj und Biden

Selenskyj dankte zudem US-Präsident Joe Biden für die angekündigte Lieferung der umstrittenen Streumunition, die Russland in dem Krieg selbst schon mehrfach eingesetzt hat. Zudem betonte der ukrainische Präsident, seine Streitkräfte benötigten Waffen mit größerer Reichweite, um die russischen Angreifer besser bekämpfen zu können. Er werde diesen Punkt bei seinem Treffen mit Biden am Nachmittag ansprechen, sagte Selenskyj. Frankreich hat bereits angekündigt, der Ukraine eine "beträchtliche Anzahl" von Scalp-Raketen zu liefern, die eine Reichweite bis 250 Kilometer erreichen.

Baerbock: Nato nicht in den Krieg hineinziehen

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) verteidigte das Vorgehen der Nato. Die 31 Bündnis-Staaten hätten sich "auf einen guten Text verständigt, der unmissverständlich ist", sagte Baerbock in Vilnius. Die Formulierung mache ganz klar, "dass die Zukunft der Ukraine in der Nato liegt", es derzeit aber keine Beistandspflicht ähnlich wie im Nato-Bündnis gebe. Dementsprechend sehe die Nato selbst davon ab, der Ukraine Waffen zu liefern.

Russland gibt sich unbeeindruckt - und droht

Russland kritisierte das Nato-Vorgehen. "Der völlig verrückte Westen konnte sich nichts anderes einfallen lassen ... In der Tat, es ist eine Sackgasse. Der Dritte Weltkrieg rückt näher", schrieb Dmitri Medwedew, Ex-Präsident und Vize des Nationalen Sicherheitsrates, auf Telegram. "Was bedeutet das alles für uns? Das ist alles offensichtlich. Die spezielle Militäroperation wird mit denselben Zielen fortgesetzt."

Mit Informationen von dpa und AFP

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